Konferenzwoche 2024: Hoffnung Europa
29.02.2024 Mit der Konferenzwoche schließt für die rund 1200 Erstsemester-Studierenden das Leuphana Semester. In diesem Jahr stand sie unter dem Motto „Resilient Democracy“. Der langjährige Außenminister Luxemburgs Jean Asselborn eröffnete die Konferenz mit einem Blick auf die Zukunft Europas. Die Demokratie-Aktivistin Marina Weisband erklärte, wie eigenes Handeln die Demokratie stärken kann.
„Nach dem 24. Februar 2022 und dem 7. Oktober 2023 habe ich gedacht: Wofür hast du dich eigentlich 20 Jahre hergegeben? Was nützen noch internationale Politik und Außenpolitik, wenn wir die Grundregeln als internationale Gemeinschaft nicht hochhalten?“, sagte Jean Asselborn. Der Außenpolitiker führte die Erstsemester-Studierenden durch die jüngste Geschichte und verknüpfte vergangene Ereignisse mit der Gegenwart: „Nach dem Zweiten Weltkrieg haben wir die Grundregeln in der Charta der Vereinten Nationen festgeschrieben. Die Sowjetunion hat die Charta mit aufgebaut“, erinnerte er. Putin bezeichnete er als Kriegsverbrecher: „Der Krieg ist unverzeihlich. Vielleicht werden wir Jahrzehnte daran arbeiten, das wieder ins Lot zu bekommen.“
Unter Jean Asselborns Leitung erhielt Luxemburg erstmals von 2013 bis 2014 einen nichtständigen Sitz im Weltsicherheitsrat der Vereinten Nationen. Schon vor dieser Zeit war er als Außenpolitiker Gast vieler Staaten und erlebte die Begeisterung der Menschen für die Europäische Union: „Allein vor 2010 habe ich 130 Ländern besucht - in Afrika, Asien oder Lateinamerika.“ Dort hörte er: „Wir wollen eines Tages so leben wie die Europäer, mit den Werten der Europäer, mit Werten wie Menschenrechte und Toleranz“, berichtet Jean Asselborn. Der Luxemburger ist überzeugter Europäer: „Ohne funktionierende Europäische Union hätte ein Land wie mein Land, keine Chance zu überleben. Und ich bin nicht sicher, ob ohne Europa ein Land wie Deutschland große Chancen hätte zu überleben.“
Jean Asselborn ging auch auf die Ereignisse im Nahen Osten ein: „Ich bin der Überzeugung, dass Israel nur in Frieden leben kann, wenn auch Palästina einen Staat hat. Wenn wir eine Zwei-Staaten-Lösung hätten, gäbe es keine Hamas. Wir müssen als internationale Gemeinschaft alles dafür tun, dass die Zwei-Staaten-Lösung realisiert wird“, erklärte Jean Asselborn und verurteilte den Überfall der Hamas als „pure Barbarei“.
Um die Demokratie zu stärken, rief Jean Asselborn die Studierenden auf, zur Wahl zu gehen: „Man kann mit seinem Wahlzettel schon sehr viel machen“, sagte er und warnte vor dem Aufstieg rechtspopulistischer Parteien: „Wir haben in Europa genug Parteien und Politiker, die anderes im Kopf haben als unsere Werte. Diese Politiker wollen mit Lügen und Angstmacherei an die Macht kommen und sie dann nicht mehr hergeben“, sagte er.
Für rund 1200 Studierende ist die Konferenzwoche der Abschluss ihres ersten Semesters an der Leuphana. Mit namhaften Gästen aus der ganzen Republik diskutierten sie über demokratische Zukunftspolitik angesichts autoritärer Gefährdungen.
Auch Präsident Sascha Spoun thematisierte in seiner Rede den Israel-Konflikt und verwies dabei auf die USA. In Harvard und Berkeley etwa bekannten sich vergangenen Herbst viele Studierende zum anti-israelischen Slogan „from the river to the sea“. Ron Hassner, ein Professor aus Berkeley, führte eine Umfrage unter den Studierenden seiner Universität durch: „86 % der Befragten stimmten dem Slogan „from the river to the sea“ zu. Als er jedoch zudem in seiner Umfrage die Frage stellte „from which river to which sea?“, konnte nicht einmal die Hälfte eben dieser Studierenden darauf die richtige Antwort geben. Sie hatten keine Ahnung, wovon im geographischen Sinne bei dem Slogan die Rede war, und dennoch hatten sie ihm zugestimmt.“ Sascha Spoun betonte mit diesem Beispiel die Bedeutung der Theorie und Lehre und rief die Studierenden auf: „Reflect before you act! Denke nach, bevor du zustimmst! Zuerst die Theorie und das Lernen!“
Oft seien Dinge komplizierter als sie zunächst schienen: „Dies ist der Grund, warum sie hier sind bei der Konferenzwoche! Dies ist der Grund, warum ihr erstes Semester noch immer nicht zu Ende ist! Sie sind hier, um in die Komplexität der Dinge einzutauchen, bevor sie sich zu irgendetwas in der Welt committen. Wir haben für sie die Bühne bereitet, für ihren Erkenntniseifer, ihre Neugier, ihren kritischen Geist und für unerwartete Entdeckungen“, sagte Sascha Spoun.
Die Demokratieaktivistin Marina Weisband berichtete, dass ein Teil ihrer Familie vor dem Krieg in der Ukraine nach Israel geflohen ist: „Ich lebe seit zwei Jahren in einer Dauerkrise. Eine der wichtigsten Resilienzstrategien, die ich für mich gefunden habe, ist Dinge zu gestalten, die ich beeinflussen kann.“ Sie sagte, Demokratie sei mehr als freie Wahlen. Sie rief die Studierenden auf, Gestalter*innen der Gesellschaft zu sein und Verantwortung für das Gemeinwohl zu übernehmen.
Zudem lobte sie den studentischen Poetry-Slam aus dem Projektseminar „Freiheit & Utopie“ mit Dramaturgin Elia Anschein. Die Studierenden thematisierten auf der Bühne des Zentralgebäudes unter anderem Klimawandel, Kriege und Demokratie.