Think Big: Das Patent für Frauen und ihre Unternehmensgründung
04.11.2024
Anna von Berg revolutioniert Patentanmeldungen – KI und Kooperationen sei Dank. Mit 200 000 Patentanmeldungen jährlich im europäischen Raum bietet ihre Gründung enormes Potential und ist ein Beispiel dafür, wie AI Fachbereiche erneuert. Rückenwind gab es dafür im Leuphana-Workshop „Scale F exist women“, der sich an weibliche Existenzgründer*innen richtet.
Die Frage nach dem Einsatz künstlicher Existenz lässt die Einen ängstlich werden, die Anderen nehmen die neuen Möglichkeiten in die Hand und gründen: Anna von Berg, zum Beispiel. Mit „PatentPen“ will sie das Schreiben von Patentanmeldungen revolutionieren. Dafür entwickelte die Physikerin und Patentanwältin mit Informatikern des Helmholtz-Zentrums Hereon in Geesthacht eine Benutzeroberfläche, welche künftig den aufwändigen und kostenintensiven Prozess der Patentanmeldung erleichtert. Unterstützung für die KI-getriebene Geschäftsidee gab es von der Leuphana Fakultät für Management und Technologie.
Voneinander lernen mit ScaleF
Unter der Leitung von Carsten Wille und Prof. Dr. Stefanie Habersang (Juniorprofessorin für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere digitale Transformation) bietet die Workshop-Reihe „SCALEF-Exist Women“ Vernetzung und KnowHow für Frauen, die sich mit einer Idee selbstständig machen wollen. Auch Anna von Berg gehört zu den zehn Teilnehmerinnen: „Natürlich haben wir alle ganz verschiedene Ideen, mit denen wir gründen wollen. Doch die kleine Gruppe und der enge Austausch schaffen neue Inspirationen – und wir lernen voneinander“, berichtet sie.
Das Patent für’s Patent
„PatentPen“ wird derzeit am Hereon mit einer Kooperations-GmbH für den Live-Gang getestet. Als versierte Patentanwältin prüft sie die Eingabemaske, die von einem Software-Team entwickelt wird. „Es geht darum, dass die Texte schneller geschrieben werden können. Die Beschreibungstexte, die Patentanwalt oder Patentanwältin sonst schreiben, sind inhaltlich sehr ähnlich zu anderen Bestandteilen der Patentanmeldung, welche als Input für die KI genutzt werden können. Wir wollen eine Benutzeroberfläche anbieten, die die wichtigsten Fakten rund um die Erfindung erfasst und sie dann in einer Patentanmeldung zusammenfügt“, so die Physikerin.
Ungewöhnliche Allianzen
Natürlich überprüft sie die Änderungen in der Software und auch den Text, den die Künstliche Intelligenz dann generiert hat. Gerade, wenn es um Zeichnungen und experimentelle Daten geht, kann man sich noch nicht auf die automatisierte Beschreibung verlassen. Und so entstehen im Rahmen der KI-bedingten digitalen Transformation ganz neue Allianzen: eine Patentanwältin arbeitet im Team mit Informatikern, um neue Entwicklungen so zu steuern, dass sie spezifische Arbeitsaufgaben erleichtern. Natürlich braucht es dafür die Expertise der Fachexpertin genauso wie die der Informatiker und die Aufgaben sind vielfältig. Man muss flexibel bleiben in dem Prozess.
Puzzlen für Europa
„Die KI wird ständig erneuert. Wir müssen dann erst einmal schauen, ob die Neuerungen für uns hilfreich sind“, ergänzt sie. Beispielsweise gab es vor einiger Zeit ein Update, was auf kreative Wörter statt sachlicher Sprache setzte: „Das bringt uns natürlich nichts, wenn sich die Bezeichnungen im Text plötzlich ändern und der oder die Patentprüfer*in am Ende gar nicht mehr weiß, ob es noch um das gleiche Objekt geht oder schon um etwas ganz anderes“, sagt sie.
Es ist eine Puzzle-Arbeit, die ständigen Veränderungen unterliegt. Dennoch: das Potential für Annas Gründungsidee ist groß. Beim europäischen Patentamt in München gehen jährlich 200.000 Anmeldungen für neue Erfindungen ein. Dafür werden zumeist Patentanwält*innen beauftragt, denn gerade im Rahmen der Globalisierung, wollen die Erfinder*innen vermeiden, dass ihre Anmeldung Schlupflöcher für vergleichbare Entwicklungen offenlässt.
„Selbstverständlich könnte jede und jeder Patentanwält*in jetzt auch mittels einer KI versuchen, schneller und umfassender die Patentanmeldung zu gestalten. Unsere Software aber nutzt regelmäßig neue Versionen und weiß auch, mit welchem KI-Basismodell es sich am besten für diesen spezifischen Anmeldungsteil arbeiten lässt.“
Ein Fehler – Neun profitieren
Ihre Idee und die Herausforderungen, die mit Geschäftsgründungen einher gehen, diskutiert Anna dann im Leuphana-Workshop: „Das Schöne ist ja, dass wir hier auch Dinge diskutieren, die schief gegangen sind. Wenn eine den Fehler schon gemacht hat, müssen ihn ja nicht neun andere machen“, findet sie. Auch Wissen rund um Design Thinking, Geschäftsmodelle, SocialMedia&PR sowie die Vorbereitung auf Pitches, also die Präsentation der Geschäftsidee vor Geldgeber*innen oder Partner*innen stehen auf dem Programm.
„Besonders wichtig fand ich die gemeinsame Arbeit am richtigen „Mindset“, wenn es um Unternehmertum geht. Viele denken, sie müssen mit einer ausgefeilten Idee zu uns kommen und quasi schon kurz vor Geschäftsstart stehen. Dem ist nicht so. Der erste Tag unseres ScaleF Programms stand daher unter dem Motto ‚Think Big‘, in dem wir gemeinsam mit den Teilnehmerinnen ihre Gründungsideen „groß denken“ und das Selbstbewusstsein stärken. Das ist tatsächlich etwas typisch Weibliches, sich von den eigenen Zweifeln zu stark begrenzen zu lassen“, teilt Projektleiterin Stefanie Habersang ihre Beobachtungen.
Damit den Gründerinnen der Antrieb nicht verloren geht, stellt die Leuphana ihnen neben einem Stipendium für ein Jahr eine Mentorin oder einen Mentor zur Seite. „Das ist eine tolle Möglichkeit, einmal aus seiner Blase herauszukommen. Ich tausche mich eng mit meiner aus“, sagt Anna von Berg.
Zusätzlich bietet das ScaleF-Programm ein dreimonatiges Stipendium an, mit denen Frauen ihre eigentliche Anstellung pausieren können, um sich ganz auf ihre Geschäftsidee zu konzentrieren. Die Umsetzung an der Leuphana wurde mit 120.000€ durch „Exist-Women“ gefördert, einem Förderprogramm vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz, das Existenzgründungen aus der Wissenschaft vorantreiben will. Insbesondere von Frauen, die derzeit nur 20 Prozent aller Gründungen ausmachen.
Frauen mit Hintergrund
Carsten Wille, der das Programm im Rahmen des Kooperationsservices mit organisiert, erklärt dazu: „Wir haben uns bewusst für Frauen entschieden, die schon einen beruflichen Hintergrund haben. Sieben von zehn Teilnehmerinnen haben Familie. Für alle ist es ein großer Schritt, in Richtung Gründung zu gehen. Insofern mussten wir ein attraktives Angebot schaffen und ich bin froh, dass die Leuphana die Förderung eingeworben hat und sogar eine Kinderbetreuung anbieten kann, wenn die Workshops stattfinden.“
Weitermachen!
Für Carsten Wille ist klar, dass die Gründer*innen dennoch eine hohe Eigenmotivation und Durchhaltevermögen mitbringen müssen. „Die Intensität fehlt nur bei Wenigen, auch wenn klar ist, dass nach zwölf Monaten nicht immer ein fertiges Unternehmen entstanden ist.“
Ergänzt werden die Rahmenbedingungen durch ein praxisnahes Unterrichtsangebot. „Mir war wichtig, dass die Inhalte realitätsnah sind und praxisorientiert, also ‚hands-on!‘ vermittelt werden. Ich möchte diese Workshop-Reihe auch im kommenden Jahr gerne fortführen und an der Leuphana ein Programm etablieren, dass gründungsinteressierte Frauen aktiv dabei unterstützt, ihre Unternehmensidee in einem Team weiterzuentwickeln und mittelfristig auch erfolgreich umzusetzen und tatsächlich zu gründen“, fasst Stefanie Habersang zusammen.
Bild 1: Frauen planen ihr Business. Dazu bietet die Workshopreihe „Scale F“ an der Leuphana Fakultät für Management und Technologie ein tolles Austauschformat. Bild: Martin Klindtworth/Leuphana
Bild 2: Anna von Berg ist Physikerin und Patentanwältin. Mit ihrem Start up „PatentPen“ will sie nun Patentanmeldungen europaweit vereinfachen. Bild: privat
Bild 3: Im Workshop lernen die Frauen voneinander. Sowohl Erfolge als auch Misserfolge werden geteilt. So entsteht Mehrwert. Bild: Leuphana