Neu an der Leuphana: Prof. Dr. Hana Attia – Wenn Staaten und internationale Organisationen strafen
02.04.2025 Wann werden Wirtschaftssanktionen gegen ein Land eingesetzt? Wie werden sie gestaltet? Wann enden sie? Die Juniorprofessorin für Sicherheitspolitik und Frieden untersucht den Entscheidungsprozess von Staaten und internationalen Organisationen bei der Reaktion auf Bedrohungen des internationalen Friedens und der Sicherheit. Sie lehrt und forscht am Institut für Politikwissenschaften und ist zudem Research Fellow am Leibniz-Institut Institut für Globale und Regionale Studien (GIGA) in Hamburg.

Die hohe Zahl überrascht: Mehr als 460 Sanktionsfälle wurden weltweit allein im Zeitraum nach dem Kalten Krieg verhängt – zum Beispiel gegen Russland, Mali, Syrien und Iran. Sanktionen sollen das Verhalten von Staaten ändern, ihre Kapazitäten einschränken und/oder ein Signal an die Welt senden: „Wir dulden diese Normverletzung nicht.“ Das Fehlverhalten kann von Menschenrechtsverletzungen - wie im Fall von Sudan - über Kriege wie im Fall Russlands, bis hin zur Verbreitung von Atomwaffen, wie im Fall von Iran, reichen.
Prof. Dr. Hana Attia, Juniorprofessorin für Sicherheitspolitik und Frieden, analysiert große Datenmengen, um Muster zu erkennen: „Ich werte offizielle Regierungsdokumente aus“, erklärt die Forscherin. Sie ist Co-Autorin des International Sanctions Termination Dataset: Ein umfangreiches Datensatz, der Informationen über die Verhängung, Gestaltung, Beendigung und das Ergebnis von 399 internationalen Sanktionsfällen enthält, die von 1990 bis 2018 verhängt wurden.
Die Politikwissenschaftlerin untersucht, wann Staats- und Regierungschefs Sanktionen als außenpolitisches Instrument einsetzen und welche Voreingenommenheit bei dieser Entscheidung eine Rolle spielen: In ihrer Dissertation „Biased Coercion: The Imposition, Management, and Termination of US Sanctions“ untersuchte sie, wie innen- und außenpolitische Faktoren die Verhängung, Durchsetzung und Aufhebung von US-Sanktionen beeinflussen. Ihre Forschung zeigt: Sanktionen sind oft politisch motiviert, haben also nicht nur allein mit dem Fehlverhalten eines Staates zu tun, sondern auch mit Interessen der sanktionierenden Staaten. Zudem wird die Glaubwürdigkeit von Sanktionen oft durch fehlende realistische Ausstiegsstrategien beeinträchtigt.
Wie wirkungsvoll Sanktionen aber sein können, zeigt Südafrika: „Durch den Druck der internationalen Gemeinschaft wurde die Apartheid beendet“, erklärt Hana Attia. Dennoch können erfolgreiche Sanktionen gleichzeitig auch großen Schaden anrichten: „Die Sanktionen gegen das Regime von Sadam Hussein haben die Bevölkerung schwer getroffen. Infrastruktur und das Gesundheitssystem brachen im Irak zusammen. Seitdem werden Sanktionen sehr viel zielgerichteter gestaltet, aber in vielen Fällen scheinen humanitäre Folgen nach wie vor unvermeidlich zu sein“, erklärt Hana Attia.
Grundlegend gilt: Je länger Sanktionen dauern, desto wirkungsloser sind sie: „Staaten können sich an die Maßnahmen anpassen.“ Russland sei so ein Fall: „Anfangs hatten Sanktionen einen größeren Einfluss auf die russische Wirtschaft als das, was wir heute beobachten“, erklärt Hana Attia. Dennoch unterstützt etwa die deutsche Bevölkerung die Sanktionen weiterhin: „Sie urteilt eher moralisch und verlangt von Unternehmen fast eine Übererfüllung der Maßnahmen.“. Die Einstellung der Zivilbevölkerung zu Sanktionen ist ein weiterer Forschungsschwerpunkt von Hana Attia.
Hana Attia promovierte 2023 an der Graduate School of the Social and Behavioural Sciences (GSBS) der Universität Konstanz. Sie absolvierte ihren BA und MA in Politikwissenschaft an der Universität Mannheim mit den Schwerpunkten Internationale Beziehungen und quantitative Methoden. Sie war Gastwissenschaftlerin an der American University in Washington DC, finanziert durch Fulbright, und Gast-DAAD-Graduiertenstudentin an der Johns Hopkins University. 2025 wurde sie zur Juniorprofessorin für Sicherheitspolitik und Frieden an die Leuphana berufen. Die Professur ist eine gemeinsame Berufung mit dem GIGA, wo sie auch am Institut für Nahost-Studien forschen wird. Vor ihrem Wechsel an die Leuphana, war sie Postdoctoral Fellow an der Universität Salzburg (2023–2025) und wissenschaftliche Mitarbeiterin am GIGA (2018–2023). Ihre Arbeiten wurden in internationalen, peer-reviewed Fachzeitschriften, wie z.B. International Studies Quarterly, Journal of Global Security Studies, Journal of Peace Research, European Economic Review, Review of International Economics und Zeitschrift für Internationale Beziehungen veröffentlicht.
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- Prof. Dr. Hana Attia