Aminata Touré und Aladin El-Mafaalani: „Wir sitzen alle an einem großen Tisch“

01.03.2021 Am Freitag endete die Konferenzwoche für die rund 1500 Erstsemesterstudierenden. Aminata Touré, Vizepräsidentin des Landtages Schleswig-Holstein, und der Soziologe und Autor Aladin El-Mafaalani sprachen in der letzten Keynote der Woche darüber, wie eine diverse offene Gesellschaft und ihre Streitkultur aussehen können. Wegen der Covid-19-Pandemie fanden alle Veranstaltungen digital statt.

Aminata Touré auf dem Kamera-Bildschirm. ©Leuphana/Marvin Sokolis
Aminata Touré und Aladin El-Mafaalani waren per Livestream zugeschaltet.

„Stellt euch die offene Gesellschaft als einen großen Tisch vor, an dem alle gemeinsam sitzen. Früher saßen da nur alte, weiße Männer. Mittlerweile ist die Gesellschaft deutlich diverser geworden. Jetzt sitzen da mehr Menschen, die ein Stück vom Kuchen haben wollen. Aber mit mehr Menschen kommen auch mehr Fragen: Ist das überhaupt das richtige Kuchenrezept? Ist die Sitzordnung so richtig? Ist die Esskultur so, wie wir sie uns wünschen?“ Mit dieser Metapher steigt Aladin El-Mafaalani direkt in das Thema der Keynote ein: Wem gehört die Stadt? Aminata Touré sitzt viel an solchen Tischen, vor allem in ihrer Funktion als Landtagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen: „Ich stelle mir vor, dass an diesem Tisch so viele Menschen sitzen sollten, wie die Gesellschaft auch vielfältig ist.“ 

Aber kann eine Gesellschaft in ländlichen Regionen genauso divers sein, wie in den Großstädten? „Es ist tatsächlich so, dass Großstädte eher zur Offenheit neigen. Es gibt sie überhaupt nur, weil Migration stattgefunden hat“, so El-Mafaalani. Eine gesamtgesellschaftliche Öffnung finde immer zuerst in den Ballungszentren, also in den Großstädten, statt. Problematisch werde es vor allem dann, wenn eine ländliche Region weder an der Offenheit noch an der ökonomischen Entwicklung partizipiere. „Dann wird die Schließungsbewegung stark“, sagt der Soziologe. Darunter verstehe man beispielsweise eine verstärkte Tendenz zum Rechtspopulismus oder religiösen Fundamentalismus. El-Mafaalani veröffentlichte bereits mehrere Bücher zu den Themen Integration und Bildung, in denen er die Begriffe „offene Gesellschaft“ und „Schließungsbewegung“ aufgreift.

Gerade wegen dieser Dynamiken ist es für Aminata Touré wichtig in Schleswig-Holstein Politik zu machen: „Die Menschen hier stellen sich die gleichen Fragen wie in urbaneren Räumen. Hier ist es lebenswert, das ist mein Zuhause und ich möchte dieses Zuhause mit all der Vielfalt, die wir haben, gestalten.“ Wichtig seien auch Räume, in denen sich Menschen mit Diskriminierungserfahrungen sicher fühlen können. „Die Mehrheitsgesellschaft kann sich das oft gar nicht vorstellen. Aber sich immer anpassen zu müssen oder als sonderbar und bedrohlich wahrgenommen zu werden, verändert wie man sich in der Gesellschaft bewegt. Das müssen wir diskutieren“, sagt Touré. 

Bei der diesjährigen Konferenzwoche waren neben Aminata Touré und Aladin El-Mafaalani viele weitere prominente Gäste vertreten, die mit den Studierenden spannende Diskussionen führten. Mit den abendlichen Gesprächen im Utopie-Studio gaben die Honorarprofessor*innen Maja Göpel und Richard David Precht den Auftakt für die Utopie-Konferenz, die voraussichtlich vom 24. bis zum 27. August in Lüneburg stattfinden wird.