Die Universität in der Disruption

Auftakt des „Digital Transformation Lab for Teaching and Learning (DigiTaL)“

11.04.2022 Von „disruptiven Technologien“ über „disruptive Innovationen“ bis hin zu „disruptivem Denken“: Der Begriff der Disruption ist in der öffentlichen Diskussion um Digitalisierung und Digitalität allgegenwärtig. Auch die Universitäten sehen sich mit einer Vielzahl neuer Technologien konfrontiert, die – wenn „Neuheit und Innovation nur noch um sich selbst kreisen“ – die Gefahr bergen, zu einer „großangelegten Disruption der Universität“ zu werden. Welche Konsequenzen hat die „disruptive Bedingung“, der wir heute unterstehen, für die Universität und für die Hochschullehre? Wie können Universitäten disruptive Entwicklungen aufgreifen und sie durch reflektierte Transformation programmatisch wenden? Diese Fragen adressierte Prof. Dr. Erich Hörl in seinem Impulsvortrag zum Auftakt des Projekts „Leuphana: Digital Transformation Lab for Teaching and Learning“ (DigiTaL) im März 2022.

Das Digital Transformation Lab versteht sich als Interaktionsraum, wo im Sinne von Hörls Plädoyer „Antworten auf die Disruption gefunden werden“ sollen. ©Marie Meyer
Das Digital Transformation Lab versteht sich als Interaktionsraum, wo im Sinne von Hörls Plädoyer „Antworten auf die Disruption gefunden werden“ sollen.

Das von der Stiftung Innovation in der Hochschullehre geförderte hochschulweite Projekt „Digital Transformation Lab for Teaching and Learning“ verfolgt die übergeordnete Mission, „die digitale Disruption in eine Transformation der Hochschullehre zu überführen“. Insgesamt 15 Professor*innen sowie weitere Lehrende, Studierende, externe Expert*innen, alle drei Schools und zentrale Einrichtungen beteiligen sich in 11 Teilprojekten an dem Digital Transformation Lab, in dem drei strategische Schwerpunkte adressiert werden: Digitale Internationalisierung, Digital Literacy und Digitale Lehr-Lerninnovationen.

In seinem Vortrag diskutierte Erich Hörl die Rolle und Verantwortung der Universität in der „Zeit der Disruption“, die er als Bezeichnung für die seit dem Ende des 20. Jahrhunderts angebrochene Epoche vorschlug und plädierte dafür, diese Fragen unbedingt auch als „Hintergrund und große Rahmung für jedwede Gestaltung der sogenannten „Digitalen Transformation der Hochschullehre“ zu begreifen. Anknüpfend an die „Dialektik der Aufklärung“ (1944) von Horkheimer/Adorno argumentierte er mit Blick auf die Gegenwart, dass der dort diagnostizierte „Umschlag von Fortschritt in Rückschritt und von Vernunft in Unvernunft“ keinesfalls abgeschlossen sei. Es sei vielmehr gerade das nie dagewesene Hervortreten von Disruption, mit dem wir konfrontiert sind, das „eine beispiellose Regression“ markiere – jedenfalls in dem Maße, in dem der Disruptivität die notwendige Adoption, um nicht zu sagen Aufhebung in erneuerten gesellschaftlichen Programmatiken und Institutionen fehle. Hörl setzt sich deshalb mit Blick auf die Gegenwart und ihren deformativen, destruktiven Gehalt für eine neue Aufklärung ein, „die auf der Höhe der disruptiven Bedingung ist“.

Auch die Universitäten seien, so Hörls Kritik, ihrer Verantwortung nur „in Maßen“ gerecht geworden. Sie hätten zum Teil lediglich als Akteure und Treiber von Disruption gewirkt. Auf dem Spiel stehe damit nicht weniger als der Status der Universitäten als „Orte gesellschaftlicher Transformation“. Hörl formulierte deshalb ein dringliches Plädoyer dafür, Universitäten zukünftig als „Orte zu gestalten, wo Antworten auf die Disruption gefunden werden“. Hierzu gälte es, zum Beispiel „Programme und Strategien zu erfinden, wie digitale Technologien nicht zu Technologien einer großangelegten Disruption der Universität werden, […], sondern umgekehrt, wie sie in Organe der Auseinandersetzung mit diesem rückläufigen Moment, das heute ‚Disruption‘ heißt“, zu transformieren sind.

Digital Transformation Lab for Teaching and Learning

Das Digital Transformation Lab versteht sich als Interaktionsraum, wo im Sinne von Hörls Plädoyer „Antworten auf die Disruption gefunden werden“ sollen. Dreh- und Angelpunkt des Labs sind 11 professoral verantwortete Teilprojekte aus den verschiedenen Fakultäten und Schools, in denen konkrete digitale Innovationen für die Hochschullehre entwickelt, erprobt, diskutiert und evaluiert werden. Ziel ist der systematisch-integrative Austausch zur professionellen Weiterentwicklung von Lehrinnovationen, Förderung strategischer Entwicklungen sowie den Transfer von Ergebnissen auch über die Projektgrenzen hinaus.

Nach einer Vorstellung der 11 professoral verantworteten Teilprojekte von DigiTaL, die den Kern der konkreten Projektarbeit ausmachen, wurde die Diskussion um Disruption und Transformation in der Podiumsdiskussion „Das Beste aus beiden Welten – der Beitrag des DigiTaL-Projekts zur Gestaltung der Hochschullehre der Zukunft“ mit Prof. Dr. Erich Hörl, Prof. Dr. Hannah Trittin-Ulbrich, Prof. Dr. Poldi Kuhl, Prof. Dr. Henrik von Wehrden, Dr. Julia Webersik sowie den Studierendenvertreter*innen Carlotta Ecklöh (AStA) und Zülfikar Ali Simsek (studentischer Senator und Mitglied der HFD-AG „DigitalChangeMaker“)  fortgesetzt.

Weitere Infos

Eine ausführliche Fassung sowie in Kürze auch die Aufzeichnung des Vortrags von Prof. Dr. Erich Hörl und Ausschnitte der Podiumsdiskussion finden Sie auf der Seite zum Projekt-Auftakt.

Auf der Projektseite finden Sie weitere Informationen zu DigiTaL und den Teilprojekten.