Neu an der Leuphana: Prof. Dr. Karina Frick

„Emojis sind sehr kommunikativ“

18.11.2022 Die Juniorprofessorin für Angewandte Linguistik untersucht Sprache in digitalen Medien. Ihre Forschung geht über Worte und Satzzeichen hinaus.

„Rechtsschreibung wird in unserer Gesellschaft als etwas sehr Festes und Wichtiges angesehen und spielt auch bei Jugendlichen eine erhebliche Rolle beispielsweise um damit bestimmte Werte und Haltungen zu vermitteln", erklärt die Sprachforscherin Karina Frick. ©Leuphana
„Rechtsschreibung wird in unserer Gesellschaft als etwas sehr Festes und Wichtiges angesehen und spielt auch bei Jugendlichen eine erhebliche Rolle", erklärt die Sprachforscherin Karina Frick.

Sind Emojis etwas für Schreibfaule? Keineswegs, findet Karina Frick: „Emojis sind sehr kommunikativ und erfüllen in der Regel bestimmte Funktionen, neben der Anzeige von Stimmungen zum Beispiel auch gruppenstiftende: So werden bestimmte Emojis in bestimmten Personenkonstellationen mit eigenen beziehungsweise besonderen Bedeutungen aufgeladen.“ Die gebürtige Liechtensteinerin hat die Juniorprofessur für Angewandte Linguistik übernommen und beschäftigt sich insbesondere mit Sprache in digitalen Medien beziehungsweise digitalen Schreibpraktiken. Ihre Forschung geht weit über Worte und Satzzeichen hinaus: „Bilder sind auch Sprache und gerade in den digitalen Medien sind Bild und Text kaum voneinander getrennt zu denken“, erklärt die Medienlinguistin. So können etwa Emojis auch als Satzzeichen fungieren: „In WhatsApp-Nachrichten stehen sie beispielsweise oft am Ende von Nachrichten und können den Inhalt eines Satzes visuell unterstreichen, etwa bei einer ironischen Bemerkung, die mit einem zwinkernden Smiley abgeschlossen wird“, sagt die Sprachforscherin.

Längst beeinflusse auch die Form der Textnachrichten die Sprache: „In WhatsApp etwa vermitteln die Textblasen eine gewisse Abgeschlossenheit. Benutzer*innen verzichten deshalb oft auf schließende Satzzeichen wie einen Punkt. Letztere erhalten dafür in diesem Prozess neue kommunikative Bedeutungen, das heißt: wenn trotzdem ein Punkt gesetzt wird, wird damit etwas signalisiert wie etwa Missbilligung.“

Die Sorge, Heranwachsende könnten nicht mehr „richtig“ schreiben, weil sie nur noch in den Sozialen Medien unterwegs seien, entkräftet die Forscherin: „Kinder und Jugendliche können sehr wohl zwischen Freizeit- und Schulsprache unterscheiden“, sagt die Linguistin. Der Einfluss der Schule sei sogar so groß, dass er mitunter zu „orthografischem Shaming“ führe: „Rechtsschreibung wird in unserer Gesellschaft als etwas sehr Festes und Wichtiges angesehen und spielt auch bei Jugendlichen eine erhebliche Rolle beispielsweise um damit bestimmte Werte und Haltungen zu vermitteln. Beherrscht jemand die Regeln nicht, wird der Person ihr Recht auf eine Meinung abgesprochen – oder es wird umgekehrt über Personen gespottet, die sich streng an die Regeln halten “, sagt Karina Frick.

Die Juniorprofessorin forschte bis zuletzt an der Universität Zürich und schrieb ihre Dissertation über schweizerdeutsche Kurznachrichten: „Durch SMS und WhatsApp werden die Dialekte in der Schweiz erstmals auch massenhaft in der schriftlichen Kommunikation verwendet“, erklärt die Forscherin. An Schweizer Schulen wird als Schriftsprache ausschließlich Hochdeutsch gelehrt – selbst wenn die Kinder zuhause nur einen der vielen schweizerdeutschen Dialekte sprechen. Dabei sind es vor allem die Jüngeren, die die Dialekte verschriftlichen, wobei inzwischen auch ältere Generationen auf den Geschmack des dialektalen Schreibens gekommen sind. Darin widerspiegelt sich schließlich auch die Vielfalt des Schweizerdeutschen: „Der Zürcher schreibt anders als jemand aus dem Wallis, insofern werden Dialekte durch das Schreiben auch in gewisser Hinsicht konserviert, wohingegen die gesprochene Sprache flüchtig ist“

In einem noch laufenden Forschungsprojekt beschäftigt sich Karina Frick mit Trauerpraktiken im Internet, etwa so genannten RIP-Storms beim Tod einer prominenten Person oder nach einem Terroranschlag: „Welche sprachlichen und bildlichen Normen diesbezüglich angemessen sind, wird in den Sozialen Medien zwischen den Nutzer*innen selbst ausgehandelt. Wir erleben die sozialen Medien insgesamt als sehr emotional“, sagt die Linguistin. Zudem soll das Projekt einen Beitrag zur Debatte über die Dimensionen des Privaten und Öffentlichen und den Umgang mit sensiblen Daten im Internet leisten: Individuelle, aber kulturell geprägte und oft stark stereotypisierte Trauerbekundungen werden mit Fremden geteilt, Bilder von Verstorbenen werden veröffentlicht, persönliche Leidensgeschichten werden zugänglich gemacht. „Diese Praktiken wirken sich auch auf unser Verständnis von Privatsphäre aus“, erklärt Karina Frick.

Prof. Dr. Karina Frick studierte im Bachelor Deutsche Sprach- und Literaturwissenschaft und dann im Master Deutsche Sprachwissenschaft an der Universität Zürich. Sie promovierte dort und in Leipzig zu schweizerdeutschen Kurznachrichten. Sie war wissenschaftliche Koordinatorin im Agora-Projekt (SNF) „Citizen Linguistics: locate that dialect!“ an der Universität Zürich. Zudem lehrte sie am Deutschen Seminar der UZH sowie der Pädagogischen Hochschule Zürich und war Gastdozentin an der Universität Basel. Sie forschte als Postdoktorandin im UFSP Digital Religion(s). 2021 bis 2022 vertrat sie die Professur für germanistische Linguistik an der Université de Lausanne. Zum Wintersemester 2022 übernahm sie die Juniorprofessur für Angewandte Linguistik am Institut für Deutsche Sprache und Literatur und ihre Didaktik der Leuphana Universität Lüneburg.