Konferenzwoche: Über Wissenschaft und Vertrauen

08.03.2023 Mit der Konferenzwoche schließt für die rund 1300 Erstsemesterstudierenden das Leuphana Semester. In diesem Jahr stand sie unter dem Motto „OUR TURN“. Namhafte Gäste aus Wissenschaft, Politik und Wirtschaft diskutierten mit den Studierenden über Freiheit, Menschenrechte und Erdpolitik in der Zeitenwende. Nachhaltigkeitswissenschaftlerin Maja Göpel und die Medizinethikerin Alena Buyx sprachen im Zentralgebäude über unter anderem über die Folgen von Wissenschaftsskepsis und die zunehmende Infodemie.

Maja Göpel und Alena Buyx auf der Konferenzwoche 2023 ©Johann Floeter
Maja Göpel und Alena Buyx auf der Konferenzwoche 2023 ©Johann Floeter
Maja Göpel und Alena Buyx auf der Konferenzwoche 2023 ©Johann Floeter

„In Deutschland haben wir nach wie vor ein hohes Vertrauen in die Wissenschaft. In den USA etwa sieht das anders aus. Aber auch in der Bundesrepublik gilt etwa ein Drittel der Menschen als wissenschaftsskeptisch“, sagt Alena Buyx bei der Konferenzwoche. Die Ärztin ist seit 2020 Vorsitzende des Deutschen Ethikrats. Mögliche Gründe für die Zweifel seien etwa ein Mangel an Bildung; das Gefühl, abgehängt zu sein oder überfordert mit der zunehmenden Beschleunigung. Oft kämen Menschen auch nicht mit dem Wissenschaftssystem in Kontakt. Alena Buyx gehört zu den bekanntesten Expert*innen, die während der Corona-Pandemie die Bundesregierung beraten und in den Medien die Öffentlichkeit informiert haben.

Eine Studentin aus dem Plenum fragte, wie Forscher*innen Menschen begegnen sollen, die wissenschaftsskeptisch sind. Die beiden Expert*innen waren sich einig: Die Fronten sollten nicht geschlossen werden. „Wir haben geschichtlich betrachtet auch immer einen kleineren Anteil gehabt, mit dem ein Wirklichkeitsraum nicht geteilt werden konnte. Das ist nicht schlimm, denn wir sind immer noch eine entscheidungsfähige Demokratie. Mehrheiten- und Minderheitenschutz gehören dazu“, sagte Maja Göpel.

Aufgabe von Wissenschaft in der Gesellschaft sei es unter anderem gültige Wissenschaftskriterien einzufordern, Begründungsketten aufzeigen, alternative Argumente zu nennen und Transparenz herstellen: „Warum etwa haben wir eine Impfpflicht empfohlen? Als Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler haben wir den Auftrag zu zeigen, wie wir zu dieser Empfehlung gekommen sind“, erklärt Alena Buyx. Der deutsche Ethikrat ist ein gesetzlich normiertes Gremium, das heißt, es gibt ein Ethikrat-Gesetz. Mitglieder werden über einen formalen Weg vorgeschlagen und arbeiten unabhängig: „Ich habe in der Pandemie die Positionen dieses Gremium vertreten. Eine Pandemie hat schwierige ethische Konflikte“, erklärte Alena Buyx. Sie sei in eine Politisierung „hineingekracht wie ich es mir nicht hätte vorstellen können. Wir sind einem Lager zugeschlagen worden, aber verstehen uns als Ethikerinnen und Ethiker in einem interdisziplinären Kontext. Wir möchten eher die Zwischenpositionen ausloten.“

Impfgegner*innen seien für sie nichts Neues gewesen: „Aber es war die erste Pandemie der Menschheit, die von einer Infodemie begleitet wurde. Viele Mechanismen sind auf die aktuelle Kriegsdebatte übertragen worden“, erklärte Alena Buyx. Desinformation sei ein verheerendes Problem für die Demokratie, ergänzte Maja Göpel: „Wissenschaft funktioniert nach Objektivitätskriterien. Ergebnisse sind überprüfbar, reproduzierbar und erklärbar. Bei der Desinformation werden diese Kriterien verlassen. Gerade im Hinblick auf die Klimakrise ist das ein großes Problem.“

Bei der Konferenzwoche stellen die Studierenden ihre Ergebnisse aus dem Modul „Wissenschaft trägt Verantwortung“ vor. Es ist Teil des Leuphana Semesters. Im Rahmen von fachübergreifenden Modulen erarbeiten sich alle Erstsemesterstudierenden einen gemeinsamen Einstieg in ein wissenschaftliches Studium. Das Konferenzwoche und das Leuphana Semester sind Teil des einzigartigen Studienmodells am College. Zu den prominenten Gästen gehörten 2023 die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats Alena Buyx, Hamburgs Kultursenator Carsten Brosda, der deutsch-amerikanische Ökonom Rüdiger Bachmann, die Journalistin und Ärztin Gilda Sahebi, die Transformationsforscherin Maja Göpel, der Philosoph Richard David Precht und der Filmemacher Franz Böhm. Die Zukunftsstadt Lüneburg denken die Oberbürgermeisterin Claudia Kalisch sowie die Architektin Almannai Fischer weiter.