Neu an der Leuphana: Prof. Dr. Ulf Hahnel – „Der Klimawandel ist ein kollektives Problem“
09.04.2025 Studien zeigen: Menschen wollen etwas gegen den Klimawandel tun. Bei Konsum, Reisen oder Heizen steht der Wunsch aber nicht mit ihrem Verhalten im Einklang. Der Professor für Psychologie, insbesondere Kollektives Handeln für Nachhaltigkeit, untersucht weltweit Gründe und Konsequenzen für diesen Kontrast. Überraschend: Oft fehlen Menschen schlicht die nötigen Informationen.

Warum verhalten wir uns nachhaltig? Ulf Hahnel untersuchte etwa, warum Menschen sich gegen ein Elektroauto entscheiden. „Viele glauben, die Reichweite sei zu gering“, erklärt der Psychologe. Also fragte er Autofahrer in den USA und Europa: „Kann ein Elektroauto deinen jährlichen Mobilitätsbedarf abdecken?“ Die Schätzungen wurden mit dem tatsächlichen Fahrverhalten verglichen. Ergebnis: „Schon Fahrzeuge mit einer Reichweite von etwa 200 km hätten bei den meisten Autofahrern über 90 % der jährlichen Fahrten abgedeckt. Dieses Potenzial wurde im Schnitt um 30% unterschätzt. Wenn das reale Abdeckungspotenzial personalisiert an Autofahrer kommuniziert wurde, erhöhte dies die Entscheidung für ein Elektrofahrzeug signifikant“, berichtet der Forscher.
Ulf Hahnel plädiert für eine bessere Kommunikation zum Klimawandel: „Je schlechter kommuniziert wird, desto mehr Potential gibt es, Informationen zu verdrehen“, sagt Ulf Hahnel und verweist auf das Heizungsgesetz: „Es entstand ein Bild von Robert Habeck, der morgen alle Heizungen aus dem Keller reißt. Dabei schrieb das Gesetz nur vor, klimafreundliche Anlagen zu installieren, wenn die alte Heizung ersetzt werden muss“, erklärt der Forscher.
Ulf Hahnel erhebt weltweit Daten: „Der Klimawandel ist ein kollektives Problem.“ In Indien, Dänemark, den USA und Nigeria etwa hat der Forscher mit einem internationalen Team untersucht, wie Probanden den CO2-Fußabdruck von Menschen mit unterschiedlichen Einkommen wahrnehmen. „Der Fußabdruck der Top 1% Verdiener wurde stark unterschätzt, wohingegen der Fußabdruck von einkommensschwachen Bevölkerungsschichten überschätzt wurde. Das Muster sahen wir in allen vier Ländern“, erklärt der Forscher. Studien zeigen: Je mehr jemand verdient, desto größer ist der Fußabdruck, etwa durch Zweitwagen oder mehr Flugstunden. Je mehr sich Personen dieser Ungleichheit in CO2-Fußabdrücken bewusst sind, desto mehr sind sie bereit Klimagesetze zur Reduktion dieser Ungleichheit - wie eine Flugsteuer - zu unterstützen, so Ulf Hahnel.
Auch die Frage, welche Maßnahmen den größten Einfluss auf den Klimawandel haben, wird oft falsch geschätzt: „Große Relevanz wird etwa Recycling zu gesprochen, da es hierzu viele Kampagnen gibt. Den Menschen ist das Thema präsent“, sagt Ulf Hahnel. Der Einfluss von Fliegen und Heizen wird dagegen unterschätzt.
Die Bereitschaft etwas gegen den Klimawandel zu tun, sei hoch: „Selbst AfD-Wähler, unter denen wir auch Klimaleugner finden, fordern nur selten weniger Maßnahmen“, sagt Ulf Hahnel. Interessant hierbei der weltweite Vergleich: „In Deutschland halten über 90 Prozent den Klimawandel für real und durch den Menschen verursacht, wie ihn die Wissenschaft beschreibt. In den USA sind es nur ungefähr 60 Prozent. Das Thema ist dort extrem politisiert, weshalb die Wahrnehmung des Klimawandels stark durch die politische Orientierung geprägt ist. Ganz anders als in China, wo der Klimawandel nicht polarisiert“, erklärt Ulf Hahnel.
Oft entscheide die eigene Voreingenommenheit, welche Informationen wir konsumieren und als relevant erachten: „In einem Experiment haben wir Menschen wissenschaftliche Ergebnisse und Fake News zum Klimawandel vorgelegt. Personen mit geringer Sorge vor dem Klimawandel entschieden sich deutlich häufiger für die Falschinformationen und stimmten diesen eher zu. Besorgte Personen hingegen bevorzugten überwiegend die wissenschaftlichen Erkenntnisse“. Solche selektiven Suchprozesse, zum Beispiel auf Social Media, verstärken die Polarisierung des Themas, sagt Ulf Hahnel.
Nach beruflichen Stationen in Freiburg, Genf und Basel nahm Ulf Hahnel nun den Ruf der Leuphana an: „Nachhaltigkeit und Psychologie sind hier wissenschaftlich so eng miteinander verknüpft, wie an kaum einer anderen europäischen Universität. Eine Fakultät für Nachhaltigkeit ist international immer noch eine absolute Ausnahme. Es reicht nicht, wenn ich die Ergebnisse aus meiner experimentellen Forschung isoliert anschaue. An der Leuphana kann ich mit verschiedenen Disziplinen zusammenarbeiten und den Diskurs vorantreiben.“
Ulf Hahnel studierte Psychologie an der Universität Mainz und der Universität Auckland, Neuseeland. Von 2010 bis 2015 arbeitete er am Institut für Psychologie der Universität Freiburg und wurde dort 2014 promoviert. Parallel war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer Institut für Solare Energiesysteme (ISE). 2015 kam Ulf Hahnel als Postdoc an das Consumer Decision and Sustainable Behavior Lab der Universität Genf, Schweiz (ab 2018 als „Senior Researcher and Lecturer“) und war dort Mitglied des „Swiss Centers for Affective Sciences“. 2022 wurde er mit dem renommierten Eccellenza Professional Fellowship des Schweizerischen Nationalfonds (SNF) ausgezeichnet. Von 2022 bis 2025 war er Assistenzprofessor für Nachhaltigkeit und Verhaltensänderung an der Fakultät für Psychologie der Universität Basel. Seit Februar 2025 ist er Professor für Psychologie, insbesondere für kollektives Handeln für Nachhaltigkeit an der Leuphana Universität Lüneburg.
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- Prof. Dr. Ulf Hahnel