Industrie 4.0 braucht eine neue BWL

Vortrag fand statt am 07.12.2016

Industrie 4.0 braucht eine neue BWL: Nachlese

Studierende, Mitglieder der Universität und Wirtschaftsvertreter waren gekommen, um an dem ersten Vortrag des Leuphana Wirtschaftsforums im Wintersemester 2016/2017 teilzunehmen. Georg Giersberg, Journalist der FAZ, war von Frau Prof. Dr. Bekmeier-Feuerhahn eingeladen worden, um seine Perspektive zum Thema „Industrie 4.0 braucht eine neue BWL“ zu schildern. Georg Giersberg, selbst Betriebswirtschaftler und langjähriger Wirtschaftsredakteur, wurde von Frau Prof. Dr. Bekmeier-Feuerhahn als Vordenker vorgestellt.

Georg Giersberg begann seinen Vortrag in dem er herausstellte, dass die BWL ein spannendes Studienfach sei, da Unternehmen im Zentrum der Digitalisierung stehen und man als Betriebswirtschaftler gefordert sei die derzeit laufende Revolution mitzugestalten. Er führte aus, dass Industrie 4.0 nicht nur technische Lösungen einschließe, sondern Betriebswirtschaftler gebraucht werden, um die Prozesse zu gestalten, die Produktionstechnik an kaufmännische Softwares anzuschließen und die große Vielfalt an verfügbaren Daten zu ordnen und zu interpretieren.

Herr Giersberg ordnete den Begriff der Industrie 4.0 als vierte industrielle Revolution ein, die sich durch die Vernetzung aller Dinge des täglichen Lebens auszeichne. Der Begriff Industrie 4.0 sei dabei relativ neu und vor 5 ½ Jahren auf der Hannover Messe das erste Mal verwendet worden. Seitdem sei sehr viel passiert, z.B. in der Sensortechnik, allerdings befänden wir uns derzeit erst auf dem Weg der Digitalisierung. Dabei seien die deutschen Unternehmen aus seiner Sicht im internationalen Vergleich gut aufgestellt.

Anschließend ging Herr Giersberg ausführlich auf die Konsequenzen der Industrie 4.0 für die unterschiedlichen Stakeholder ein. Bezüglich der Auswirkungen auf Arbeitnehmer hielt er fest, dass auf der einen Seite Arbeitsplätze wegfallen werden (z.B. in Bankfilialen), auf der anderen Seite aber auch neue Jobs geschaffen werden (z.B. Softwareingenieure) und man derzeit noch nicht sagen könne, ob und für wen die Industrie 4.0 eine Bedrohung des Arbeitsplatzes bedeute. Zudem führte er aus, dass durch ein sich ständig wandelndes Umfeld, dem lebenslangen Lernen in der Zukunft eine größere Bedeutung zukommen werde. Bezüglich der Auswirkungen auf Organisationen hielt er fest, dass diese in Zukunft weniger hierarchisch und vernetzter agieren müssen. Er führte das Beispiel von Endress + Hauser an, die ihren Außendienst global vernetzt haben, wodurch die Koordination nicht mehr über die Zentrale stattfinden muss.

Hinsichtlich der Auswirkungen auf die BWL bekräftige er, dass Betriebswirtschaftler Generalisten sein müssen, die die gesamte Wertschöpfungskette in den Blick nehmen und ein sogenanntes „Silodenken“ resultierend aus einer hohen Spezialisierung überwinden. Zudem stelle sich für die BWL insgesamt die Frage, ob die derzeit verwendeten Kennzahlen (z.B. BIP, Investitionskosten, Grenzkosten) noch sinnvoll seien, auf Basis der sich verändernden Rahmenbedingungen. Er zeigt auf, dass es bei Onlineplattformen nach anfänglichen Investitionen in zum Beispiel Programmierer, fast keine Grenzkosten mehr gebe und eine beliebige Skalierung möglich sei (z.B. Google, Amazon, Youtube).

Abschließend gab es Raum für eine spannende Diskussion mit den Zuschauern, zum Beispiel zu den Themen demografischer Wandel und Industrie 4.0, Abschaffung des Menschen durch künstliche Intelligenz und Planbarkeit des Digitalisierungsprozesses.

Vita: Georg Giersberg

Georg Giersberg ist Kaufmann in doppelter Hinsicht. Er hat zunächst eine Lehre zum Industriekaufmann gemacht, bevor er an der Universität Paderborn Betriebswirtschaftslehre studierte. Danach zog es ihn gleich zum Journalismus. In seinen mehr als 30 Berufsjahren hat er sich mit vielen Branchen beschäftigt. Heute sind betriebswirtschaftliche Themen seine Schwerpunkte, darunter vor allem Rechnungslegung, Unternehmensführung, Motivation und Messen. Seit dem Aufkommen der Industrie 4.0 im Jahr 2011 betreut er für die Wirtschaftsredaktion der F.A.Z. auch dieses Thema, vor allem die betriebswirtschaftlichen Folgen der digitalen Vernetzung von neuen Geschäftsmodellen über andere Prozesse bis hin zur Veränderung ganzer Organisationen. Giersberg ist überzeugt, dass Industrie 4.0 eine Revolution ist mit Folgen in allen Wirtschafts- und Lebensbereichen.