Neuer Minor Museum Studies startet im Herbst am College
21.05.2024 Museen sind besondere Orte: Scheinbar unschuldig werden dort Gegenstände gesammelt, ausgestellt und archiviert. Aber eben durch diese Kulturpraktiken sind Museen auch Austragungsorte gesellschaftlicher und politischer Diskurse. Der englischsprachige Minor Museum Studies an der Leuphana verknüpft kritische Museologie, transkulturelle Kunstgeschichte, Erinnerungsforschung, Provenienzforschung und Konzepte der Kulturorganisation. Studiengangsleiterin Prof. Dr. Lynn Rother, Professorin für Provenienzstudien, erklärt die Hintergründe des einzigartigen Studienprogramms. Studieninteressierte können sich über dieses und weitere Studienprogramme beim Bachelor-Infotag am 31. Mai 2024 informieren.
- Frau Professorin Rother, noch vor 20 Jahren beschäftigten sich Museen kaum mit der Rückgabe geraubter Sammlungsstücke. Woher kommt das neue Denken?
- Sammeln ist eine Kulturtechnik, die Menschen betreiben, seit sie existieren. Aber sie ist nicht konfliktfrei. Während des Nationalsozialismus oder des Kolonialismus wurden Objekte geraubt, die sich bis heute in Museen befinden. Durch den Zusammenbruch des Ostblocks wuchs der politische Druck sich mit den deutschen Diktaturen auseinanderzusetzen und proaktiv die Herkunft ihrer Sammlungen zu erforschen. Durch dieses neue Bewusstsein rückte jüngst auch Kunst aus kolonialen Unrechtskontexten in den Fokus. Unter dem Deckmantel der Wissenschaft wurden früher etwa Schädel für die Rassenkunde gesammelt. Heute müssen sich Museen die Frage stellen, wie sie mit diesen „human remains“ umgehen. Die Rückgabe von Sammlungsbeständen wird medial immer stärker diskutiert und ist zu einer drängenden Aufgabe von Museen geworden. Dennoch ist dieses Feld an Universitäten kaum präsent. Mit dem Minor Museum Studies schließen wir die Lücke.
- Wo setzt der Minor Museum Studies weitere inhaltliche Schwerpunkte?
- Wir beschäftigen uns mit allen Formen von Museen - Kunst, Kulturgeschichte oder Naturkunde, adressieren aber auch die Rolle von Galerien, Erinnerungsstätten oder Denkmälern. Studierende beschäftigen sich mit dem materiellen und immateriellen Erbe der Menschheit und zwar sowohl aus aktueller wie historischer Perspektive. Sie lernen, mit Methoden der Kunstgeschichte sich mit Objekten zu beschäftigen, sie zu beschreiben und einzuordnen. Aber auch theoretische Ansätze etwa zu Erinnerungskulturen und zu Transkulturalität werden vermittelt. Dank meiner Professur, die in dieser Form einzigartig ist, können wir auch einen Schwerpunkt auf die Provenienzforschung legen, also auf die Herkunft von Kunstwerken und Kulturgütern. Zudem gewähren wir Studierenden praktische Einblicke in die Berufsfelder. Unsere Praxispartner*innen in Museen und Kultureinrichtungen ermöglichen dies.
- Sie betrachten Museen auch als Organisationen. Welche Fragen stellen sich damit?
- Der Minor Museum Studies beschäftigt sich auch mit Fragen der Transformation und Digitalisierung. Wie komme ich von einem Karteikartensystem zu weltweit zugänglichen und vernetzten Objektdaten? Was bedeutet es, wenn Ausstellungsräume nicht nur vor Ort, sondern auch im digitalen bespielt werden wollen? Wie organisiere ich ein Museum personell von der Kasse bis zum Kurator? Dazu kommen aber auch andere drängende Fragen: Oft sind Museen aus konservatorischen Gründen stark klimatisiert. Wie kann ich dafür sorgen, dass meine Sammlung nachhaltiger wird? Wie gehe ich mit Texten in Ausstellungen um? Mit dem Studienprogramm qualifizieren sich Studierende für kulturwissenschaftliche Master und spezialisiertere Disziplinen wie Kunstgeschichte oder Ethnologie. Beruflich eröffnen sich mit Museen, Ausstellungsräume, Galerien, Privatsammlungen, Gedenkstätten oder Archiveinrichtungen im Kulturbereich zahlreiche Möglichkeiten.
- Vielen Dank für das Gespräch!
Lynn Rother studierte Kunstgeschichte, Jura und BWL und wurde 2008 wissenschaftliche Mitarbeiterin bei den Staatlichen Museen zu Berlin, wo sie u.a. im Institut für Museumsforschung, in der Generaldirektion, im Kunstgewerbemuseum und im Kupferstichkabinett arbeitete. 2015 promovierte sie an der Technischen Universität Berlin. Für ihre Dissertation forschte sie mit finanzieller Unterstützung der Getty Foundation zu einem Kunsthandelsgeschäft zwischen den Berliner Museen und der Dresdner Bank während der NS-Zeit. Als Spezialistin für Provenienzforschung ging Rother 2015 nach New York an das Museum of Modern Art, wo sie heute noch beratend tätig ist. 2019 erhielt sie eine von der VolkswagenStiftung geförderte Lichtenberg-Professur und wählte die Leuphana Universität Lüneburg. Sie ist die einzige dauerhaft eingerichtete Professur, die sich ausschließlich mit Fragen der Provenienzforschung beschäftigt.