Creative Thinking X: Dr. Sevda Helpap – „Es gibt kein Zurück mehr“

02.09.2021 Die Wirtschaftswissenschaftlerin hat an der Leuphana studiert und promoviert. Heute lehrt sie an der Professional School zu New Ways of Working und arbeitet als Innovationsmanagerin bei der Hochbahn Hamburg. Bei der digitalen Kreativkonferenz am 10. September sprach sie zu New Work, digitaler Transformation und der Bedeutung von Achtsamkeit.

Dr. Sevda Helpap ©© Mike Schaefer
Alumna Dr. Sevda Helpap
Hat die Corona-Pandemie den Digitalisierungsturbo in der Arbeitswelt gezündet?
Seit der Corona-Pandemie hat die Digitalisierung der Arbeitswelt ein neues Level erreicht und neue Chance und Möglichkeiten in einem rasenden Tempo ergeben. Es gibt kein Zurück mehr und wir sind mitten im „Neuen Normal“. Immer mehr Unternehmen bieten Remote- oder Hybrid-Arbeit an. Die Menschen möchten das und ausgelöst durch die Corona-Pandemie gibt es nun auch die technische Ausstattung für das Homeoffice. Bisher hieß es oft: Wir können Heimarbeit nicht umsetzen, aber dieses Argument schlägt nicht mehr. Es wird auch verschiedene Arbeitszeitmodelle geben, Teilzeit und Vollzeit sind nur zwei Schubladen. Der Ort wird zweitrangig. Das bietet gerade mittelständischen Firmen in der Provinz große Chancen bei der Rekrutierung von Talenten und Fachkräften. Ein weiteres Stichwort ist Workation, also die Verbindung von Urlaub und Arbeit: Surfen in Portugal und Programmieren für Berlin. Digitale Nomaden gibt es schon länger.
Bei aller Flexibilität und Freiheit: Gibt es auch Nachteile?
Einige Studien zeigen: Wir arbeiten im Homeoffice mehr, sind aber nicht produktiver. Es kann daran liegen, dass wir einen unglaublichen Informationsfluss bewältigen müssen und von Reizen überflutet werden. Das kann überfordernd sein. Es gibt Menschen, die simulieren einen Arbeitsweg. Mit diesem Ritual sollen Privates und Berufliches getrennt werden. Wir gehen mehr und mehr in eine Welt, in der wir selbstbestimmt arbeiten. Aber das bedeutet nicht, dass man dies von heute auf morgen kann. Gesundheit und Achtsamkeit sind während der digitalen Transformation nicht nur Buzz-Words und Nice-to-have. Wir brauchen jetzt Führungskräfte mit den entsprechenden Kompetenzen, die die Umsetzung begleiten.
Wie sehen diese Kompetenzen aus?
Ein empathischer Führungsstil war schon vor der Corona-Pandemie bedeutend, wird aber jetzt noch wichtiger. Ich muss nun über die Distanz erkennen, wie es Teamkolleg*innen geht. Für ein gutes Miteinander und eine funktionierende Zusammenarbeit ist eine kooperative und vertrauensvolle Kultur zentral. Wie aber schaffen wir es eine Arbeitskultur erlebbar zu machen, wenn wir uns nicht mehr sehen? Wir brauchen deshalb kulturprägende Erlebnisse, die bewusst in regelmäßigen Abständen eingeplant werden. Durch Spiele wie beispielsweise ein Quiz oder virtuelle Teamtage entstehen positive Erlebnisse, die wiederum das Vertrauen und den Zusammenhalt stärken. Wir brauchen nicht nur Meetings, sondern auch informellen Austausch. Viele Organisationen erleben gerade, dass die digitale Transformation mehr ist als Cloudzugang, technische Ausstattung und eine Chatfunktion. Sie passiert nicht von allein.
Die zunehmende Digitalisierung verändert aber nicht nur bereits bestehende Unternehmen, sondern auch die Arbeit junger Gründer*innen. Welche Chancen sehen Sie?
Der digitale Markt wächst und bietet diversen Gründer*innen einen Platz. Chef*innen von Start-ups müssen nicht Anfang 20, sondern können auch Ende 60 sein und ganz viel Erfahrung mitbringen. Das Netz birgt viel Raum für Diversität und Kreativität. Der Markt ist eben nicht gesättigt, wie Beispiele von Gorillas oder Kita-to-go zeigen.
Bei der Kreativkonferenz Creative Thinking X tauschen sich Wirtschaft und Wissenschaft aus. Wie können beide voneinander profitieren?
Die digitale Transformation ist komplex und wir schauen bei der Konferenz bewusst aus verschiedenen Perspektiven auf diese Veränderungen. Ich werde Teil eines Full-Female-Round-Table sein. Wir sind zwar alle weiblich, aber unsere Hintergründe sind divers. Es ist sehr gut, dass die Leuphana Praktiker*innen an die Uni holt. Wir können gemeinsam voneinander lernen: Was sind die wissenschaftlichen Fragestellung, Methoden und welche neue Erkenntnisse gibt es? Genauso umgekehrt: Was sind eigentlich die aktuellen Belange in den Organisationen? Eine gesamtgesellschaftliche Herausforderung wie die digitale Transformation kann nur im Austausch gelingen.
Vielen Dank für das Gespräch!

Die Kreativkonferenz Creative Thinking X 2021 bietet spannende Sessions rund um kreatives Denken. In diesem Jahr widmet sich die CT-X dem Thema Digital Entrepreneurship und erkundet mit gewohnter Freude am Spielen und Experimentieren, wie Kreativmethoden dabei helfen können, Geschäftsmodelle, Produkte und Dienstleistungen digital auszurichten. Gemeinsam mit Kreativschaffenden, Innovationsbegeisterten und Neugierigen aus Universität, Unternehmen und Gesellschaft wird die CT-X 2021 aus verschiedenen Perspektiven beleuchten, was Digitales Unternehmertum in der Praxis bedeutet und wie Innovation in Unternehmen und Organisationen entstehen kann.