Nachhaltigkeit im Kunstmuseum: internationaler Austausch zu lokalen Fragen

28.04.2025 Kunstwerke global transportieren und gleichzeitig CO2 einsparen, lokale Nachbarschaften und internationale Tourist*innen erreichen, digital kommunizieren und Hate Speech entgegenwirken – was internationale Kunsthäuser hinter den Kulissen bewegt, wissen nur die wenigsten. Die Leuphana Innovation Community Kunst und Kultur hat nun einen Raum geschaffen, um diesen Themen Platz zu geben. Im Projekt „Expanding Art Museums“ tauschen sich zweimal im Jahr renommierte Kunsthäuser aus Europa und den USA aus – begleitet von Lüneburger Forschenden. Im Interview berichtet Dr. Maximilian Schellmann vom jüngsten Workshop im Lenbachhaus München zum Thema Nachhaltigkeit.

©Leuphana Media Studio
„Wir stellen Fragen wie: Wie begreifen wir den Nachhaltigkeitsbegriff? Welche Aspekte berührt er? Wie verflicht er alle Bereiche? Unser Vorteil als Forschende ist, dass wir diesen geschützten Raum bieten können. So gibt es eine stabile Vertrauensbasis und einen offenen Austausch“, sagt Maximilian Schellmann.

Welche Herausforderungen begegnen den internationalen Museen im Bereich Nachhaltigkeit aktuell? Womit müssen sie sich auseinandersetzen?

Die Kunstinstitutionen, mit denen wir sprechen, agieren global mitunter unterschiedlich. Das Metropolitan Museum of Modern Art in New York begegnet anderen Herausforderungen als das MUDAM in Luxemburg oder das Louisiana in Humlebæk, Dänemark. Aber sie eint das Paradox, dass sie einerseits ökologisch nachhaltig handeln wollen, gleichzeitig aber global agieren, also Ausstellungen bzw. Kunstwerke rund um den Globus transportieren, große Räume klimatisieren müssen und selten in modern gedämmten Gebäuden beheimatet sind. Also fragen sie sich etwa, welche Materialien sie lokal organisieren oder sogar wieder verwerten können. Wo können sie Energie einsparen und wie den CO2-Fußabdruck verringern? Dabei begleitet sie immer auch die Frage: Was bedeutet nachhaltiges Handeln im Museumsbereich?

Nachhaltiges Handeln betrifft ja nicht nur ökologische Fragen. Wie steht es mit anderen Aspekten der Nachhaltigkeit?

Das ist richtig. Den Museen geht es auch um institutionelle, wirtschaftliche und gesellschaftliche Nachhaltigkeit, also etwa um die Frage: Wie können wir nicht nur Programm für ein diverses Publikum entwickeln, sondern auch unsere Teams diverser aufstellen, diese langfristig in den Häusern halten und ihnen entsprechenden sicheren Freiraum in der Entwicklung geben. Zum Beispiel begegnet den Mitarbeitenden etwa in Social Media, aber auch in Beschwerden oder im Museum vor Ort Hate Speech, mit der sie sich auseinandersetzen müssen. Gleichzeitig möchten die Museen offene Häuser sein für die Menschen aus ihrer Umgebung sowie für internationale Tourist*innen. Darüber hinaus sprechen die Kunstmuseen über finanzielle Nachhaltigkeit. Das ist insbesondere vor dem Hintergrund politisch unruhiger Zeiten hoch relevant.

Ein letzter Punkt ist zudem, dass die Ausstellungen selbst Nachhaltigkeit zum Thema machen. Das Zentrum Paul Klee in Bern hat zum Beispiel eine Klee-Ausstellung mit einem Rundgang zu Urban-Gardening-Projekten verbunden. Im Louisiana dreht sich eine Ausstellung um das Thema Meer. Darin geht es auch um die Ausbeutung der Meere und die Folgen des Klimawandels.

Wie kann der internationale Austausch, den die Innovation Community angestoßen hat, helfen, diese Fragen zu beantworten? 

In erster Linie haben wir einen geschützten Rahmen geschaffen, in dem die Kunstmuseen Themen diskutieren können, zu denen sie vielleicht noch gar keine Antworten haben. Dafür gibt es meist weder Zeit noch Raum. Die Direktor*innen schätzen das sehr und haben den Turnus dieser Workshops sogar auf halbjährlich erhöht. Das gastgebende Haus stellt jeweils das Thema und wir spiegeln es aus der Forschung, führen Interviews und bringen die Museen ins Gespräch.

So ermöglichen wir eine Reflektion der musealen Arbeit hinter den Kulissen. Und wir stellen Fragen: Wie begreifen wir den Nachhaltigkeitsbegriff? Welche Aspekte berührt er? Wie verflicht er alle Bereiche? Unser Vorteil als Forschende ist, dass wir diesen geschützten Raum bieten können. So gibt es eine stabile Vertrauensbasis und einen offenen Austausch.

Gab es ein konkretes Aha-Erlebnis im jüngsten Austausch, bei dem Museen von anderen inspiriert wurden?

Ja. Das Lenbachhaus in München hat beispielsweise eine Roadmap zur Reduzierung seiner Treibhausgasemissionen präsentiert. Das Museum hat sich gefragt: Woher kommen unsere CO2-Emissionen? Wie können wir sie einsparen? Es gab Gespräche mit der Politik, um etwa in moderne Klimaanlagen zu investieren, was auf lange Sicht Kosten und Energie sparen wird. Das war sehr spannend.

Dann hat auf der anderen Seite aber auch das Zentrum Paul Klee von seinen Schwierigkeiten berichtet. So hat Klee seine Werke meist auf empfindlichem Papier geschaffen, das ein bestimmtes Raumklima braucht. Das erschwert eine nahhaltige Energienutzung. Das Bewahren der Kunstwerke ist aber zentral für diese Häuser.

Welche Fragen werden die internationale Community in Zukunft beschäftigen?

Die Direktor*innen sind alle sehr reflektiert und haben viele Themen auf der Agenda. Ein wichtiges sind die digitalen Infrastrukturen im Zusammenhang mit musealer Arbeit. Etwa die Bereiche Online-Sammlungen oder Social Media bis zu Gamification. Außerdem wird uns das Thema Nachbarschaft, also soziale Nachhaltigkeit, weiter beschäftigen, um nur ein paar zu nennen.

Die teilnehmenden Museen im Projekt „Expanding Art Museums“ der Leuphana Innovation Community Kunst und Kultur sind:

  • MUDAM Luxemburg
  • Louisiana Museum für Gegenwartskunst, Humblebaek
  • Belvedere, Wien,
  • Metropolitan Museum of Art, New York
  • Zentrum Paul Klee, Bern
  • Kunstmuseum Basel
  • Lenbachhaus München

Kontakt

  • Julia Valtwies