Wissenschaftler*innen im Porträt: Prof. Dr. Jelena Bäumler – Nachhaltigkeit rechtlich umsetzen
Wissenschaftler*innen im Porträt
29.05.2020 Nachhaltigkeit per Gesetz? Inwieweit Recht für eine gesellschaftliche Transformation zu nachhaltiger Entwicklung genutzt werden kann, erforscht Jelena Bäumler, Professorin für Öffentliches Recht und Völkerrecht mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit.
Nach einer klassischen Juristinnenausbildung in München und Berlin, mit Stationen beim UN Ruanda-Tribunal in Tansania sowie in Genf, Liberia und dem Auswärtigen Amt in Berlin, promovierte Bäumler an der Schnittstelle von internationalem Umwelt- und Handelsrecht in Potsdam. „Mich interessiert, welche Potentiale das Recht bietet, Nachhaltigkeitsaspekte zu erfassen, wo dies bereits der Fall ist und an welchen Stellen das Recht dem derzeit noch entgegensteht“, erläutert Bäumler. Ihr aktuelles Forschungsprojekt beschäftigt sich damit, inwiefern in internationalen Verträgen, die jüngst verhandelt wurden oder noch immer werden, die Hereinnahme von Handels-, Umwelt- und sozialen Aspekten einen zukunftsträchtigen Vertragstypus entstehen lässt. Diese Verträge, so die Hoffnung, bieten erhebliches Potential, die traditionell sektorale Herangehensweise des Völkerrechts zu überwinden. „Wenn wir zum Beispiel eine Einbeziehung des Umweltrechts in klassische Handelsverträge beobachten könnten, dann hätten wir im Hinblick auf nachhaltige Entwicklung einen ersten, aber großen Schritt erreicht“, erklärt Bäumler.
Tatsächlich haben das Völkerrecht und das Konzept der Nachhaltigkeit bereits etliche Berührungspunkte: Das Völkerrecht hat mit dem Brundtland-Report und einigen internationalen Abkommen die Akzeptanz des Konzepts der nachhaltigen Entwicklung vorangebracht. „Es hat die Nachhaltigkeit bisher nicht in sämtliche internationale dafür in Betracht kommende Abkommen aufgenommen, aber zu ihrer Verbreitung erheblich beigetragen, zum Beispiel durch die Sustainable Development Goals der Vereinten Nationen“, sagt die Wissenschaftlerin.
„In der nationalen Rechtsordnung ist die Implementierung des Prinzips der Nachhaltigkeit bisher erst zaghaft erfolgt“, kommentiert sie den momentanen Stand. „Es bedürfte einer Änderung des Grundgesetzes, um die Nachhaltigkeit zu stärken. Die Verfassung als das höchstrangige nationale Recht strahlt auf alle Bereiche aus. Eine Bezugnahme der Sache nach auf Nachhaltigkeit gibt es in Art. 20a GG zum Umweltschutz bereits, diese erfasst aber nicht das gesamte Konzept der Nachhaltigkeit.“
Insgesamt sieht Bäumler gute Chancen für die Stärkung der Nachhaltigkeit durch das Recht: „Ein Kerngeschäft der Rechtswissenschaften ist es, Belange abzuwägen. Dabei kommt es maßgeblich darauf an, welche Gewichtung dem Umweltschutz und der Nachhaltigkeit beigemessen wird. Das Instrument der Jurist*innen sind Worte. Wir müssen versuchen, das was jetzt abstrakt über Nachhaltigkeit an Wissen besteht in die Sprache des Rechts umzusetzen und in Gesetzestexten zu verankern, um eine nachhaltige Rechtsordnung zu schaffen und zwar auf nationaler wie auf internationaler Ebene.“