„Eine Community, in der sich alle sicher und verstanden fühlen“
30.05.2022 Das Junge Afrokollektiv Lüneburg schafft einen „Safe Space“ für Schwarze Studierende der Leuphana und setzt sich gegen Rassismus und für intersektionale Gerechtigkeit ein.
„Guckt mal, was ich mitgebracht habe,“ Mariama legt einen hohen Stapel Sticker in die Mitte des Tisches, „die Plakate sind auch schon im Druck.“ Die drei jungen Frauen, mit denen sie spricht, beugen sich über die bunt bedruckten Aufkleber. Alisha, Makena, Nana und Mariama sitzen zusammen auf dem Leuphana-Campus unter den Bäumen vor dem Mensagebäude. Die Sonne scheint, die Umgebung ist belebt. Fünf Tage sind es noch bis zu der „Black Lives Still Matter“-Demonstration in Lüneburg.
„Mit welchen Reden können wir jetzt fest rechnen?“, fragt Makena in die Runde. Die vier diskutieren, wer live sprechen wird und welche Tonaufnahmen sie bei der kommenden Demonstration abspielen werden. Steht die Musikauswahl? Gibt es ausreichend Ordner*innen? Welche Corona-Maßnahmen gilt es zu beachten? „Die Anmeldung bei der Stadt hat übrigens geklappt“, wirft Alisha ein. Makena sitzt vor ihrem Laptop und hakt nach und nach Punkte von der langen Aufgabenliste ab.
Die vier Studentinnen gehören zu den Hauptorganisator*innen des Jungen Afrokollektivs (JUA Kollektiv) Lüneburg. Einmal in der Woche treffen sie sich, um gemeinsam Projekte zu organisieren, „einfach nur zu quatschen“ oder – wie heute – eine Demonstration auf die Beine zu stellen. Das JUA Kollektiv ist Hauptveranstalter der Demo am 25. Mai, die unter dem Leitspruch „No justice, no peace!“ an die rassistische Ermordung von George Floyd sowie an den African Liberation Day erinnert. Jedes Jahr steht das Datum – der Gründungstag der Organisation für Afrikanische Einheit (OAE) 1963 – dafür, die Unabhängigkeit afrikanischer Staaten und den Kampf gegen den Kolonialismus zu feiern, aber auch weiterhin zu fordern.
Heute wissen wir: Zahlreiche Menschen zogen am vergangenen Mittwoch gemeinsam durch die Lüneburger Innenstadt, um ein Zeichen gegen rassistische Polizeigewalt und für intersektionale Gerechtigkeit zu setzen. „Es war ein gutes Gefühl mit so vielen Menschen durch die Straßen zu laufen und laut zu werden“, sagt Alisha rückblickend. „Wir waren besonders beeindruckt von der Zusammenarbeit mit den anderen Initiativen und sind stolz darauf, gemeinsam so etwas auf die Beine gestellt zu haben.“
Kennengelernt haben sich die meisten der heutigen Mitglieder durch das Studium an der Leuphana. Zur Zeit der ersten „Black Lives Matter“-Demonstrationen entstand dann durch den Wunsch, sich weiter zu engagieren, das heutige JUA Kollektiv. Die studentische Initiative soll vor allem eine Anlaufstelle und ein Safe Space für Schwarze Studierende der Leuphana Universität sein, um sich untereinander austauschen und über gemeinsame Erfahrungen sprechen zu können, die sie an einer hauptsächlich weißen Universität machen. Dazu veranstaltet das Kollektiv zum Beispiel einmal im Monat den „Black Open Space“, zuletzt unter freiem Himmel im Lüneburger Kurpark: „Es geht darum, sich mit anderen zu connecten und eine Community zu schaffen, in der sich alle sicher und verstanden fühlen“, erklärt Alisha.
Die Anfang Zwanzigjährige studiert Umweltwissenschaften am Leuphana College, genau wie Makena und Nana. Mariama studiert Kulturwissenschaften. Knapp 30 Studierende der Leuphana sind Teil der Initiative, sechs von ihnen bilden das organisatorische Kernteam. Seit vergangenem Wintersemester ist das JUA Kollektiv auch Teil des DSi (Dachverband der Studierendeninitiativen) an der Leuphana. Künftig möchten die Mitglieder sich weiter für die Interessen und Belange von Schwarzen Studierenden auf dem Leuphana-Campus einsetzen und eine höhere Sichtbarkeit schaffen. Beim bevorstehenden Lunatic am 3. und 4. Juni betreuen sie etwa einen „Safer Space“ für BIPoC (Black, Indigenious and People of Color) auf dem Festivalgelände.
Informationen zur Schreibweise
Der Begriff BIPoC (Black, Indigenious and People of Color) ist eine Selbstbezeichnung der Menschen, die vielfältige Formen von Rassismus erfahren. Die Bezeichnung „Schwarze Person“ ist ebenfalls eine Selbstbezeichnung, mit der eine von Rassismus betroffene gesellschaftliche Position beschrieben wird. „Schwarz“ wird dabei großgeschrieben, um zu verdeutlichen, dass es sich bei dem Begriff um ein konstruiertes Zuordnungsmuster und nicht um eine reelle Eigenschaft, die auf die Farbe der Haut zurückzuführen ist, handelt. Der Begriff weiß wird kursiv geschrieben, um ebenfalls hervorzuheben, dass damit kein biologisches Merkmal, sondern eine politische und soziale Position bezeichnet wird, die mit Privilegien und Dominanz verbunden ist. Der Begriff weiße Person bezeichnet Menschen ohne Rassismuserfahrung.