Wie kann ich Betroffene unterstützen?

Dieser Abschnitt informiert darüber, wie Sie als Universitätsangehörige*r betroffene Personen gut unterstützen können und wie Sie dabei gut für sich selbst und ihre eigene Sicherheit sorgen können.

Was sollte ich vermeiden und warum?

Tabuisierung, Scham und Handlungsunsicherheiten sind häufige Begleiterscheinungen sexualisierter Diskriminierungs- und Gewaltvorkommnisse, sowohl seitens der Betroffenen, als auch bei Unterstützer*innen in ihrem Umfeld. Daher ist es sinnvoll, einige der häufigsten Abwehrreaktionen bei der Konfrontation mit sexualisierter Diskriminierung und Gewalt (auch genannt: sexuelle Belästigung) zu kennen, um sie vermeiden zu können.

(Auflistung in Anlehnung an Elli Scambor & Johanna Stadlbauer 2019, Handbuch zum EU-Projekt Culture of Care, Online-Ausgabe)

 

Abwehrreaktion: Leugnung oder Verharmlosung des Traumas von Betroffenen
Mögliche Konsequenzen: Betroffene werden entmutigt, geben auf

 

Abwehrreaktion: Rationalisierung: durch scheinbar logische Argumente untragbare Handlungen von Täter*innen rechtfertigen
Mögliche Konsequenzen: Betroffene werden entmutigt, suchen die Schuld bei sich, geben auf

 

Abwehrreaktion: Starke emotionale Distanzierung (bspw. zum Selbstschutz)
Mögliche Konsequenzen: Betroffene fühlen sich nicht gehört, ernstgenommen

 

Abwehrreaktion: Überidentifikation mit Betroffenen
Mögliche Konsequenzen: objektive Entscheidungsfindung, strukturiertes Vorgehen & angemessene Unterstützung sind erschwert

 

Abwehrreaktion: Psychologisierung – das persönliche Erleben von Betroffenen wird theoretisiert und erklärt
Mögliche Konsequenzen: das Leid von Betroffenen wird zu einem Konzept oder Modell, die Person wird nur als Fall behandelt

 

Abwehrreaktion: Identifizierung mit der gewaltausübenden Person
Mögliche Konsequenzen: dies erschwert Empathie mit Betroffenen & angemessenes Handeln

 

Abwehrreaktion: Sich alleinverantwortlich & als Retter*in zu sehen
Mögliche Konsequenzen: Entscheidungen werden im Alleingang getroffen, relevante Akteur*innen und Beratungseinrichtungen werden nicht einbezogen

 

Abwehrreaktion: Sich nicht zuständig/kompetent fühlen & die Verantwortung schnell delegieren
​​​​​​​Mögliche Konsequenzen: Gemeinsames, koordiniertes Handeln wird erschwert, Betroffene entmutigt

Was ist hilfreiches Handeln?

Wie Sie bei der Konfrontation mit einem Vorfall sexualisierter Diskriminierung und Gewalt handeln können und sollen hängt von Ihrer Beziehung zu der betroffenen Person sowie von Ihrer Rolle in der Universität ab. Die folgenden Hinweise können für alle Universitätsangehörigen gelten.

Empfehlungen für hilfreiches Handeln bei der Konfrontation mit sexualisierter Diskriminierung und Gewalt sind:

  • Bleiben Sie ruhig und handeln Sie wohlüberlegt, auch wenn Ihnen die Situation extrem dringlich erscheint.
  • Wenn Sie selbst Beobachtungen bezüglich der Situation haben, dokumentieren Sie und besprechen Sie diese mit Vertrauenspersonen. Unterscheiden Sie dabei zwischen selbst Erlebtem, Berichten Dritter, Vermutungen/Interpretationen.
  • Informieren Sie sich hier zu Anlaufstellen innerhalb & außerhalb der Universität.
  • Holen Sie unverbindliche Informationen bei internen Ansprechpartner*innen wie dem Gleichstellungsbüro oder der Ombudsperson für Studierende und Lehrende ein. Diese müssen nur handeln, wenn Sie es wünschen.
  • (Telefonische, anonyme) Informationen von externen Beratungsstellen können ebenfalls hilfreich sein, um einen besseren Überblick über die Situation zu gewinnen.
  • Bleiben Sie in Beziehung mit der betroffenen Person, geben Sie nicht sofort jegliche Verantwortung weiter.
  • Prüfen Sie, ob eine akute Gefährdung besteht und unterstützen Sie die Person, sich der Gefahrensituation zu entziehen.
  • Loten Sie nach Möglichkeit aus, ob die betroffene Person ein unterstützendes Umfeld hat, das einbezogen werden kann.
  • Geben Sie darauf Acht, dass die Information über den Verdacht nicht an die potenziell Gewalt ausübende Person gelangt.
  • Machen Sie gegenüber der betroffenen Person Ihre nächsten Schritte transparent und beziehen Sie sie mit ein.
  • Ziel sollte eine möglichst gut koordinierte Zusammenarbeit der unterstützenden Akteur*innen untereinander sowie mit der betroffenen Person sein. Es kann Helfer*innen-Konferenzen mit Personen geben, die wichtige Informationen zur Situation einbringen können, um gemeinsam nächste Schritte zu planen.
  • Beachten Sie die Rechtslage, die in der Situation zum Tragen kommt sowie etwaige Verantwortlichkeiten, die für Sie daraus erwachsen (z.B. als Führungsperson).
  • Nehmen Sie bei Bedarf Supervision oder psychologische Beratung in Anspruch.

Zusätzliche Hinweise für Personen in Leitungsfunktionen:

  • Grundsätzlich sind Sie in Ihrer Funktion Ansprechpartner*in für dieses Thema.
  • Weisen Sie die betroffene Person darauf hin, dass Sie verpflichtet sind, gegen sexualisierte Diskriminierung und Gewalt vorzugehen und dass Sie bei Kenntnis eines Falls weitere Schritte einleiten müssen.
  • Wenn Sie eine Erstberatung mit der betroffenen Person durchführen, informieren Sie sich mithilfe dieses Informationspapiers zum Vorgehen.

Was ist eine unterstützende Haltung im Gespräch?

Wenn eine Person Ihnen gegenüber das Widerfahrene offenlegt, können Sie eine unterstützende Haltung einnehmen. Die folgenden Empfehlungen für diese Gesprächshaltung sind angelehnt an Erläuterungen der Psychologin Anna Wittmann für den pädagogischen Kontext. Sie sind empfehlenswert ungeachtet Ihrer beruflichen Position oder Ihres Verhältnisses zur betroffenen Person.

  • Bleiben Sie ruhig und drängen Sie der Person nicht Ihre eigenen Gefühle auf.
  • Signalisieren Sie, dass Ihnen das Berichtete zugemutet werden darf.
  • Vermitteln Sie der Person, dass sie keine Schuld an der sexualisierten Diskriminierung und Gewalt trägt.
  • Seien Sie anerkennend, dass die Person den Mut hat, Ihnen etwas zu berichten.
  • Vermitteln Sie, dass Sie der Person Glauben schenken, auch wenn Ihnen das Berichtete unlogisch, zweifelhaft oder unglaublich erscheint.
  • Akzeptieren Sie, wenn die Person nicht weiter sprechen möchte und drängen Sie nicht auf Details.
  • Vermitteln Sie, dass die Person nicht allein mit ihrer Betroffenheit von sexualisierter Diskriminierung und Gewalt ist, und dass dies vielen Personen im Hochschulkontext widerfährt.
  • Versprechen Sie nichts, das Sie nicht halten werden können (z.B. Geheimhaltung, wenn Sie dienstlich dazu verpflichtet sind, Informationen weiterzugeben).
  • Sichern Sie der Person eine Mit-Kontrolle über die Situation zu und stellen Sie sicher, dass alle Schritte, die von Ihnen gesetzt werden, vorher mit ihr besprochen werden.
  • Demonstrieren Sie eine offene, zugewandte Körperhaltung und halten Sie Blickkontakt.
  • Während die Person spricht hören Sie aktiv zu, ohne bspw. bereits Antworten gedanklich vorzuformulieren.
  • Fassen Sie zentrale Aussagen zusammen und ermöglichen Sie der Person, diese zu korrigieren.
  • Geben Sie keine Ratschläge, sondern bieten Sie an, gemeinsam Lösungen zu suchen.
  • Machen Sie beständige, unaufdringliche Gesprächsangebote.

Literaturverweis: Wittmann, Anna Julia (2015). Kinder mit sexuellen Missbrauchserfahrungen stabilisieren. Handlungssicherheit für den pädagogischen Alltag. München/Basel: Reinhardt.

Selbstfürsorge als Unterstützer*in

Situationen, in denen Betroffene das ihnen Widerfahrene mitteilen, können für alle Beteiligten fordernd sein. Für Unterstützer*innen ist Selbstfürsorge hilfreich, um ihr eigenes Wohlbefinden aufrechtzuerhalten und um ihre eigene Sicherheit in potenziell gefährlichen Situationen zu gewährleisten. Wege der Selbstfürsorge können sein:

  • Intervision und Supervision in Anspruch nehmen.
  • Weiterbildungen, welche die Handlungssicherheit erhöhen, besuchen.
  • Unterstützende Netzwerke im professionellen Kontext aufrechterhalten.
  • Symptome von Überlastung bei sich selbst wahrnehmen und gegensteuern mit dem, was einem üblicherweise gut tut.
  • Sport und andere Hobbies intensiver betreiben.
  • Mit Freund*innen und Familie Gespräche suchen.
  • Das Bewusstsein für die eigene Sicherheit schärfen (bspw. Dokumentation von Unwohlsein oder Bedrohungen).
  • Selbstbehauptungstechniken erlernen (z.B. WenDo).
  • Professionelle Hilfe einbeziehen (Kriminalpräventionsstelle, psychologische Beratung, …).

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Unter "Was ist sexualisierte Diskriminierung und Gewalt“ finden Sie Beispiele für Handlungen, die unangemessen sind, Empfehlungen für das Erkennen und Benennen von sexualisierter Diskriminierung und Gewalt, Informationen über Folgen für Betroffene sowie Richtlinien und Gesetze.

Unter "Welches Miteinander leben wir an unserer Hochschule" finden Sie Informationen über die Haltung der Leuphana zu sexualisierter Diskriminierung und Gewalt, Ausführungen zu einer präventiven Hochschulkultur und Konsequenzen bei unangemessenen Handlungen.

Unter "Was kann ich tun, wenn ich selbst betroffen bin" finden Sie Unterstützungsmöglichkeiten seitens der Hochschule, Berichte von Betroffenen über ihren Bewältigungsprozess, Tipps zur Selbsthilfe und zum Sicherheit gewinnen.

Unter "Wie schaffe ich in meinem Umfeld Bewusstsein"​​​​​​​ finden Sie eine Auflistung von Empfehlungen für Awareness Raising sowie Materialen und Ressourcen dafür.

Kontakt

Dr. Kathrin van Riesen
Universitätsallee 1, C7.323
21335 Lüneburg
Fon +49.4131.677-1060
kathrin.van_riesen@leuphana.de