Forschungsnahes Lehren und Lernen
Forschungsnahes (forschendes) Lehren und Lernen regt Studierende dazu an, wissenschaftliche Fragestellungen selbständig zu entwickeln, zu untersuchen und Lösungen zu finden. Dabei steht der Forschungsprozess im Vordergrund, und die Studierenden erleben eine aktive, selbstgesteuerte Lernumgebung, in der sie sich intensiv mit Themen auseinandersetzen, die sie interessieren. Forschungsnahes Lernen ist eng mit der wissenschaftlichen Praxis verknüpft und bereitet Studierende darauf vor, eigenständig wissenschaftlich zu arbeiten.
Auf dieser Website finden Sie einen Überblick über die Lehrmethode und ihre Vorteile sowie Anregungen für die praktische Umsetzung in Lehrveranstaltungen.
Zielsetzungen und Potenziale
Die Zielsetzung des forschungsnahen Lernens ist es, Studierenden die Möglichkeit zu bieten, ihre akademischen Kompetenzen zu vertiefen und auf reale Fragestellungen anzuwenden. Das Ziel besteht nicht nur darin, die fachlichen Kenntnisse zu erweitern, sondern auch wichtige überfachliche Kompetenzen zu erwerben, wie z. B. kritisches Denken, Teamarbeit und wissenschaftliches Schreiben.
Ein wesentlicher Aspekt des forschenden oder forschungsnahen Lernens ist die Verknüpfung von Theorie und Praxis. Die Studierenden haben die Chance, theoretische Konzepte und Modelle in realen Kontexten anzuwenden und zu überprüfen. Dadurch erleben sie Wissenschaft nicht als abstrakte Theorie, sondern als eine lebendige und praxisorientierte Aktivität, die relevant für gesellschaftliche Fragestellungen ist.
Forschendes Lernen zeichnet sich vor anderen Lehrformen dadurch aus, dass die Lernenden den Prozess eines Forschungsvorhabens, das auf die Gewinnung von auch für Dritte interessanten Erkenntnissen gerichtet ist, in seinen wesentlichen Phasen – von der Entwicklung der Fragen und Hypothesen über die Wahl und Ausführung der Methoden bis zur Prüfung und Darstellung in selbstständiger Arbeit oder in aktiver Mitarbeit in einem übergreifenden Projekt – (mit)gestalten, erfahren und reflektieren. (Huber 2014)
Für Lehrende bietet diese Methode die Gelegenheit, ihre Lehre dynamisch und interaktiv zu gestalten und Studierende aktiv in die Forschung einzubeziehen. Durch die enge Zusammenarbeit können Lehrende und Studierende voneinander lernen und gemeinsam neue Erkenntnisse gewinnen (dazu auch Schwerpunkt “Forschendes Lernen”, LehreLaden der RUB und Baukasten Lehre der TU Braunschweig).

Didaktische Ansätze
Didaktische Ansätze tragen dazu bei, die Lernenden aktiv einzubinden und ihnen eine strukturierte Unterstützung zu bieten, während sie eigene Forschungsfragen entwickeln und Lösungen erarbeiten. Gleichzeitig helfen sie dabei, die Eigenständigkeit und die Kompetenzentwicklung der Studierenden zu stärken.
Einige dieser Ansätze sind:
- Problemorientiertes Lernen: Studierende beschäftigen sich mit komplexen, realitätsnahen Problemstellungen, die sie selbstständig analysieren und lösen. Der Fokus liegt hierbei darauf, das Lernen durch konkrete, praxisbezogene Fragestellungen zu fördern.
- Projektbasiertes Lernen: Die Studierenden arbeiten über einen längeren Zeitraum an einem umfassenden Projekt, das alle Phasen des Forschungsprozesses umfasst. Sie entwickeln eine Forschungsfrage, planen und führen das Projekt durch und präsentieren am Ende ihre Ergebnisse. Dies fördert sowohl das selbstgesteuerte Lernen als auch das praktische Anwenden von Methoden.
- Kooperatives Lernen: Forschendes Lernen ist oft eine kollaborative Aktivität. Lehrende setzen auf Gruppendiskussionen, Peer-Feedback und Teamarbeit, um den Austausch von Ideen und die gemeinsame Erarbeitung von Lösungen zu fördern. Dadurch entwickeln die Studierenden nicht nur fachliche Kompetenzen, sondern auch soziale und kommunikative Fähigkeiten.
- Scaffolding: Lehrende unterstützen die Studierenden durch gezielte Hilfestellungen, die im Laufe des Projekts sukzessive reduziert werden. Dies befähigt die Studierenden, Schritt für Schritt mehr Verantwortung für den Forschungsprozess zu übernehmen, bis sie vollständig eigenständig arbeiten können.
Regelmäßige Reflexion ist ein wichtiger Bestandteil des forschungsnahen Lernens. Studierende reflektieren über den Lernprozess, die angewandten Methoden und ihre Ergebnisse. Dadurch werden das kritische Denken und die Fähigkeit, aus Fehlern zu lernen, gezielt gefördert.
Umsetzung
Die Rolle der Lehrenden ist dabei eher die einer Moderatorin oder eines Moderators, die bzw. der den Prozess anleitet und Impulse gibt, während die Studierenden ihre eigenen Lösungsansätze entwickeln. Die Umsetzung des forschenden Lernens erfolgt in unterschiedlichen Formaten, je nach Fachrichtung und Studiengang. Typische Beispiele sind:
- Forschungsprojekte im Rahmen von Seminaren: Studierende arbeiten im Laufe des Semesters an einem Forschungsprojekt zu einem aktuellen Thema des Seminars. Sie entwickeln eigene Fragestellungen, setzen Methoden ein und präsentieren ihre Ergebnisse.
- Forschungswerkstätten und Exkursionen: In Werkstätten und Exkursionen können Studierende in einem außeruniversitären Umfeld an aktuellen Forschungsfragen arbeiten und diese unter Anleitung von Lehrenden und Experten untersuchen.
An der Leuphana unterstützt das Methodenzentrum Studierende und Lehrende mit Beratung zu z.B. konkreten Fragen zur Anwendung einer Methode.
Chancen und Herausforderungen
Forschendes Lernen bietet zahlreiche Chancen, stellt jedoch auch gewisse Herausforderungen dar. Zu den positiven Aspekten gehört vor allem die intensive Auseinandersetzung mit dem Forschungsgegenstand, die den Studierenden erlaubt, sich kritisch und reflektierend mit der Materie auseinanderzusetzen. Außerdem fördert forschendes Lernen die intrinsische Motivation und kann so zu einem tieferen Verständnis führen.
Darüber hinaus erwerben Studierende im Rahmen des forschenden Lernens eine Vielzahl von Kompetenzen, darunter:
- Kritisches Denken: Studierende lernen, Fragestellungen kritisch zu hinterfragen, Informationen zu analysieren und fundierte Schlussfolgerungen zu ziehen.
- Problemlösungsfähigkeiten: Durch die Arbeit an realen Forschungsfragen entwickeln die Studierenden die Fähigkeit, komplexe Probleme zu erkennen, Lösungsansätze zu formulieren und diese systematisch zu überprüfen.
- Fachliche und methodische Kompetenz: Studierende vertiefen ihr Fachwissen und erlernen den Umgang mit wissenschaftlichen Methoden, die für ihre Disziplin von Bedeutung sind.
- Selbstorganisation und Zeitmanagement: Forschendes Lernen erfordert ein hohes Maß an Selbstorganisation, wodurch Studierende ihre Fähigkeiten im Zeitmanagement und in der eigenständigen Planung verbessern.
- Teamarbeit und Kommunikationsfähigkeit: In kooperativen Projekten erwerben Studierende soziale Kompetenzen, die notwendig sind, um effektiv im Team zu arbeiten, Feedback zu geben und Forschungsergebnisse zu präsentieren.
- Wissenschaftliches Schreiben und Präsentieren: Studierende üben das Erstellen wissenschaftlicher Berichte und das Präsentieren ihrer Forschungsergebnisse vor einem Publikum.
Eine Herausforderung besteht darin, dass Forschendes Lernen für Studierende oft mit einem hohen Maß an Selbstorganisation und Durchhaltevermögen verbunden ist. Der Forschungsprozess kann langwierig und komplex sein, was eine große Eigeninitiative erfordert. Auch für Lehrende bedeutet die Betreuung solcher Projekte einen größeren Aufwand, da jede Gruppe individuelle Unterstützung benötigt.
Literaturhinweise
- Scholkmann, A. (2016): Forschend-entdeckendes Lernen. In: Neues Handbuch Hochschullehre. [Teil] A. Lehren und Lernen. 3. Neue Lehr- und Lernkonzepte. Berlin: DUZ Verlags- und Medienhaus A 3.17, S. 1-36.
- Warum Forschendes Lernen nötig und möglich ist. In: Ludwig Huber, Julia Hellmer und Friederike Schneider.(Hrsg.): Forschendes Lernen im Studium. Aktuelle Konzepte und Erfahrungen.Bielefeld: Universitätsverlag Webler, S. 9-36.
- Sonntag, Monika; Rueß, Julia; Ebert, Carola; Friederici, Kathrin; Schilow, Laura; Deicke, Wolfgang (2016): Forschendes Lernen im Seminar. Ein Leitfaden für Lehrende. Berlin: Humboldt-Universität zu Berlin (Neue Lehre – neues Lernen).