“University education is not only about knowledge and skills, but also about something else: commitment. By commitment I mean an understanding of what you as an individual feel is valuable and important, what ways of looking at the world you find helpful, and what you want to do with your time on this earth. It is about affirmative acts of choice and orientation in a relative world, through which individuals define themselves and on the basis of which they act in the world”.

Mit diesen Worten begann Prof. Teun J. Dekker (Vice Dean of Academic Affairs und Professor of Liberal Arts and Sciences Education, University College Maastricht) seine Keynote, die den Auftakt des Tags der Lehre am 28. November 2018 darstellte. In seinem Vortrag stellte er das Engagement und die aktive Rolle aller an der Lehre Beteiligten in den Vordergrund. „Commitment“ und „Community“ sieht Teun Dekker als Schlüsselkonzepte eine Liberal Education und knüpft damit direkt an das an, was sich auch Präsident Prof. (HSG) Dr. Sascha Spoun in seinen Begrüßungsworten wünscht: Liberal Education ernst zu nehmen bedeutet, sich den besonderen Herausforderungen dieser Bildungsidee zu stellen und gemeinsam Lösungen zu erarbeiten. Dies setzt Commitment und aktive Partizipation voraus - ein Gedanke, den Teun Dekker auch in seinem Interview "Kleine Dinge gut machen" aufgreift. Doch Commitment ist Teun Dekker zufolge zugleich etwas, was erst entstehen muss. So benennt er unter Rückgriff auf Arbeiten von William Perry drei Phasen, die Studierende während ihres Studiums typischerweise durchlaufen: 1. „Authority“ verbunden mit dem Glauben, dass es eine Wahrheit gebe, die an der Universität vermittelt würde, 2. „Relativism“ verbunden mit der Erkenntnis, dass es nicht die eine Wahrheit, sondern diverse, teils widersprüchliche Erkenntnisse, Ansätze und Meinungen gibt, und 3. „Commitment“ verbunden mit der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen und eine eigene Position zu beziehen: „Students have to make choices, argue for positions, not as absolute truth, but as a personally held conviction among many other possibilities“.

Die Bedeutung von Commitment und aktiver Partizipation für die Gestaltung von Lehren und Lernen wurden in der anschließenden Podiumsdiskussion mit Dr. Steffi Hobuß, Leiterin des College, Teun Dekker, Vizepräsidentin Prof. Dr. Carola Schormann, den Lehrpreisträger*innen Prof. David Loschelder und Prof. Lin Xi, der AStA Sprecherin Lena Lukow sowie Dr. Julia Webersik, der Leiterin des Leuphana Lehrservice, aufgegriffen und vertiefend diskutiert.

Einen weiteren Höhepunkt stellte die Vergabe der Leuphana Lehrpreise dar, mit denen in diesem Jahr Prof. Dr. David Loschelder, Prof. Dr. Christina Wessely und Christian Voller sowie Prof. Dr. Lin Xie und Mathias Ellmann ausgezeichnet wurden.
Der zweite Teil des Tags der Lehre widmete sich in fünf parallelen Workshops vor allem konkreten Themen der Lehr- und Studienkultur an der Leuphana sowie didaktischen Ansätzen für die Lehrpraxis (Portfolioprüfungen, Inverted Classroom, Spiralcurriculum und Civic Engagement).

Darüber hinaus gab es im Rahmen einer Poster- und Fotoausstellung zu aktuellen Lehrentwicklungsprojekten und lehrbezogenen Initiativen diverse Möglichkeiten für Vernetzung und Austausch. Vertiefende Informationen zu Lehrentwicklungsinitiativen, die im Rahmen des Qualitätspakt-Lehre-Projekts „Leuphana…auf dem Weg!“ gefördert werden, bietet auch eine Broschüre.

Das Team des Lehrservice und die Mitarbeiter*innen des Qualitätspakt-Lehre-Projekts „Leuphana…auf dem Weg“ freuen sich, dass es gelungen ist, mit über 120 Teilnehmer*innen aus allen Bereichen der Leuphana sowie externen Gästen für einen Tag den fokussierten Austausch über das Lehren und Lernen in den Mittelpunkt der Universitätsgemeinschaft zu stellen und bedankt sich bei allen für die aktive Mitgestaltung dieses Tages.

Der Tag der Lehre bietet mit den Worten von Prof. (HSG) Sascha Spoun einen Fixpunkt für die Beschäftigung mit Lehren und Lernen, doch zugleich „reicht es nicht, dies nur einen einzigen Tag im Jahr zu tun. Wir müssen es beständig tun, es muss Teil unseres akademischen Alltags sein.“

Programmrückblick

  • Auszeichnung der Lehrpreisträger*innen 2018
  • Keynote: Commitment and Community in Liberal Education: Reflections on the Roles of Students and Educators
  • Podiumsdiskussion: Commitment and Responsibility in Learning and Teaching
  • Workshop 1: Die Lehrveranstaltung umdrehen – partizipatives, kompetenzorientiertes, aktives Lernen im Inverted Classroom Model
  • Workshop 2: Entwicklung eines Spiralcurriculums – Studienprogramme kompetenzorientiert gestalten
  • Workshop 3: Nicht für, sondern durch Prüfungen lernen – Portfolioprüfungen als innovatives Prüfungsformat
  • Workshop 5: Gemeinsam Lehre gestalten – Aspekte, Akteure und Agenda einer Leuphana-Studienkultur
  • Abschlussreflexion im Improvisationstheater
  • Pause & Vernetzungsraum mit Poster- und Fotoausstellung

Programmrückblick

Auszeichnung der Lehrpreisträger*innen 2018

Prof. Dr. Markus Reihlen, Vizepräsident für Graduate School, Wissenschaftlichen Nachwuchs und Entrepreneurship, Leuphana Universität Lüneburg
Prof. Dr. Carola Schormann, Vizepräsidentin für College und Campusleben, Leuphana Universität Lüneburg

Da Lehre immer und zu jeder Zeit eine Koproduktion ist, setzt der Leuphana Lehrpreis bereits seit 2007 ein Zeichen dafür, dass sich die Universität als eine Inkubationsstätte für Forschung und spannende, innovative Lehre versteht. In einer Zeit, so Vizepräsident Prof. Reihlen, die durch stetig steigende Studierendenzahlen in Seminarräumen geprägt ist, bedarf gute Lehre also neben dem Engagement der Lehrenden nicht zuletzt innovativer Ansätze, die Studierenden das richtige Maß an Forderung und Förderung biete. Die diesjährigen Preisträger*innen des Leuphana Lehrpreises machen dies mit ihren innovativen Lehr- und Lernkonzepten deutlich.

Als herausragende Beispiele guter Lehre an der Leuphana wurden 2018 in der Kategorie Studierendenvorschläge Prof. Dr. David Loschelder sowie Prof. Dr. Christina Wessely und Christian Voller ausgezeichnet. Den Lehrpreis für das überzeugendste Lehrkonzept erhielten Prof. Dr. Lin Xie und Mathias Ellmann.

Prof. Dr. Lin Xie erhielt den Lehrpreis zusammen mit Matthias Ellmann für das Lehrkonzept „Operation Research Lab“. Sie charakterisiert das Konzept als Direktaustausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft und Forschung. Dabei setzen sich Studierende von der Problemaufnahme und –analyse, über die Entwicklung eines wissenschaftlich-methodischen Lösungsansatzes bis zu dessen Umsetzung mit unternehmerischen Optimierungspotenzialen auseinander.

Prof. Dr. David Loschelder wurde für die Vorlesungs-Veranstaltung „Psychologie: Die Wissenschaft und ihre gesellschaftliche Bedeutung“ in der Kategorie Studienvorschläge ausgezeichnet. Dabei wenden Studierende in einem interaktiven Rahmen die erarbeite Theorie auf konkrete Alltagsszenarien, wie beispielsweise Wahlverhalten bei einem Handyvertrag, an und können sich damit Gesellschaft psychologisch begreifbar machen.

Die Auszeichnung von Prof. Dr. Christina Wessely und Christian Voller in der Kategorie Studierendenvorschläge für das Studienstufen-übergreifende Seminar „Mythos als Medium/ Das Wissen des Mythos“ wurde durch die Studierende Stina Lohmüller entgegen genommen. Ihr zufolge überzeugte die Studierenden in der Lehrveranstaltung insbesondere die offene Austauschkultur über die Bedeutung des Mythos in der Moderne, geprägt durch Dissens und Passion, sowohl seitens der Studierenden aus Bachelor und Master, als auch des Lehrpersonals. Die Veranstaltung, so Lohmüller, habe damit nachhaltig auf die Studierenden eingewirkt.

Weitere Informationen:  Website Lehrpreis

Keynote: Commitment and Community in Liberal Education: Reflections on the Roles of Students and Educators

Prof. Dr. Teun J. Dekker, Vice Dean of Academic Affairs and Professor of Liberal Arts and Sciences Education, Maastricht University

Der zentralen Fragestellung, wie in der heutigen Zeit die gemeinschaftliche Gestaltung von Lehren und Lernen gelingen kann, näherte sich Prof. Dekker in seiner Keynote. Den Einstieg bildete die Frage, warum wir trotz technischer Möglichkeiten wie Online-Vorlesungen oder Feedback mittels künstlicher Intelligenz noch immer Universitäten als Gemeinschaft verstehen, die persönliche Präsenz benötigen.

Die Antwort, so Dekker, liegt in dem Anspruch der Universität, mehr zu sein als bloße Vermittlerin von Wissen und Fähigkeiten. Sie will Studierende darüber hinaus die Möglichkeit bieten, sich zu mündigen Menschen zu entwickeln, die sich selbstbewusst in der Welt bewegen und eine eigene Position sowie Haltung vertreten. Dabei durchlaufen die Studierenden Arbeiten von William Perry zufolge drei Phasen: „Authority“, „Relativism“ und schließlich „Commitment“.

Für die erste Phase bedeutet dies, das Studienanfänger*innen ihre Professor*innen als Autorität wahrnehmen, die ihnen die Wahrheit über die Welt vermitteln:
„One student said: When I went to my first lecture, what the man said was just like God's word, you know. I believed everything he said, because he was a professor, and he's a Harvard professor, and this was, this was a respected position.“

Der Übergang zur zweiten Phase, so Dekker, folge schnell und ginge häufig mit einem Gefühl der Desillusionierung und Verunsicherung einher. Die Studierenden erkennen, dass es nicht die eine Wahrheit gibt, sondern diverse, teils widersprüchliche Ansätze und Meinungen:
„They're supposed to teach you to arrive at more logical conclusions and look at things in a more scientific manner. Actually what you get out of that course is, you get an idea that science is a terrifically confused thing in which nobody knows what's coming of anyway.”

In der dritten Phase entsteht Commitment, verbunden mit der Bereitschaft, Verantwortung zu übernehmen, „to make choices, argue for positions, not as absolute truth, but as a personally held conviction among many other possibilities“.
In diesem Sinn, so Dekker, sei Commitment zudem eine wichtige Grundlage nicht nur für Demokratie, sondern auch, um in einer immer komplexer werdenden Welt zurecht zu kommen und komplexe Probleme zu lösen:
„This means that there will never be easy solutions, by which I mean solutions which makes things better in all respects. Rather, the choices we will face will be hard, in that they will make things better in some ways and worse in others. This means that choices need to be made and justified. Only those who understand their own values will be able to do so in a good way. Those who live in authority will not be able to make hard choices, as they are used to others telling them what to do. Those who live in relativism cannot make choices at all. That is why commitment is so important for solving future problems.”

Universitäre Bildung bedeutet, so Teun Dekker, Studierenden diese Entwicklung von „Authority“ über „Relativism“ bis zu „Commitment“ zu ermöglichen und sie darin zu unterstützen, indem Lehrende weniger als Autorität und mehr als Lernende auftreten, die unterschiedliche Sichtweisen vermitteln, zu ihren eigenen Wissenslücken stehen und die Studierenden mit den Beschränkungen ihrer ursprünglichen Ansichten konfrontieren. Studierenden müssen auf der anderen Seite bereit sein, ihre Komfortzonen zu verlassen, indem sie sich bewusst auf Menschen mit anderen kulturellen und sozialen Hintergründen einlassen und möglichst viele verschiedene Fächer und Disziplinen zu studieren.

Commitment entsteht dann, wenn Studierende bereit sind, sich eine eigene Meinung zu bilden und Position zu beziehen. Lehrende können, so Dekker, Studierende darin unterstützen, indem sie ein gutes Beispiel sind, d.h. selbst eine klare Haltung vertreten, Studierenden dazu ermutigen, ihre Meinungen und Interessen zu äußern und zu diskutieren und ihnen dabei auf Augenhöhe begegnen. Denn, so Dekker, ein guter Lehrer ist immer auch „a student of students“.

Podiumsdiskussion: Commitment and Responsibility in Learning and Teaching

Prof. Teun J. Dekker, Vice Dean of Academic Affairs and Professor of Liberal Arts and Sciences Education, Maastricht University
Prof. Dr. David Loschelder, Lehrpreisträger, Leuphana Universität Lüneburg
Lena Lukow, AStA-Sprecherin, Leuphana Universität Lüneburg
Apl. Prof. Dr. Carola Schormann, Vizepräsidentin für College und Campusleben, Leuphana Universität Lüneburg
Dr. Julia Webersik, Leitung Lehrservice, Leuphana Universität Lüneburg
Prof. Dr. Lin Xie, Lehrpreisträgerin, Leuphana Universität Lüneburg

Moderation: Dr. Steffi Hobuß, Akademische Leiterin des Leuphana College, Leuphana Universität Lüneburg

Zum Auftakt der Podiumsdiskussion wurden zwei mit Lehrpreisen ausgezeichnete Veranstaltungsformate noch einmal näher beleuchtet. Prof. Xie betonte, dass das Konzept von „Operation Research Lab“ das Ergebnis von Wünschen der Studierenden und Unternehmen war. Während es von Studierenden das klare Bedürfnis nach einem stärkeren Praxisbezug der Lehrinhalte gab, war es bei Unternehmen die Frage, wie neue wissenschaftliche Theoriekonzepte dabei helfen können, die eigene Wirtschaftlichkeit zu optimieren. Als logischer Schluss, so Xie, kristallisierte sich das „Operation Research Lab“ als der Schnittpunkt beidseitiger Nachfragen heraus. Prof. Loschelder war es wichtig, die Mauer der Autorität zwischen ihm und den Vorlesungsteilnehmer*innen bewusst einzureißen, indem die Hierarchie zwischen Dozent und Studierenden aufgehoben wird. Dem Vorbild US-amerikanischer Vorlesungen folgend, wurde durch die Verwendung von Musik ein freies Lernumfeld geschaffen, dass die Studierenden auf interaktive Art und Weise einband und so die gewünschte Lernbereitschaft hervorrief.

Prof. Dekker ergänzte seine Aussagen aus der Keynote zur zweiten Phase damit, dass Bildung, verstanden als „Training des Gehirns“, genauso schmerzen muss, wie das Trainieren des Körpers durch Sport. Dabei solle man den Studierenden den nötigen Raum für Fragen bieten und die Gefahr eines „Unconstructive Over-Alignment“ stets im Auge behalten. Gemeint ist das zu enge Ausrichten der Lehre an starren Lernzielen verbunden mit einer vorgefertigten und unflexiblen Gestaltung der Veranstaltung. Dies verhindere, so Dekker, individuellen und vielleicht nicht vorhersehbaren Erkenntnisgewinn und Kompetenzzuwachs wie sie für Bildung im Sinne einer Liberal Education essentiell sind.

AStA-Sprecherin Lena Lukow, die sich selbst in der Phase des „relativism“ einordnet, machte in Bezug auf die vorher genannten Lehrkonzepte den Druck auf Studierende deutlich. Hürden, wie Selbstfinanzierung und der damit verbundene Verzicht auf hohe Studienanteile pro Woche, können dafür sorgen, dass sich Studierende nur auf die besuchten Kurse fokussieren und weniger an Veranstaltungen teilnehmen können, die über das vorgeschriebene Studienprogramm hinausgehen.

Den Abschluss der Diskussion eröffnete die Frage aus dem Plenum, wie der Prozess der Benotung in einem post-autoritären Universitätssystem gestaltet werden könne, um den Zielen innovativen Lehrens gerecht zu werden. Durch die zentrale Bedeutung von Noten hören Lehrende häufig die Frage, was Studierende tun müssten, um eine gute Note zu erhalten. Dr. Julia Webersik sieht hier den Schlüssel in einer klugen und kompetenzorientierten Gestaltung von Prüfungen, bei der die Prüfungen idealerweise als Teil des Lernprozesses zu verstehen seien und nicht als starres Abfragen von Inhalten. Hier läge ihrer Meinung nach eine Stärke des Constructive  Alignment-Ansatzes: Wenn Prüfungen tatsächlich die angestrebten Lernergebnisse (Kompetenzziele) erfassen und die geforderten Kompetenzen und Wissensbestände tatsächlich über geeignete Lehr-/Lernmethoden vermittelt werden, würde sich die Frage nach den Anforderungen für eine gute Note von selbst beantworten.

Pause & Vernetzungsraum mit Poster- und Fotoausstellung

Vielfältige Angebote für Vernetzung und Austausch rund um das Thema Lehre bot die Pause mit einer Poster- und Fotoausstellung. Studierende, Lehrende und Mitarbeiter*innen konnten sich über Lehrentwicklungsprojekte informieren und mit den Verantwortlichen über innovative Lehransätze austauschen.

Alle Poster vom Tag der Lehre finden Sie hier.

Alle Motive der Fotoausstellung "Impressionen" - Vielfalt des Lehrens und Lernens an der Leuphana mit Erläuterungen finden Sie in dieser Dokumentation.

Die Broschüre "Leuphana… auf dem Weg! Projekte zur Lehrentwicklung“ enthält viele der beim Tag der Lehre vorgestellten Lehrentwicklungsprojekte und vertiefende Informationen.

Workshop 1: Die Lehrveranstaltung umdrehen – partizipatives, kompetenzorientiertes, aktives Lernen im Inverted Classroom Model

Dr. Judith Gurr, Referentin für Dialogorientierte Lehre, Leuphana Universität Lüneburg
Caroline Kärger, Referentin für Digitale Lehre, Leuphana Universität Lüneburg
PD Dr. Daniel Lambach, Heisenberg Fellow, Goethe-Universität Frankfurt am Main
Prof. Dr. Silke Ruwisch, Professorin für Mathematik und ihre Didaktik, Leuphana Universität Lüneburg

Das neunzigminütige Impulsforum richtete sich an alle Lehrenden der Leuphana sowie an interessierte Studierende. Die Teilnehmer*innen lernten die grundlegende Idee des Inverted Classroom Modells (ICM) kennen, erhielten Einblicke in Einsatzszenarien an der Leuphana und hatten die Gelegenheit, mit den Referent*innen Voraussetzungen, Stolpersteine, Gestaltung und Methoden des Modells zu diskutieren.

PD Dr. Daniel Lambach, Heisenberg Fellow am Cluster „Herausbildung normativer Ordnungen“ der Goethe-Universität Frankfurt am Main, stellte den ICM-Ansatz vor und führte aus, was studierendenzentrierte Lehre im Inverted Classroom heißt und wie diese gelingen kann. Das Inverted Classroom Modell eröffnet Möglichkeiten für aktives kompetenzorientiertes Lernen in Seminaren und Vorlesungen indem es die üblichen Lernaktivitäten innerhalb und außerhalb einer Lehrveranstaltung umdreht. Die passive Rezeption von Lerninhalten wird in die angeleitete (Online-)Vorbereitungsphase einer Veranstaltung verlagert. Die Präsenzphasen einer Veranstaltung bauen demgegenüber systematisch auf den in der Vorbereitung erworbenen Kompetenzen und Fragen der Studierenden auf, dienen damit der Anwendung und Vertiefung des erworbenen Wissens sowie der Entwicklung anspruchsvollerer Kompetenzen und schaffen Raum für Dialog und Interaktion. Daniel Lambach empfahl u.a. über qualitative bzw. quantitative Zwischen- und Abschlussevaluationen die Einführung invertierter Lehr-/Lernszenarien zu begleiten.

Prof. Dr. Silke Ruwisch, Professorin für Mathematik und ihre Didaktik, Leuphana Universität Lüneburg, bot einen erfahrungsorientierten Input zur Umsetzung des Modells in ihrer Vorlesung zur elementaren Zahlentheorie im Sommersemester 2018. Für die Selbstlernphase produzierte sie Videomaterial, das grundlegende Inhalte vermittelte und Rechenbeispiele zeigte. Die Studierenden konnten diese Aufzeichnungen und Aufgabenblätter über Moodle in den Vorbereitungsphasen abrufen und bearbeiten. In der Präsenzphase wurden die Inhalte vertieft und die Studierenden bei besonders herausfordernden Anwendungsaufgaben unterstützt. Aus den Rückmeldungen der Studierenden und den Beobachtungen der Lehrperson wurde deutlich, dass u.a. eine gute Anleitung der Studierenden in der Selbstlernphase und eine transparente Erwartungskommunikation zentrale Faktoren für eine erfolgreiche Umstellung einer Lehrveranstaltung im klassischen Format zu einem ICM sind.

Basierend auf den verschiedenen Inputs diskutierten die Teilnehmenden im Plenum mit den Referent*innen angeregt über fachkulturelle Unterschiede bei der Umsetzung von ICM, weitere Lessons Learned und wie es gelingen kann, Studierende für das ICM und ein damit einhergehendes eigenverantwortliches Lernen zu motivieren.

Workshop 2: Entwicklung eines Spiralcurriculums – Studienprogramme kompetenzorientiert gestalten

Prof. Dr. Matthias Barth, Studiendekan Fakultät Nachhaltigkeit, Leuphana Universität Lüneburg

Hintergrund
Studierende sollen im Laufe ihres Studiums ein Qualifikationsprofil mit spezifischen Kompetenzen erwerben. Die Definition von Lernzielen erfolgt jedoch zumeist auf Modulebene, indem Lehrende spezifische Lernziele für ihre Lehrveranstaltungen definieren. Dies führt häufig zu einer Kluft zwischen der Mesoebene einzelner Module und der Makroebene von Studienprogrammen, die mithilfe einer kontinuierlichen Kompetenzentwicklung über den Studienverlauf hinweg überwunden werden kann. Dies aufgreifend, besteht die Idee des Spiralcurriculums darin, den Aufbau von Kompetenzen, wie z. B. übergreifende Schlüssel- oder Methodenkompetenzen oder von Fachwissen in für das jeweilige Fach zentrale Themengebiete schrittweise über mehrere Semester systematisch zu planen.

Workshopgestaltung
Im Rahmen des Workshops wurde das Prinzip der spiralcurricularen Studienprogrammentwicklung eingeführt und die Umsetzung am Beispiel des kürzlich überarbeiteten Major Umweltwissenschaften genauer vorgestellt. Hier wurde eine spiralcurriculare Planung für den Aufbau von Fachwissen, Nachhaltigkeitskompetenzen und Academic Skills systematisch umgesetzt.
Zudem haben die Workshopteilnehmer_innen die Möglichkeiten spiralcurricularer Planung an selbstgewählten Beispielen angewandt. Ein Thema war bspw. Inklusion bzw. der Umgang mit Heterogenität im Unterricht, der in den Curricula der Bachelor- und Masterprogramme des GHR-Lehramtes eine wichtige Rolle spielt. Definiert wurden zunächst Kompetenzen, die mit Abschluss des Studiums bei den Absolvent*innen vorliegen sollten, ehe dann der schrittweise Kompetenzaufbau im Curriculum verortet wurde.


Literatur
Harden, R. M. (1999). What is a spiral curriculum?. Medical teacher, 21(2), 141-143.
Knight, P. T. (2001). Complexity and curriculum: a process approach to curriculum-making. Teaching in higher education, 6(3), 369-381.
Fry, H., Ketteridge, S., & Marshall, S. (Eds.). (2008). A handbook for teaching and learning in higher education: Enhancing academic practice. Routledge.
O’Neill, G. (2015). Curriculum Design in Higher Education: Theory to Practice, Dublin: UCD Teaching & Learning.

Workshop 3: Nicht für, sondern durch Prüfungen lernen – Portfolioprüfungen als innovatives Prüfungsformat

Dr. Martina Oster, Dipl. Kulturwissenschaftlerin und Wissenschaftliche Mitarbeiterin, HAWK Hildesheim

Die nachfolgende Dokumentation inkl der Abbildungen können Sie als PDF hier downloaden.

Agenda

  1. Vorstellungsrunde und Erwartungen
  2. Einbettung: Diskurs zu Prüfungen (an der Leuphana)
  3. Erfahrungsaustausch Spannungsraum Lehren - Prüfen
  4. Kurzvortrag Portfolio
  5. Diskussion
  6. Abschlussrunde

1. Erwartungen der Teilnehmenden
Als Zielsetzung für die Teilnehmenden stellte sich vor allem heraus, genauere Information über Portfolio in der universitären Lehre im Allgemeinen zu erhalten und Antworten auf die Frage zu finden, inwiefern und in welcher Form (Reflexionsinstrument oder Prüfungsformat) sich das Portfolio in ihre Lehre oder in den Diskurs über Lehre und Prüfung konstruktiv einbringen lassen könnte.

2. Einbettung in den Diskurs über Prüfungen
Ein Problem an konventionellen Prüfungsformaten besteht darin, dass Studierende ihren Lernprozess nicht nach ihrem persönlichen Lernerfolg oder ihren Potentialen ausrichten, sondern nach der Prüfung. Wie Inhalte, Lehr- und Lernmethoden sowie die Prüfung besser aufeinander abgestimmt werden können, wird im Kontext des Constructive Alignment-Konzepts diskutiert. Auch an der Leuphana findet ein statusgruppenübergreifender Diskurs zur Prüfungskultur statt. Die im Rahmen des Präsidiums-Studierenden-Workshops 2018 erarbeiteten Thesen zu Prüfungen sollen für die Arbeit im Workshop als Inspiration und Anknüpfungspunkt dienen.

3. Erfahrungsaustausch zu eigenen Prüfungserfahrungen
Im Think-Pair-Share sollten die Teilnehmenden im nächsten Schritt ihre eigenen Prüfungserfahrungen reflektieren: Haben sie in einer Prüfung etwas gelernt, auf welcher Ebene (fachlich, methodisch, Selbstreflexion, …) hat das Lernen stattgefunden und was waren förderliche Bedingungen für diesen Lernprozess?

4. Input der Referentin
Das Portfolio ist ein vielfältiges Instrument und lässt sich auf unterschiedlichste Zwecke, Bedürfnisse und Ziele zuschneiden. Ein zentraler Aspekt bleibt dabei die Reflexion als Herzstück des Portfolios. Selbstreflexion und Feedback werden immanenter Lerninhalt. Feedback und die die Art des Feedbacks können hierbei für Lehrende und Studierende neue Möglichkeitsräume eröffnen: Peer-Feedback; Unterscheidung zwischen Wertschätzung der Arbeit, Rückmeldung und Benotung; personelle Entkopplung von Lernbegleiter_in und Prüfer_in; …
Bei der Auswahl der Art des Portfolios ist die Frage zentral, ob der Prozess oder das Produkt der Schwerpunkt der Arbeit sein soll. Bei ersterem geht es eher darum, die Entwicklung, den Lern- und Erkenntnisprozess des/ der Studierenden zu dokumentieren und damit zu unterstützen – es wird ein zensurfreier Raum geschaffen, der Selbstbestimmung und individuelles lernen und reflektieren ermöglicht. Das Portfolio als Produkt dagegen kann als Prüfungsleitung zur Bewertung dienen und setzt, um bewertbar zu sein, klarere formale und inhaltliche Vorgaben.

5. Diskussion

  • Die Frage nach einem „sinnvollen Reflexionsprozess“ und „gutem Feedback“, bzw. der Frage, wie man Studierende dazu motivieren kann, setzt auch über die Frage des Prüfungsformats hinaus Impulse für die eigene Lehre.
  • Die eigenen Lernfortschritte und die Prozesshaftigkeit des Lernens in den Mittelpunkt zu stellen, schafft neue Perspektiven.
  • (Selbst-)Reflexion im Seminar und für die Studierenden selbst ist wichtig, sollte aber auch über den Seminarkontext hinaus an anderen Stellen des universitären Lebens und Arbeitens Raum und Anerkennung finden. Einer sich durchziehender Fokus auf (Best-)Noten (von der Zulassung zum Bachelor bis hin zur Promotionsstelle) nimmt den Raum für Offenheit und Wertschätzung anderer Fähigkeiten und Kompetenzen.
  • Im Kontext der Unterscheidung von Prozessdokumentation oder bewertbarem Produkt stellt sich auch die Frage nach der Notwendigkeit oder Sinnhaftigkeit von Noten im Allgemeinen.

6. Learnings der Teilnehmenden

  • Frage mitnehmen: Wie können Studierende Reflexion erlernen?
  • Differenzierung zwischen Lerncoach und Prüfender/m weiterdenken
  • Es gibt nicht nur klassische Prüfungsformate
  • Die Selbstreflexion eigener Erfahrungen ist ein guter Impuls zu Auseinandersetzung mit der eigenen Eistellung zu Prüfungen
  • Impulse zum Nachdenken über neue Optionen für eigene Lehre
  • „Ich bin heute unglaublich viel schlauer geworden“  größere Learning als sonst in Workshops mit vergleichbarem Zeitrahmen
  • Die Reflexion von Rollenkonflikten ist sinnvoll und ein hilfreicher Impuls auch für die Arbeit in der Vermittlung zwischen verschiedenen Statusgruppen der Universität
  • Anregungen zur Umsetzung in der eigenen Lehre

Workshop 5: Gemeinsam Lehre gestalten – Aspekte, Akteure und Agenda einer Leuphana-Studienkultur

Karsten Stempel, Referent für Inter- und transdisziplinäre Lehre, Leuphana Universität Lüneburg
Dr. Mareike Teigeler, Referentin für Qualitätsmanagement, Leuphana Universität Lüneburg

Nach einer kurzen Begrüßung und einer Vorstellung der Teilnehmenden wurde kurz von den Workshop-Leitenden in die Veranstaltung eingeführt.

  • Fokus des Workshops: Studienkultur

Es folgte eine Vorstellung der Zwischenbefragung des College aus dem Jahre 2018 zu den Themen der Studienbedingungen im Allgemeinen, der Erwartungen vor dem Studienbeginn, der Studienerfahrung im 4. Semester sowie der Bewertung des Studieneinstieges.

  • Die gesamte Lehrsituation wird leicht verhalten bis positiv bewertet
  • Unterstützt durch die im 4. Semester hohe Identifikation mit dem Fach (Rückfrage warum gerade die Zwischenbefragung hierfür verwendet wurde)
  • Fächerübergreifende Elemente werden eher negativ bewertet

Dieser Input wurde in die Gruppenarbeit im Plenum gegeben.

  • Möglicherweise wäre eine Befragung von Studierenden aus dem Arbeitsleben eine interessante Quelle
  • Das vierte Semester wurde allgemein als Krise mit dem Studium wahrgenommen und könnte insofern ein ungünstiger Zeitpunkt für eine Befragung sein
  • Ein zentrales Problem scheint die zeitliche und ökonomische Dimension des Studiums  zu sein

Unter der Frage „Wie lässt sich Lehre an der Leuphana so gestalten, dass fachliche und fachübergreifende Elemente korrespondieren?“ teilte sich der Workshop in drei Arbeitsgruppen ein. Vorschläge bzw. Ergebnisse zu den ersten beiden Perspektiven wurden auf Karten gesammelt und auf Stellwänden gruppiert (siehe Verlinkung auf die Fotos). Die letzte Perspektive musste aus Zeitgründen ausgelassen werden.

Dies ist die Präsentation zum Workshop 5.

Abschlussreflexion im Improvisationstheater

Das Trio von „Schmidt’s Katzen“ begleitete den Tag der Lehre und spiegelte den Teilnehmer*innen zum Abschluss des Programms seine Eindrücke. Auch wenn die unterhaltsame Show keine klassische Zusammenfassung darstellte, so bot sie dennoch eine breite Reflexion der Inhalte. Schlagworte und Themen, die über den Tag immer wieder auftauchten, zogen sich wie ein roter Faden auch durch die amüsanten Darbietungen, die u.a. als „Lehre-Slam“, Improvisationsszenen, musikalischen Einlagen und Genre-typischen Literaturepisoden präsentiert wurden. Zitate wie „Das Wort des Professors ist gottesgleich“ sorgten zwar für herzhaftes Lachen, schlugen zugleich aber auch den Bogen zur Keynote und gaben damit auch Anlass zum Nachdenken über das, was von diesem Tag der Lehre in Erinnerung geblieben ist.

Weitere Informationen: www.schmidtskatzen.de