Debattenkulturen gewinnen unter den gegenwärtigen Bedingungen der Globalisierung, Pluralisierung und Digitalisierung an Relevanz. Vor diesem Hintergrund möchte das forschungsbasierte Lehrprojekt die theoretische Ausarbeitung von Debattenkulturen schärfen und in die universitäre Lehre integrieren. Zwischen wissenschaftlicher Reflexion und anwendungsorientierter Lehrpraxis werden in der dreijährigen Projektlaufzeit sowohl theoretische Grundlagen als auch adäquate Präsenz- und digitale Formate entwickelt und ins reguläre Lehrangebot implementiert. Ziel ist es, den Leuphana Bachelor als Studienprogramm durch fächerübergreifende Studienelemente zur „Debattenkultur“ auf konzeptueller und curricularer Ebene weiterzuentwickeln. Auf diese Weise sollen nachhaltige Strukturen aufgebaut werden, wenn die vorgesehenen Maßnahmen über die Projektlaufzeit hinaus bestehen bleiben. Das Vorhaben wird gemeinsam mit Fachreferent*innen des Colleges und des Lehrservices sowie den Fakultäten und angrenzenden Institutionen wie dem Schreibzentrum durchgeführt. Die Ergebnisse werden in einer Publikation dokumentiert und von einer internationalen Konferenz begleitet.

Die Aktivitäten des Projekts sind auf die gegenseitige Verschränkung von Theorie und Praxis ausgerichtet: Seminare werden beispielsweise zu „Experimentierräumen“, in denen Lehrende und Expert*innen aus der Praxis gemeinsam mit Studierenden Lehr- und Lernformate auf Basis von philosophisch-soziologischen Konzepten entwickeln, erproben und evaluieren, um sie im Leuphana Bachelor nachhaltig zu implementieren. Das Begriffstrias „Rhetorik – Performanz – Medialität“ bildet dabei die theoretische Grundlage, von der aus Debatten und ihre Kulturen in den Blick genommen werden. Vollzieht sich die politische Meinungsbildung überwiegend sprachlich, werden sowohl Positionen gesetzt und Argumente ausgetauscht als auch machtvoll eingesetzt. Davon ausgehend kann Rhetorik im Unterschied zum klassischen Verständnis als performativer Sprechakt begriffen werden. Entsprechend können sowohl die Materialität und historisch-kulturelle Bedingtheit als auch körperliche Dimensionen etwa Affekt und Emotion in die Beobachtung einbezogen werden. Entsprechend wird gefragt: Welche Verfahren und Strategien kommen zum Einsatz und welche Effekte bringen sie hervor? Wie wirken sich die Orte respektive die spezifische Medialität auf Debatten respektive das Debattieren aus?

Für die Umsetzung im Leuphana Bachelor sind zwei Themenkomplexe geplant: Reflexion von Öffentlichkeit und Diskurs sowie Reflexion von Medien und der eigenen Schreibpraxis. Ausgehend von der Vorstellung der Konstruktion von Wissen im universitären Lernen und Lehren geht es im Unterschied zu klassischeren Ansätzen nicht allein um das Erlernen von Argumentations- und Überzeugungstechniken oder Arbeitstechniken und Methoden des wissenschaftlichen Schreibens bzw. die Beurteilung eines fertigen Schreibprodukts noch um die Erlernung von Präsentations- und Moderationstechniken bzw. Techniken des Managements. Die Studierenden lernen vielmehr verschiedene Formen der Wissensproduktion und Wissensvermittlung selbstständig einzuordnen und kritisch zu reflektieren, letztlich verantwortungsvoll zu nutzen und auch selbst zu produzieren. Wird Wissen erst im Sprechen, Schreiben und Zeigen unter spezifischen Bedingungen hergestellt, entfaltet sich eine kritische Perspektive, die auf die Produktion von Wissen selbst verweist. Der methodisch-didaktische Ansatz zeichnet sich dann dadurch aus, dass Wissensproduktion nicht in dem Sinn verstanden werden, als das Wissen durch Bildung vermittelt und angehäuft wird. Wissen wird in (Selbst-)Bildungs- und Erfahrungsprozessen vielmehr affektiv-reflexiv hergestellt bzw. im Vollzug angeeignet.

Das Projekt zielt auf die nachhaltige Förderung des Reflexions-/Debattiervermögens über die fachliche Fähigkeit hinaus und möchte das Bewusstsein der Studierenden für die sozialen, kulturellen und ökonomischen Bedingungen stärken, die im 21. Jahrhundert nicht nur komplex – Stichwort Vielfalt, Heterogenität, Diversität und Gender –, sondern auch in Verhandlung begriffen sind – Stichwort Rechtspopulismus, Fake-News und Identitätspolitik. Es möchte eine Grundlage bilden sowohl Differenzen erkennen und denken zu können als auch für die historische Bedingtheit von Wissen und die Vielheit an Wahrheiten und Perspektiven sensibilisieren. Die angestrebte Didaktik bildet die Bedingung der Möglichkeit zum Debattieren und Diskutieren respektive zum Eintreten in bestehende Diskurse und Situationen mit dem Ziel der aktiven Veränderung durch Bildung – gegen totalitäre Weltentwürfe und für einen Aushandlungsprozess zwischen den Kulturen.

Weitere Informationen zum Projekt finden Sie hier.

Einrichtung: Leuphana College

Projektbeginn: 01.05.2019
Projektende: 30.09.2022

Tagung: „Debatten der Gegenwart. Öffentlichkeiten im politischen und medialen Wandel“

Vom 6. bis 8. Mai findet eine von Simone Jung (Lüneburg), Miira Hill (Bremen) und Victor Kempf (Berlin) organisierte Tagung zu „Debatten der Gegenwart. Öffentlichkeiten im politischen und medialen Wandel“ statt. Die interdisziplinär ausgerichtete Tagung fokussiert die Entgrenzung von Öffentlichkeit und fragt nach den Bedingungen, Möglichkeiten und Effekten der Herstellung von (politischen) Öffentlichkeiten angesichts dieses Phänomens. Das vollständige Programm findet sich hier. Die Tagung findet via Zoom statt; wer teilnehmen möchte, kann sich bis zum 5. Mai anmelden.

Lehre: Komplementärprofil Debattenkulturen und Kritk (DeKri)

Im Wintersemester 2020/21 ist das Komplementär-Profil "Debattenkulturen und Kritik" (DeKri) gestartet. Informationen dazu finden Sie hier.

Hierzu sind Lehrvideos zum Debattieren in Orientierung an Jürgen Habermas bzw. Chantal Mouffe sowie Leitfäden zum Thema "Miteinander reden", "Mit Rechten reden" und "In sozialen Netzwerken reden" entstanden. Falls Sie Interesse am Einsatz von Lehrmaterialien haben, schreiben Sie bitte eine Nachricht an dominik.lalka@stud.leuphana.de.

Sprechstunde: "Wie Sprechen?"

Sprache ist Macht - Stichwort Cancel Culture, Safe Spaces, Political correctness. Deshalb bietet die Sprechstunde einen Raum an, in dem problematische Konstellationen im Umgang mit anderen behandelt werden können. Dies kann sowohl das Seminar und die Universität oder den eigenen Alltag betreffen. Werden im Seminar bestimmte Diskussionen zu Rassismus, Gender, Populismus nur verkürzt oder gar nicht geführt? Lesen Sie in der Zeitung oder im Netz Debattenbeiträge und möchten darüber diskutieren? Sehen Sie ein Mangel an Debattenkulturen an der Universität und haben Ideen diese zu verstärken?

Die Anmeldung zur Sprechstunde erfolgt über myStudy bei Dr. Simone Jung.

Ansprechpersonen

Dr. Steffi Hobuß
Universitätsallee 1, C8.117
21335 Lüneburg
Fon +49.4131.677-2763
steffi.hobuss@leuphana.de

Lena Eckert
Universitätsallee 1, C8.101a
21335 Lüneburg
Fon +49.4131.677-1797
lena.eckert@leuphana.de