Ringvorlesung [Un]bedingte Bildung

WiSe 2018/19 | montags 16:15-17:45 Uhr | Raum C40.256

 

Was ist das Ziel von Hochschulbildung? Geht es um Kompetenzerwerb, Wissensaneignung, Persönlichkeitsentwicklung, Capabilities, Employability? Sind Bildung und Kompetenzen das Gleiche? Und wie wollen wir Studium und Lehre an der Leuphana gestalten? Was braucht es, damit das Studium Bildung ermöglicht? Kann Bildung überhaupt ein festes Ziel haben oder verweist der Begriff eher auf einen andauernden, potenziell unbestimmten Entwicklungsprozess? Liegt möglicherweise eine Bedingung von Bildung in ihrer Unbedingtheit?

Seit der Jahrtausendwende dominieren Begriffe wie Kompetenzorientierung, Modularisierung, Messbarkeit in Workload und Creditpoints, Vergleichbarkeit und Qualitätsentwicklung die Diskussion um das Studium. In den letzten Jahren hat der Bund massiv in die Verbesserung der Qualität von Lehre und Studium investiert: Lehre soll weiterentwickelt werden, Lernen und Kompetenzerwerb im Zentrum stehen, nicht Lehren und Inhalte - ein Wechsel von der Input- zur Outputorientierung, ein shift from teaching to learning, aber auch vom Begriff der Bildung zu dem des Lernens. Die diskursiven Bezugspunkte haben sich verschoben. Während psychologische Lerntheorien, quantitativ orientierte Lernforschung und administrative Aspekte an Bedeutungen gewonnen haben, finden Positionen der Bildungstheorie weniger Berücksichtigung.

Doch sind Lernen und Bildung das Gleiche? Lässt sich der Erwerb von Kompetenzen aus bildungstheoretischer Perspektive als Bildung verstehen? Welcher Blick auf das Studium ergibt sich, wenn Bildung als Neukonfiguration der Welt- und Selbstverhältnisse (Koller) verstanden wird?

Die Ringvorlesung eröffnet Perspektive der Bildungstheorie auf universitäre Bildung und lädt zur Diskussion ein, wie wir an der Leuphana Studium und Lehre, Lernen und Bildung denken und gestalten wollen. Welche Bedingungen und Unbedingtheiten erachten wir als wichtig? Welche Bedeutung haben Kompetenzorientierung und humanistisches Bildungsideal im Studium der Leuphana und stehen beide tatsächlich in einem solch großen Spannungsverhältnis, wie es in hochschulpolitischen Diskussionen oftmals den Anschein hat? Welche Aporien und Paradoxa sind mit Bildungsvorhaben verbunden?

Aufgegriffen werden dabei die fünf Interaktionsfelder des Leuphana-Lehrprofilsdialog-,diversitäts-, erfahrungsorientierte, digitale und inter-/transdisziplinäre Bildung.

Die Ringvorlesung ist öffentlich und richtet sich an alle Hochschulmitglieder sowie sonstige Interessierte, eine Anmeldung ist nicht erforderlich. Die Programmübersicht finden Sie in der rechten Spalte, Abstracts zu den Beiträgen unten.

Bachelor-Studierende können die Ringvorlesung in Kombination mit dem Begleitseminar auch als reguläre Lehrveranstaltung des Komplementärstudiums besuchen. Melden Sie sich dazu über Mystudy an.

Abstracts

  • 29.10.2018 Bildung als Transformation der Selbst- und Weltverhältnisse
  • 10.12.2018 Bildung und digitale Medien – Widerspruch oder vielversprechende Symbiose?
  • 26.11.2018 Umschwärmte Bildung, verkanntes Lernen. Betrachtungen vom Standpunkt der Erfahrung
  • 07.01.2019 Inter-/Transdisziplinäre Bildung: Komposition des Getrennten
  • 21.01.2019 Bildung und Kompetenz: Gemeinsamkeiten, Grabenkämpfe, Leerstellen – ein Dialog
  • 28.01.2019 Beitrag von Studierenden FÄLLT AUS!
  • 28.11.2018 (Mittwoch, 14:30 Uhr) Commitment and Community in Liberal Education: Reflections on the Roles of Students and Educators

Abstracts

29.10.2018 Bildung als Transformation der Selbst- und Weltverhältnisse

Prof. Dr. Hans-Christoph Koller, Universität Hamburg

Das Leitbild universitärer Lehre der Universität Hamburg beschreibt „Bildung durch Wissenschaft“ als Ziel akademischer Lehre. Doch was genau ist dabei unter „Bildung" zu verstehen? Welches Verständnis von Bildung kann bei der Planung und Gestaltung universitärer Lehre als Orientierung dienen? Und wie kann das Studium einer Wissenschaft zu Bildung beitragen? Der Vortrag wird ausgehend von der klassischen Bildungstheorie Wilhelm von Humboldts eine Neufassung des Bildungsbegriffs vorschlagen, die Bildung als Transformation der Art und Weise versteht, in der Menschen sich zur Welt, zu anderen und zu sich selbst verhalten, und die erforderlich wird, wenn Menschen mit neuartigen Problemen konfrontiert werden, für deren Bearbeitung ihr bisheriges Welt- und Selbstverständnis nicht mehr ausreicht. Daran anknüpfend soll erörtert werden, wie ein wissenschaftliches Studium aussehen müsste, das solche Transformationsprozesse ermöglicht und unterstützt.

Einführung

26.11.2018 Umschwärmte Bildung, verkanntes Lernen. Betrachtungen vom Standpunkt der Erfahrung

Prof. em. Dr. Käte Meyer-Drawe, Ruhr-Universität Bochum

Dass Wissenschaft zu einer wirtschaftlichen Produktivkraft geworden ist, dass bloße Scheinwissenschaften voranschreiten, ist Anlass genug, um sich der Bedeutung von Bildung und Lernen im universitären Leben zu vergewissern. Vom Standpunkt der Erfahrung sind Bildung und Lernen nicht dasselbe. Manöver, das eine durch Zurücksetzung des anderen aufzuwerten, verschenken die Möglichkeit, beide Prozesse in ihrer Eigentümlichkeit zu betrachten und im Sinne von wahrheitsorientierter Wissenschaft und Erkenntnis zur Geltung zu bringen. Lernen zielt dabei als Erfahrung auf die virtuose Beherrschung unterschiedlicher Perspektiven, Bildung auf einen souveränen Umgang mit grundsätzlichen Ungewissheiten. Lernen gehört zu den elementaren Erfahrungen des Menschen. Es wird, wenn damit ein neuer Horizont eröffnet wird, als schmerzhafte Umkehr erlebt, in der eine Wiederbetrachtung, eine Revision statthat, die nicht nur das eigene Wissen, sondern die eigene Person in Frage stellt. Bildung meint eine stets revidierbare Haltung zur eigenen Verhältnishaftigkeit und damit eine grundsätzliche Skepsis gegenüber den eigenen Einschätzungen. Sie ist das wirkungsvollste Mittel gegen die Tyrannei von Ressentiments und damit unverzichtbar für das Profil einer zeitgemäßen Universität.

Interaktionsfeld erfahrungsorientierte Bildung

28.11.2018 (Mittwoch, 14:30 Uhr) Commitment and Community in Liberal Education: Reflections on the Roles of Students and Educators

Prof. Teun J. Dekker, Maastricht University

One of the central goals of liberal education is to allow students to develop commitments to ideas, values and ways of life. This cultivation of commitment is crucial in the economic, the civic and the personal domain. However, it cannot be taught in the same way knowledge and skills are: teachers cannot give lectures about what students' commitments should be and students cannot learn commitment from a book. Rather, it can only develop in the context of an academic community, in which students and educators collaboratively explore differences and find themselves in the other. Sustaining such a community requires educators and students to fulfil certain roles. In this lecture, we will explore what those roles are, what kinds of behaviour they require and how we can encourage members of an academic community to live up to them.

Mehr zum Tag der Lehre am 28.11.2018

im Rahmen des Tags der Lehre

10.12.2018 Bildung und digitale Medien – Widerspruch oder vielversprechende Symbiose?

Dr. Claudia Grüner, FernUniversität Hagen

Die Debatte um die Digitalisierung der (Hochschul-)Bildung ist alltagssprachlich geprägt von Schlagwörtern und einer technologischen Perspektive und auch in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zeigen sich Einseitigkeiten und eine teils unscharfe Terminologie. Die Bildungsrevolution wird ausgerufen, im Kern geht es jedoch um die Begriffe Lernen und Kompetenz sowie um messbaren und analytisch verwertbaren Output von Lernenden. Bildung im humboldtschen Sinne, als reflexive Auseinandersetzung mit sich selbst und der Welt, wird nur noch am Rande thematisiert. Dimensionen des Bildungsverständnisses, wie etwa das Begreifen von Bildung als Verzögerung und Innehalten statt als sofortiger Reaktion (Dörpinghaus), scheinen sich im Prozess der Digitalisierung aufzulösen.

Ist der traditionelle Bildungsbegriff damit obsolet? Ist er ab sofort durch Lernen und Kompetenz zu ersetzen? Steht der klassische Bildungsbegriff vielleicht sogar im Widerspruch zu den durch die Digitalisierung ausgelösten Veränderungen? In seiner 250-jährigen Geschichte war der Bildungsbegriff häufigem Wandel unterzogen und ist auch jetzt wieder neu zu denken. Doch auch wenn vertraute Dimensionen aktuell zu verblassen scheinen, kann noch längst nicht von einer Auflösung des Bildungsbegriffs gesprochen werden. Vielmehr ist zu hinterfragen, ob Digitalisierungsprozesse nicht auch eine Möglichkeit bieten, Bildung wieder in den Vordergrund zu rücken und ob es gelingen kann, virtuelle Räume so zu gestalten, dass sie bildende Erfahrungen und reflexive Auseinandersetzungen mit sich selbst und der Welt ermöglichen. Diesen Fragen soll im Vortrag nachgegangen werden.

Interaktionsfeld digitale Bildung

07.01.2019 Inter-/Transdisziplinäre Bildung: Komposition des Getrennten

Prof. Dr. Rita Casale, Bergische Universität Wuppertal

Der Vortrag beschäftigt sich mit der Möglichkeit, heute an der Universität Räume und Formate zu  entwickeln, in denen das Getrennte gemeinsam und in fachübergreifendem Gespräch komponiert werden kann, in denen Wissenschaftler und Wissenschaftlerinnen die Grenzen ihrer Expertisen und Spezialisierungen mit Studierenden und Dozierenden zum Gegenstand der Analyse machen. Es wird gefragt, welche Begriff der Bildung und welche Idee der Universität dieser Möglichkeit zugrunde liegen kann.  Vorgeschlagen wird die Idee einer Bildung des Gemeinsamen, die sich zugleich mit der Frage nach dem freien Zugang zum Wissen und mit dem erkenntnistheoretischen Zugang zum Wissen selbst befasst. Während der freie Zugang zu den Bildungsinstitutionen und dem im Netz verfügbaren Wissen oft diskutiert wird, wird dagegen der Wissensform, die über den formalen Zugang hinaus allgemeine Sachverhältnisse erschließen könnte, keine große Aufmerksamkeit geschenkt. Zu diskutieren sein wird, inwiefern Bildung die Erschließung einer Logik des Gemeinsamen beinhalten könnte, die weder die idealistische Subsumtion der Moderne voraussetzt noch bei der postmodernen Disjunktion bleibt; inwiefern sie als Aneignung einer geteilten Welt in ihrer historischen Konkretion, d. h. in ihrer pluralen Gestaltung zu begreifen verstanden werden kann.

Rita Casale ist Professorin für Allgemeine Erziehungswissenschaft/Theorie der Bildung an der Bergischen Universität Wuppertal. Derzeit arbeitet sie an einer Geschichte des Bildungsbegriffs nach 1945 und leitet ein DFG gefördertes Forschungsprojekt zum Wandel des Studiums Generale in der BRD nach 1945. Ihre Publikationen erstrecken sich über den Bereich der pädagogischen Historiographie, feministischen Theorie und Geschichte, des politischen und pädagogischen Denken in der Moderne sowie den der zeitgenössischen Philosophie (Phänomenologie und Poststrukturalismus). Ihr Weg nach Wuppertal führte sie über zahlreiche europäische Stationen, darunter Bari, Paris, Zürich und Wien.

Interaktionsfeld inter-/transdisziplinäre Bildung

21.01.2019 Bildung und Kompetenz: Gemeinsamkeiten, Grabenkämpfe, Leerstellen – ein Dialog

Prof. Dr. Cornelie Dietrich, Prof. Dr. Timo Ehmke, Leuphana Universität Lüneburg

Lange Zeit stellte der (Humboldtsche) Bildungsbegriff einen zentralen Ankerpunkt in Diskussionen um universitäre Bildung dar. Im Zuge der Bologna-Reform und im Fahrwasser der Diskussion von Schulleistungsstudien wie PISA hat der Begriff der Kompetenz massiv an Bedeutung gewonnen. Heute dient vielen Hochschulen Kompetenzorientierung als leitendes Paradigma, der Bildungsbegriff dagegen wird nicht selten als überholt kritisiert und ihm ein elitäres Bildungsverständnis vorgeworfen. Kritik am Kompetenzparadigmas dagegen beklagt dessen zu starke Employability-Orientierung und ist skeptisch gegenüber Versuchen, Kompetenzen zu standardisieren und die Ergebnisse des Hochschulstudiums messbar zu machen.

Während die Diskussion hochschulpolitisch oft recht polarisiert geführt wird, ist die erziehungswissenschaftliche Auseinandersetzung mit den Begriffen Bildung und Kompetenz differenzierter. Der Vortrag gibt Einblick in Perspektiven der Erziehungswissenschaft und bringt Positionen der Bildungstheorie und der empirischen Bildungsforschung in Dialog, um zu fragen, was die Stärken der jeweiligen Begriffe sind, inwieweit sie kompatibel sind oder in Spannung zueinander stehen.

Begriffe im Dialog

28.01.2019 Beitrag von Studierenden FÄLLT AUS!

Dieser Beitrag fällt bedauerlicherweise aus.

studentische Perspektiven

 


 

29.10.2018
Bildung als Transformation der Selbst- und Weltverhältnisse

Prof. Dr. Hans-Christoph Koller
Universität Hamburg

26.11.2018
Umschwärmte Bildung, verkanntes Lernen. Betrachtungen vom Standpunkt der Erfahrung

Prof. em. Dr. Käte Meyer-Drawe
Ruhr-Universität Bochum

28.11.2018 (heute 14:30 Uhr)
Commitment and Community in Liberal Education: Reflections on the Roles of Students and Educators
Prof. Teun J. Dekker
Maastricht University
im Rahmen des Tags der Lehre

10.12.2018
Bildung und digitale Medien – Widerspruch oder vielversprechende Symbiose?
Dr. Claudia Grüner
FernUniversität Hagen

07.01.2019
Inter-/Transdisziplinäre Bildung: Komposition des Getrennten
Prof. Dr. Rita Casale
Bergische Universität Wuppertal

21.01.2019
Bildung und Kompetenz:
Gemeinsamkeiten, Grabenkämpfe, Leerstellen
– ein Dialog
Prof. Dr. Cornelie Dietrich
Prof. Dr. Timo Ehmke
Leuphana Universität Lüneburg

28.01.2019 FÄLLT AUS!
Beitrag von Studierenden

Lehrprofil der Leuphana

Lehrentwicklung durch 5 Interaktionsfelder: Die Leuphana entwickelt ihr Lehrprofil entlang von fünf Interaktionsfeldern weiter. Die Ringvorlesung greift diese auf und diskutiert sie aus bildungstheoretischer Perspektive.

Mehr zu den Interaktionsfelder:
– Dialogorientierte Lehre
– Digitale Lehre
– Diversitätsorientierte Lehre
– Erfahrungsorientierte Lehre
– Inter- u. transdiszip. Lehre

Organisation & Kontakt

Verena Eickhoff
Lehrservice

Die Ringvorlesung wird vom Lehrservice im Rahmen des Projekts Leuphana auf dem Weg organisiert.