Folge des Lockdowns: „Gewerbliche Mieten müssen nicht gezahlt werden“

14.06.2021 Die behördlichen Ladenschließungen haben bei vielen Geschäftsleuten für herbe Einbußen gesorgt. Dennoch mussten Pacht und Miete weitergezahlt werden. „Zu Unrecht“, sagt Dr. Alexander Schall. Der Professor für Deutsches, Europäisches und Internationales Privat- und Unternehmensrecht stellt jetzt in der Juristenzeitung seine Argumentation vor.

Prof. Dr. Alexander Schall ©Leuphana/Brinkhoff/Mögenburg
„Die Last liegt immer beim Vermieter. Für die Geschäftsleute sind die Ladenschließungen existenzbedrohend, den Vermietern bleibt der Besitz.“
Herr Professor Schall, als Adidas zu Beginn des ersten Lockdowns keine Miete mehr zahlen wollte, intervenierte das Justizministerium und fordert zur Weiterzahlung auf. Zu Recht?
Nein, denn die Gebrauchsgewährpflicht liegt beim Vermieter. Sie endet nicht mit der Schlüsselübergabe zu Beginn der Vermietung, sondern dauert das ganze Mietverhältnis lang. Verordnen Behörden Ladenschließungen, können die Vermieter den Gebrauch nicht mehr gewähren – und der Mieter muss nicht mehr zahlen. Die Pflicht entfällt nur nicht, wenn der Grund in der Person des Mieters liegt. Sie das Ladenlokal also etwa nicht mehr nutzen kann, weil sie im Krankenhaus liegt oder im Gefängnis sitzt.
Aber der Vermietende kann doch auch nichts für die behördlichen Ladenschließungen?
Richtig, es besteht höhere Gewalt. Es ist unmöglich geworden, die Leistung zu erbringen. Aber wenn der eine nicht liefern kann, muss der andere auch nicht zahlen. Stellen Sie sich vor, Sie bestellen bei einem Händler eine antike Vase. Auf dem Transportweg geht sie kaputt. Der Händler kann keinen Ersatz liefern, weil es sich um ein Unikat handelt. Der Käufer muss nichts zahlen, die Last liegt beim Verkäufer. Oder nehmen Sie den sogenannten Karnevalszugfall: Jemand vermietet in Köln einen Fensterplatz mit guter Sicht auf den Rosenmontagszug. Wegen eines Unwetters fällt dieser nun aus. Die Leistung - also der Fensterplatz mit guter Sicht auf die Straße - kann weiter erbracht werden, aber sie ist sinnlos geworden. Niemand wird sich statt des Karnevalszuges gern den Berufsverkehr im Regen ansehen. Der Mieter des Fensterplatzes muss nichts bezahlen. Diese Wertung haben Gerichte bei den gewerblichen Mieten während der behördlichen Ladenschließungen in der Corona-Krise bisher übersehen.
In der Corona-Krise erhalten die Geschäftsleute Staatshilfen. Müssen diese dann für die Miete verwendet werden?
Das ist die Logik dahinter: Wer staatliche Hilfen bekommt, muss damit auch die Miete zahlen. Deswegen kann er die Miete nicht kürzen. Aber rechtlich sehe ich das völlig anders. Wenn die Unmöglichkeit greift, müssen die staatlichen Hilfen nicht in die Mieten gesteckt werden. Teilweise wird auch argumentiert, die Geschäftsleute müssten ihre Reserven aufbrauchen. Wir gefährden mit solchen Ansichten die Existenz der Läden. Irgendwann haben wir dann nur noch Ein-Euro-Shops in den Innenstädten. Das Oberlandesgericht Dresden hat immerhin entschieden, dass sich Mieter und Vermieter die Kosten teilen müssen. Aber eigentlich sind diese Einzelfallentscheidungen nicht richtig. Die Last liegt immer beim Vermieter. Für die Geschäftsleute sind die Ladenschließungen existenzbedrohend, den Vermietern bleibt der Besitz.
Momentan beschäftigt sich der Bundesgerichtshof mit der gewerblichen Mietfortzahlungspflicht. Was passiert, wenn hinsichtlich Ihrer Argumentation entschieden wird?
Dann müssen die Mieten zurückgezahlt werden. Da geht um viele hundert Millionen Euro, die man entweder schuldig ist oder nicht. Aber es gibt auch noch die Teilunmöglichkeit: Laufkundschaft war zwar verboten, aber viele Geschäftsleute nutzten die Räume etwa für den Online-Handel, Click & Collect, zu Renovierungsmaßnahmen oder als Lager. Dann muss auch anteilig Miete gezahlt werden. Das läuft dann ähnlich wie bei der Mietminderung.
Vielen Dank für das Gespräch!

Reform des Personengesellschaftsrecht

Aktuell möchte der Bundestag das Personengesellschaftsrecht modernisieren. Dabei soll etwa die Gesellschaft bürgerlichen Rechts neugestaltet werden. Die aktuelle Gesetzeslage stammt im Wesentlichen noch aus dem 19. Jahrhundert und entspreche nicht mehr der Rechtswirklichkeit. Nun soll das Gesetz der aktuellen Praxis angepasst werden. Alexander Schall berät den Bundestag dazu. „Ich hätte die Reform in dieser Form lieber nicht. Es gibt offene Steuerfragen und immense Anpassungslasten für die Rechtspraxis für einen überschaubaren Gewinn“, sagt der Jurist.

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  • Prof. Dr. Alexander Schall, M.Jur. (Oxon.)