Deutscher Buchpreis 2021 für Heinrich-Heine-Gastdozentin Antje Rávik Strubel

22.10.2021 Antje Rávik Strubel war 2017 als Heinrich-Heine-Gastdozentin an der Leuphana. Für ihren Roman „Blaue Frau“ wurde sie jetzt mit dem Deutschen Buchpreis 2021 ausgezeichnet.

Publizist Wend Kässens und Antje Rávik Strubel ©Antje Rávic Strubel © t&w
Autorin Antje Rávik Strubel (rechts) während ihrer Heinrich-Heine-Gastdozentur bei einer Lesung im Literaturbüro Lüneburg, moderiert von Publizist Wend Kässens (links)

„Sprache ist für mich ein Ort des Berauscht- und Beglücktseins, aber auch ein Ort von Irritation und Wagnis“, sagte Antje Rávik Strubel in ihrer Dankesrede bei der Preisverleihung am 18. Oktober in Frankfurt. Die Sprache sei jedoch zu oft auch von einem „Krieg um Benennung und Bezeichnung“ geprägt, nämlich darüber „wer wir sein dürfen und wer das Sagen darüber hat“, und werde mit einem Hass geführt, der gleichermaßen befremdlich und bedrohlich sei – dabei aber andererseits auch „schrecklich normal“. Seit Jahren schreibt die Autorin deshalb Geschichten über Personen, die dem, was als selbstverständlich gilt, ganz selbstverständlich widerstehen - die eher auf die Schlupflöcher in dieser Normalität verweisen und diese nutzen, als sie einfach so hinzunehmen.

Der Roman „Blaue Frau“ erzählt von der Sprachlosigkeit einer jungen Frau namens Adina. Nach einer traumatischen Erfahrung versucht die junge Tschechin, sich ihrer Sprache wieder zu bemächtigen. „Mit existenzieller Wucht und poetischer Präzision schildert Antje Rávik Strubel die Flucht einer jungen Frau vor ihren Erinnerungen an eine Vergewaltigung. Schicht um Schicht legt der aufwühlende Roman das Geschehene frei. Die Geschichte einer weiblichen Selbstermächtigung weitet sich zu einer Reflexion über rivalisierende Erinnerungskulturen in Ost- und Westeuropa und Machtgefälle zwischen den Geschlechtern“, begründete die Jury ihre Entscheidung, „Im Dialog mit der mythischen Figur der Blauen Frau verdichtet die Erzählerin ihre eingreifende Poetik: Literatur als fragile Gegenmacht, die sich Unrecht und Gewalt aller Verzweiflung zum Trotz entgegenstellt.“

Acht Jahre lang hat Antje Rávik Strubel an „Blaue Frau“ geschrieben. Zuvor war zuletzt 2016 der Episodenroman „In den Wäldern des menschlichen Herzens“ erschienen, den sie 2017 auch während ihrer Gastdozentur im Rahmen einer öffentlichen Vorlesung an der Leuphana vorgestellt hatte. Darin begegnen sich vier Protagonist*innen in der kalifornischen Wüste, am Stechlin, in finnischen Wäldern und im Eiswind Manhattens. Zwischen Ländern und Geschlechtern variierend, gehen sie verschiedene Beziehungen ein, in denen sich klassische Liebesvorstellungen auflösen.

Antje Rávik Strubel, geboren 1974 in Potsdam, studierte nach einer Buchhandelslehre Amerikanistik, Psychologie und Literaturwissenschaften in Potsdam und an der NYU. Sie debütierte 2001 mit dem Roman "Offene Blende", es folgten u.a. "Fremd Gehen. Ein Nachtstück" (2002), "Tupolew 134" (2004), „Vom Dorf. Abenteuergeschichten zum Fest“ (2007) und der Episodenroman „In den Wäldern des menschlichen Herzens“ (2016). 2017 hatte sie die neunte Heinrich-Heine-Gastdozentur an der Leuphana inne. Ihr Werk wurde mit zahlreichen Preisen geehrt, ihre Romane standen mehrfach auf der Longlist des Deutschen Buchpreises. Der Roman „Blaue Frau“ wurde jetzt als bester deutschsprachiger Roman mit dem Deutschen Buchpreis 2021 ausgezeichnet.

Die Heinrich-Heine-Gastdozentur, ein Kooperationsprojekt des Literaturbüros Lüneburg und der Leuphana Universität Lüneburg (vertreten durch Prof. Dr. Emer O’Sullivan), fördert Autor*innen aus dem zeitgenössischen deutschsprachigen Literaturbetrieb und wird jährlich vergeben. Ziel ist es, Studierenden und Literaturinteressierten aus Lüneburg einen direkten Zugang zur Literatur und Poetik einer herausragenden zeitgenössischen Autorin oder eines Autors zu ermöglichen.

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  • Prof. Dr. Emer O'Sullivan