Bildungsforschung: Schulleitungen sind überlastet

31.01.2025 Eine neue Studie von Dr. Nele Groß und Prof. Dr. Marcus Pietsch widmet sich erstmalig der Gesundheit von Schulleitungen in Deutschland. Im Gegensatz zur Lehrkräftegesundheit wurde das Thema hier bisher kaum untersucht. Die Ergebnisse zeigen, dass sich Schulleitungen häufig überlastet und gestresst fühlen, weil sie nicht genug Unterstützung und Wertschätzung erhalten. Darunter leide auch die Qualität der Schulbildung.

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„Es gibt nicht nur einen Lehrkräftemangel, sondern auch einen Schulleitungsmangel.“

„Deutschlandweit und auch in Niedersachsen fehlen in vielen Schulen Schulleitungen, weil niemand den Job will. Das heißt, es gibt nicht nur einen Lehrkräftemangel, sondern auch einen Schulleitungsmangel“, erklärt Marcus Pietsch. Der Professor für Bildungswissenschaft führt weiter aus, dass Schulleitungen im Schnitt 55 Stunden pro Woche arbeiten, in denen sie die Schule managen, die Kolleg*innen führen, Schulentwicklung betreiben und zudem oft auch noch unterrichten sollen. All diese Rollen zu vereinen, sei nicht einfach und wenn zudem die entsprechende Wertschätzung fehlt, erhöhe das die Belastungssituation. Qualitätsvolle Schulbildung setzt eine gute Führung der Schulen voraus. Doch die hohen Anforderungen an Schulleitungen bei fehlendem Support führen dazu, dass die Position häufig als undankbar und unattraktiv wahrgenommen wird.

Gerade die Verwaltungsaufgaben können bis zu 80% der Arbeitszeit ausmachen, sodass wenig Zeit für Visionen und Innovationen für die Schule bleiben. Aber genau das wird für eine gute Schulentwicklung benötigt und zudem ist dies der Bereich, der den Job attraktiver machen kann, so Pietsch: „Wir wissen, dass Schulleitungen v. a. deswegen Schulleitungen werden, weil sie Dinge gestalten, sie besser machen wollen. Daran scheitern sie häufig in der Praxis, aufgrund der vielfältigen administrativen Aufgaben. Unternehmen haben immer Personen, die als Assistenz die CEOs unterstützen. Schulleitungen haben das in den seltensten Fällen, sie machen alles selbst.“ Die empirische Forschung basiert auf einer längsschnittlichen und für Deutschland repräsentativen Fragebogenerhebung, die zusammen mit dem unabhängigen Markt- und Meinungsforschungsinstitut Forsa durchgeführt wurde. Analysiert wurden die erhobenen Daten mit dem sogenannten Effort-Reward-Imbalance-Modell (ERI-Modell), nach dem erhöhter Stress am Arbeitsplatz auf ein Ungleichgewicht beruflicher Anforderungen und Gratifikationen (z.B. Wertschätzung, Gehalt, Aufstiegschancen) zurückgeführt werden kann.

Aus den Forschungsergebnissen lassen sich Empfehlungen für die Politik ableiten: So müssten unterstützende Verwaltungsstellen geschaffen und zudem signalisiert werden, dass die enorme Leistung von Schulleitungen wahrgenommen und wertgeschätzt wird. Prof. Pietsch schlägt außerdem vor, Angebote für Schulleitungen zum Stressabbau und zur Vernetzung zu entwickeln: „Das ist etwas, das Schulleitungen zu selten haben. Zum Beispiel Formate, in denen sie sich miteinander austauschen können, damit sie sich mit den Problemen nicht mehr allein fühlen. Alleinsein ist schwierig und gerade in Führungsposition ist man das häufig.“

Wird die Situation für Schulleitungen nicht verbessert, hat dies weitreichende Folgen – für die Gesundheit der Schulleitungen und für die Qualität der Schulbildung –, betont Marcus Pietsch: „Wenn keine Schulleitung da ist, gibt es keine Führung, wenn keine Führung vorhanden ist, gibt es keine gute Schule. Wenn Schulleitungen ausfallen, müssen andere Personen einspringen, die dann im Unterricht fehlen, Vertretungen müssen organsiert werden oder der Unterricht für die Schüler*innen fällt ganz aus.“ Dem kann unter anderem durch die Schaffung von Anreizen, durch die Verbesserung der Strukturen und durch die Entwicklung von Unterstützungsangeboten für Schulleitungen entgegengewirkt werden.

Gemeinsam mit Kevin Dadaczynski (Hochschule Fulda und Leuphana) haben Nele Groß und Marcus Pietsch die Gesundheit von Schulleitungen in einer bundesweiten Studie erforscht. Die Ergebnisse sind im renommierten European Journal of Public Health (EJPH) und als Sonderausgabe der Zeitschrift Die Deutsche Schule (DDS) erschienen. Die beteiligten Forschenden des „Schulleitungsmonitor Deutschland“, der durch die Wübben Stiftung Bildung gefördert wird, wollen die Ergebnisse in einem weiteren Schritt international vergleichen. Bisher bestehen dazu u. a. Kollaborationen mit Forschenden in Österreich, der Schweiz, der Türkei, Nigeria und Chile.

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  • Prof. Dr. Marcus Pietsch