Ethik im Gespräch mit Landrat Kai Seefried: „Nicht aufhören, weitermachen!“
14.07.2025 Wissen Sie, was Ihr Landrat macht? Dafür, dass dieses Amt vergleichsweise viel Gestaltungsfreiheit hat, sind Landrätinnen und Landräte im öffentlichen Diskurs unterrepräsentiert. Im Rahmen der Reihe „Ethik im Gespräch“ lud Thomas Kück, Professor für Ethik und Theologie, den Landrat des Landkreises Stade Kai Seefried dazu ein, seine Rolle zu reflektieren.
„Kennst Du eigentlich Deine Dienstbeschreibung?“, fragte Thomas Kück den Landrat des Landkreises Stade. „Sogar sehr genau“, war Kai Seefrieds spontane Antwort, „und sie klingt sehr trocken.“ Der Landrat leitet die Sitzungen des Kreistages, er nimmt die Vertretung des Landkreises wahr, führt die Beschlüsse des Kreistages aus und erledigt die Geschäfte der laufenden Verwaltung. So lautet die formale Dienstbeschreibung eines Landrates. „Aber geht es hier denn nur um trockene Verwaltung und nicht auch um Politik, um die Durchsetzung von Interessen?“, hakte Kück nach. Wie geht ein Landrat vor Ort mit scheinbar unvereinbaren Interessen um, wie werden Lösungen gefunden und was bedeutet in diesem Kontext ethisches Handeln?
In Anlehnung an den Aufsatz „Politik als Beruf“ von Max Weber aus dem Jahr 1919 unterschied Thomas Kück zwei Grundtypen von Politiker*innen: „Es gibt Politiker, die achten auf ihre Überzeugungen und handeln als Gesinnungsethiker und es gibt solche, die auf die Ergebnisse ihres Handelns schauen und als Verantwortungspolitiker agieren.“ Kai Seefried plädiert für eine Mischung beider Aspekte: „Als Landrat sehe ich ganz stark nicht nur meine eigene Haltung, meine eigene Politik, sondern ich sehe die Verantwortung für 210.000 Bürgerinnen und Bürger in diesem Landkreis.“ Die Werte Freiheit, Rechtsstaatlichkeit und Frieden gehören dabei zu der persönlichen Grundhaltung seines Arbeitens, die durchaus auch mit seiner Verantwortung kollidieren könne. Die Flaggenverordnung etwa lässt wenig Raum für Eigeninitiative; zum CSD in Stade ließ Seefried trotzdem drei Regenbogenflaggen vor dem Kreishaus hissen. Das Ziel, eine solidarische und tolerante Gesellschaft zu fördern, rechtfertigt das, so der Landrat.
Im Themenbereich Verkehrspolitik brachte Thomas Kück das Projekt eines Industriegleises in Kombination mit der zu bauenden Autobahn A26 in Stade zur Sprache. Hier gehe es um Sicherheitsfragen für die Bevölkerung. Obwohl die Planung bereits 2010 begann, ist die konkrete Umsetzung nicht absehbar. „Da haben wir nichts erreicht“, so Seefried. Auf die Nachfrage, wie das auszuhalten sei, antwortete er: „Das ist Bohren von dicken Brettern. Und hier weiß ich als gelernter Tischlermeister sehr genau, wovon ich rede. Wenn du das Gefühl hast, du bist mit dem Bohrer durch, dann kommt von irgendwo irgendjemand und drückt nochmal alles zurück, weil nochmal alles infrage gestellt wird. Aber das heißt für mich trotzdem: Nicht aufhören, weitermachen!“
„Der schlechten Prognose den Vorrang zu geben gegenüber der guten, ist verantwortungsbewusstes Handeln in Hinblick auf zukünftige Generationen“, zitierte Kück den Philosophen Hans Jonas aus dessen Werk „Das Prinzip Verantwortung“. Seefried fand das nicht unplausibel, setzt jedoch selbst vor allem auf Optimismus. „Auch beim Thema Migration und Integration?“, fragte der Moderator und ergänzte: „Ich erinnere mich an die Stimmung vor genau 10 Jahren. Der Satz von Angela Merkel ‚Wir schaffen das‘ hat einer Stimmung in der Bevölkerung entsprochen. Das war eine Willkommenskultur. Aber irgendwann kippte die Stimmung und schleichend-stetig gab es ein Anwachsen der AfD.“ Seefried teilt die Sorge in Hinblick auf das Erstarken der AfD. Der Umgang mit Corona, die zunehmende Anzahl von Reichbürgern sowie die Wahlergebnisse der AfD sieht er als warnende Anzeichen für gesellschaftliche Veränderungen: „Das müssen wir ernst nehmen.“
Das beinhaltet auch gegen Desinformation anzugehen und mit Menschen zu sprechen, gerade auf regionaler Ebene. Kai Seefried schloss mit den Worten: „Kommunikation ist der entscheidende Punkt im politischen Handeln.“
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- Prof. Dr. Thomas Kück