Wie junge Menschen diskriminiert werden

28.07.2025 Für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes untersuchen Forscher*innen der Leuphana erstmals umfassend Adultismus und Diskriminierungen entlang des jungen Alters in Deutschland. Die Studienergebnisse fließen in Handlungsempfehlungen für staatliche, wirtschaftliche und zivilgesellschaftliche Akteur*innen ein.

©Leuphana/Tengo Tabatadze
Birte Siem betont: „Das Perfide ist, dass Adultismus eine der gesellschaftlich legitimiertesten Formen der Diskriminierung ist. Selbst jungen Menschen fallen Abwertungen oft nicht als ungerecht auf.“
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„Jugendlichen und jungen Menschen wird oft ein niedrigerer gesellschaftlicher Wert zu gesprochen. Sie stehen noch unter Bewährung“, erklärt Prof. Dr. Lars Alberth.

Obwohl über ihre Zukunft entschieden wird, dürfen junge Menschen (zumindest unter 16 Jahren) nicht wählen. Auf dem Wohnungsmarkt haben sie es schwer: Oft haben sie keinen aussagekräftigen SCHUFA-Score, weil ihnen die nötigen Zahlungserfahrungen oder Verträge fehlen. Und in Talkshows etwa finden Stimmen von Teenagern wenig Gehör. Dieses Phänomen nennt sich Adultismus, also die Diskriminierung aufgrund eines als zu jung wahrgenommenen Alters. „Jugendlichen und jungen Menschen wird oft ein niedrigerer gesellschaftlicher Wert zu gesprochen. Sie stehen noch unter Bewährung“, erklärt Prof. Dr. Lars Alberth, Professor für Theorien und Methoden der Kindheitsforschung.

Gemeinsam mit Prof. Dr. Birte Siem, Professorin für Sozial- und Organisationspsychologie der sozialen Arbeit, untersucht er in Deutschland systematisch Adultismus. Birte Siem betont: „Das Perfide ist, dass Adultismus eine der gesellschaftlich legitimiertesten Formen der Diskriminierung ist. Selbst jungen Menschen fallen Abwertungen oft nicht als ungerecht auf.“ Während Diskriminierung aufgrund eines hohen Alters gut untersucht ist, gilt Adultismus noch als junges Forschungsfeld: „Der Begriff kommt aus der Forschung zu Kindern und Jugendlichen als Mitglieder sozialer Bewegungen, die im globalen Süden für eigene Rechte kämpfen. Wir werden ihn zunächst wissenschaftlich präzisieren und den Stand der Forschung ermitteln“, erklärt Birte Siem. 

Die Studie betrachtet Diskriminierungserfahrungen von Menschen zwischen 14 bis 27 Jahren. Weil damit der Fokus auch auf junge Erwachsene gelegt wird, spricht die Studie auch von Diskriminierungen aufgrund eines als zu jung wahrgenommenen Alters. Birte Siem misst in einer repräsentativen Umfrage mit 4000 Teilnehmenden unter anderem, wie häufig und in welchen Lebensbereichen (z.B. im Kontakt mit Behörden, im Gesundheitsbereich) junge Menschen Diskriminierung erfahren, und inwieweit das junge Alter hier mit weiteren Diskriminierungsmerkmalen (z.B. Geschlecht oder sozialer Herkunft) zusammenspielt. Lars Alberth beschäftigt sich in Gruppenwerkstätten mit den konkreten Erfahrungen junger Menschen: Wie erleben junge Menschen Diskriminierung? Was empfinden sie als abwertend? Wo werden Rechte verletzt? Holen sie sich Hilfe? Zudem werden in den Gruppenwerkstätten auch nicht-sprachliche Daten wie Bilder, Fotos oder graphische Darstellungen erfasst, die die Erfahrung von Adultismus zugänglich machen sollen. 

Ungewöhnlich: Die jungen Menschen sind nicht nur als Studienteilnehmer*innen Forschungsgegenstand, sondern gestalten die Untersuchung auch mit. Ein divers zusammengesetztes partizipatives Begleitgremium bestehend aus 16 jungen Menschen aus ganz Deutschland entwickelt etwa gemeinsam mit den Forscher*innen die Fragebögen für die repräsentative Umfrage und ist an der Berichtslegung für die Antidiskriminierungsstelle des Bundes beteiligt. 

Die Studie untersucht vor allem öffentliche Lebensbereiche wie Bildung, Gesundheit, Verkehr, Behörden oder Medien. Erste Ergebnisse werden zum Sommer 2026 erwartet. 

Kontakt

  • Prof. Dr. Lars Alberth
  • Prof. Dr. Birte Siem