Call for Papers: Der Blick auf das Ethnografische (kritische berichte)
27.06.2025
kritische berichte. Zeitschrift für Kunst- und Kulturwissenschaften hat für die Sonderausgabe 2/2026, die von Catalina Alvarado-Cañuta und Sebastián Eduardo Dávila herausgegeben wird einen Call for Papers zum Thema “Der Blick auf das Ethnografische: Zeitgenössische Kunst zwischen Heritage Communities und ethnografischen Sammlungen” veröffentlicht:
Unsere Disziplinen, Institutionen und Forschungspraxen sind wesentlich vom ethnografischen Blick geprägt – jenem strukturellen Abstand, der in der Forschung der Anderen durch Beobachtung, Sammlung und Interpretation liegt. Besonders in Europa und USA haben die Gründung, Ausstellung, und wissenschaftliche Forschung ethnografischer Sammlungen Museen zu Orten der Kultivierung dieses ethnografischen Blicks gemacht. Für Künstler:innen war der Zugang zu diesen Sammlungen seit Beginn des 20. Jahrhunderts von zentraler Bedeutung für die Entwicklung und Aushandlung von Kunstbegriffen – angefangen bei Formen des Primitivismus in der Moderne bis hin zu dem, was Hal Foster als das „pseudethnografische“ Moment in der zeitgenössischen Kunst bezeichnet hat (Foster 1995). Für Heritage Communities weltweit sind ethnografische Sammlungen bis heute tief mit der gewaltsamen Aneignung von „kulturellen Artefakten“ im Zuge (neo-)kolonialer Unternehmungen verbunden – ebenso mit der fortwährenden Erinnerung an Landraub und Vertreibung. In den letzten Jahren haben sich zahlreiche Künstler:innen und Kulturschaffende aus Heritage Communities—oder in Austausch mit diesen—ethnografischen Sammlungen erneut zugewandt. Sie fordern Zugang und Restitution, vollziehen rituelle Begegnungen, oder schaffen eigene Sammlungen.
Indem wir den Blick auf das Ethnografische richten, lädt dieses Themenheft der kritischen berichte zur Auseinandersetzung mit dem Status ethnografischer Sammlungen im Verhältnis zu Heritage Communities sowie zu zeitgenössischen Kunstpraktiken ein. Der Fokus auf Kunst ermöglicht es, mit dem zu arbeiten, was die Mapuche-Forscherin Catalina Alvarado-Cañuta als „contemporary creations“ bezeichnet – Praktiken, die sich auf die Artefakte der Sammlungen nicht als Inspirationsquelle beziehen, sondern durch Erinnerung und Kontinuität. Die Begegnungen zwischen Heritage Communities und diesen Sammlungen destabilisieren sowohl das ethnografische Museum als auch die Kunstgeschichte und laden uns ein, kritische sowie kreative Wege der Wiedergutmachung zu erforschen.
Wir laden textbasierte und visuelle Beiträge von Wissenschaftler:innen, Kurator:innen, Künstler:innen und practitioners ein, die sich unter anderem, aber nicht ausschließlich, mit folgenden Themen beschäftigen:
Kunstbegriffe und zeitgenössische Kunst in Heritage Communities
Die Rolle von Künstler:innen in Restitutionsanforderungen
Community-basierte (Gegen-)Sammlungen
Politiken des Sammelns und der Ausstellungspraktiken, z. B. Spannungen zwischen nationalstaatlichen Museumskonzepten und den Perspektiven von Heritage Communities
Auftrag, Ausstellung und Rezeption zeitgenössischer Kunst in ethnografischen Museen
Rituelle Begegnungen mit „kulturellen Artefakten“
Über die Zeitschrift: Die kritischen berichte sind das Mitteilungsorgan des Ulmer Verein (Verein für Kunst- und Kulturwissenschaften e.V.). Die kritischen berichte wurden 1972 im Kontext der Diskussionen um die Methoden und Gegenstandsbereiche der Kunstgeschichte als Forum für aktuelle Debattenbeiträge gegründet. Die vielfältigen Forderungen nach einer neuen, kritischen Kunstwissenschaft gaben den Anstoß für eine kulturwissenschaftlich ausgerichtete Zeitschrift, die sich aktueller politischer, sozialer, methodologischer Themen annehmen konnte, die an anderer Stelle nicht behandelt oder veröffentlicht wurden. Seit dieser Zeit verstehen sich die kritischen berichte als Plattform, um über die Praktiken, Sichtweisen, inhärenten Wertesysteme, Sprecher:innenrollen, Ausstellungspraktiken und Konjunkturen des Faches zu diskutieren.
Foster, Hal. „The Artist as Ethnographer?“. In Traffic in Culture. Refiguring Art and Anthropology, herausgegeben von George E. Marcus und Fred R. Myers. Berkeley: University of California Press, 1995.
Hinweise zur Einreichung:
- Abstracts mit einem Umfang von bis zu 300 Wörtern sowie eine kurze Bio sind bis zum 1. August 2025 per E-Mail an gazeattheethnographic@gmail.com zu senden.
- Beiträge in deutscher und englischer Sprache sind willkommen.
- Auch visuelle oder poetische Beiträge sind willkommen.
- Die Autor:innen der ausgewählten Vorschläge werden bis zum 5. August 2025 benachrichtigt.
- Artikeln sollen einen Umfang von 25.000 bis 30.000 Zeichen (inkl. Leerzeichen) haben.
- Alle Beiträge sind bis spätestens 5. Dezember 2025 einzureichen.
Weitere Informationen auf ArtHist.net.