Neu an der Leuphana: Prof. Dr. Dave Abson – Glück statt Verschwendung

19.12.2023 Der Professor für Nachhaltige Ressourcennutzung gehört auf seinem Forschungsgebiet zu den meist zitierten Forschern der Welt. Er beschäftigt sich mit planetaren Grenzen, nachhaltigem wirtschaftlichem Erfolg und der Frage, was wir zu einem guten Leben brauchen. Einst hat er sich auch persönlich auf eine Sinnsuche begeben.

„Was brauchen wir für ein zufriedenes Leben anstelle von immer mehr Konsum? Ist es mehr Kultur oder sind es bessere zwischenmenschliche Beziehungen?“, fragt Dave Abson. ©Leuphana/Marie Meyer
„Erfolg ist in unserem Denken mit wirtschaftlichem Wachstum verbunden. Wir verbrauchen zwei bis drei Mal mehr Ressourcen als noch in den 70er Jahren. Aber sind wir dadurch glücklicher geworden? Nein“, sagt Dave Abson.

Dave Abson stand an einem langen, fein polierten Tisch aus Edelholz als ihm klar wurde, dass er sein Leben ändern muss. Damals arbeitete der Nachhaltigkeitsökonom in der Autoindustrie als Design-Ingenieur. An diesem Tag präsentierte er sein neues Produkt: einen digitalen Reifendruckmesser. Doch kaum einer der Manager*innen habe sich für die technische Qualität interessiert, die ihm selbst so viel Freude bereitete, berichtet Dave Abson: „They only cared how much money they could make.” Er wollte etwas Nützliches schaffen, nicht etwas rein Gewinnbringendes.

Der Brite kündigte seinen Job und reiste sechs Jahre lang. In Indien traf er einen asketischen Wandermönch, dessen einziger Besitz seine Kleidung und ein Wanderstab war. Der Sadhu sagte zu Dave Abson: „The most important thing in life is to be conscious about how you step on the earth.”

Die Worte des Mannes veränderten Dave Abson: „Ich konnte sehen, wie leicht diese Menschen auf die Erde traten. Also wollte ich meine eigenen Auswirkungen, durch einen typisch westlichen Lebensstil, auf die Umwelt besser verstehen: Wie stark trete ich auf die Erde?“ Dave Abson ging zurück nach Großbritannien und legte an der University of Leeds einen Master in „Sustainable Developement“ ab. In seiner interdisziplinären Doktorarbeit beschäftigte sich der Forscher mit dem positiven Einfluss heterogener Landwirtschaft auf Vögel: Ein heterogenes System bot Tieren nicht nur mehr ökologische Nischen; es war auch widerstandsfähiger gegen Störungen als eine Monokultur. Während seiner Doktorarbeit war Dave Abson auch Teil des UK National Ecosystem Assessment, einer Erhebung zum Zustand der Natur in Großbritannien.

In seinem aktuellen Forschungsprojekt „Mainstreaming social-ecological sufficiency“ (MaSES) beschäftigt sich Dave Abson mit globalen Produktions- und Konsummustern. „Sie sind grundsätzlich nicht nachhaltig und bedrohen damit wichtige Prozesse auf unserem Planeten, die für die Aufrechterhaltung der ökologischen Funktionsfähigkeit und des langfristigen Überlebens der Menschheit unerlässlich sind“, sagt Dave Abson. Im Rahmen von MaSES berechnet er, wie viel ein westlicher Haushalt verbrauchen darf, damit er sich noch innerhalb der planetaren Grenzen befindet.

Der Forscher plädiert für einen Paradigmenwechsel, um einen transformativen Wandel herbeizuführen. „Erfolg ist in unserem Denken mit wirtschaftlichem Wachstum verbunden. Wir verbrauchen zwei bis drei Mal mehr Ressourcen als noch in den 70er Jahren. Aber sind wir dadurch glücklicher geworden? Nein“, sagt Dave Abson. Im zweiten Schritt der Studie möchte er deshalb wissen, wie die Lücke zwischen gesellschaftlichem Bedarf und nachhaltigem Konsum geschlossen werden kann: „Was brauchen wir für ein zufriedenes Leben anstelle von immer mehr Konsum? Ist es mehr Kultur oder sind es bessere zwischenmenschliche Beziehungen?“ Der Europäische Forschungsrat (ERC) fördert die wissenschaftliche Studie bis 2028 mit rund zwei Millionen Euro.

Dave Abson arbeitet stark interdisziplinär: „Für die Lösung eines Problems ist es entscheidend, es von verschiedenen Seiten zu betrachten.“ Im Rahmen des Großprojekts „Leverage Points“ an der Leuphana setzte er sich beispielsweise mit Denkmodellen von Wissenschaftler*innen auseinander: „The way you describe your system shapes the kind of opportunities to intervene in that system”, erklärt Abson. Ein Beispiel dafür sei das Konzept der Ökosystemdienstleistungen, das ursprünglich die Interdependenz zwischen menschlichem Wohlergehen und biologischer Vielfalt verdeutlichen sollte, aber schnell zu einem Instrument für die wirtschaftliche Bewertung der Natur wurde. „Wenn wir unsere Beziehung zur Natur in Euro und Cent betrachten, welche Art von Lösungen für die Krise der biologischen Vielfalt ergibt sich dann aus diesem Denken?“, fragt Dave Abson.

Zuletzt koorperierte er unter anderem mit Ökolog*innen bei dem Forschungsvorhaben „Towards a sustainable bioeconomy: A Scenario analysis for the Jimma Coffee Landscape in Ethiopia“. Übergeordnetes Ziel des Projekts war es, die ökologischen und sozioökonomischen Auswirkungen von Ökosystemleistungsströmen in einer zunehmend vernetzten Bioökonomie im globalen Süden zu ermitteln. Das Fallstudiengebiet, die Jimma-Zone im Südwesten Äthiopiens, ist ein Hotspot der biologischen Vielfalt, in dem die Menschen vor Ort in hohem Maße von der Landschaft abhängig sind, die wichtige Ökosystemleistungen erbringt.

David Abson arbeitet seit dem Jahr 2012 an der Leuphana in Forschung und Lehre zum Thema Nachhaltigkeit. Schon mehrfach zählte er laut dem „Highly Cited Researchers“-Report von Clarivate Analytics in seinem Forschungsfeld zu den weltweit am häufigsten zitierten Forschenden.