Organisationspsychologie: Prof. Dr. Franziska Kößler – Gefährliche Arbeit

18.11.2025

Vom Erntehelfer über die Leiharbeiterin bis zur Prostituierten: Viele Berufstätige stehen vor einer unmöglichen Wahl – zwischen ihrer Gesundheit und der wirtschaftlichen Existenz. Die Arbeits- und Organisationspsychologin Franziska Kößler erforscht prekäre Beschäftigung und das sogenannte Beschäftigungs-Gesundheits-Dilemma.

©Leuphana/Tengo Tabatadze
„Wenn Menschen sich zwischen zwei negativen Optionen entscheiden müssen, entsteht enormer emotionaler Stress – und der kann krank machen“, erklärt Prof. Dr. Franziska Kößler.

Zu Beginn der Corona-Pandemie war Schutzkleidung Mangelware – und blieb meist dem medizinischen Personal vorbehalten. „Eine Reinigungskraft erzählte mir von ihrer Arbeit im Krankenhaus. Sie war deutlich schlechter geschützt, obwohl sie in denselben Räumen tätig war wie beispielsweise Pflegekräfte oder Ärzte“, berichtet Franziska Kößler, Juniorprofessorin für Psychologie, insbesondere Transformation der Arbeitswelt.

Wer putzt, baut oder erntet, trägt oft das größte Risiko – nicht nur für die eigene Gesundheit, sondern auch für den Arbeitsplatz. Prekäre Beschäftigung betreffe jedoch längst nicht mehr nur Randgruppen des Arbeitsmarktes, sondern sei ein globales Phänomen, das Menschen in unterschiedlichsten Lebenslagen unter Druck setzt.

Auch hierzulande sind prekäre Beschäftigungsformen weit verbreitet. „Vor allem sogenannte flexible Beschäftigungsformen, wie Leiharbeit, hebeln viele soziale Errungenschaften aus“, warnt Franziska Kößler. Noch dramatischer ist die Situation in der Sexarbeit: „Die Frauen sind Gewalt und gesundheitlichen Gefahren ausgesetzt. Viele möchten aussteigen, doch es ist schwierig“, erklärt die Forscherin.

Ihre Forschung verbindet qualitative Interviews mit quantitativen Erhebungen. Aktuell entwickelt sie einen Fragebogen, um die Erkenntnisse aus bislang qualitativen Studien auf größere Bevölkerungsgruppen zu übertragen. Ziel ist es, herauszufinden, wie verbreitet solche Beschäftigungs-Gesundheits-Dilemmata tatsächlich sind – und welche Branchen besonders betroffen sind. „Wenn Menschen sich zwischen zwei negativen Optionen entscheiden müssen, entsteht enormer emotionaler Stress – und der kann krank machen“, erklärt die Psychologin.

Doch prekäre Arbeitsbedingungen betreffen nicht nur ökonomisch benachteiligte Gruppen. Auch in vermeintlich privilegierten Berufen können gefährliche Abhängigkeiten entstehen, etwa in stark hierarchischen Systemen: „Viele wissen, dass sie sich in einer toxischen Situation befinden, aber sie bleiben – weil ein Weggang ihre Karriere gefährden würde.“

Wie frei eine Person tatsächlich entscheiden kann, hängt von vielen Faktoren ab: Ist das Arbeitsverhältnis befristet? Bestehen finanzielle Verpflichtungen? „Wer gesundheitlich vorbelastet ist, keine ausreichende Absicherung hat oder Angehörige pflegt, steht unter besonderem Druck“, erklärt die Forscherin.

Franziska Kößler studierte Psychologie an den Universitäten Innsbruck und Heidelberg. Von 2017 bis 2019 war sie Stipendiatin im Promotionskolleg „Gute Arbeit. Ansätze zur Gestaltung der Arbeitswelt von morgen“ am Wissenschaftszentrum Berlin (WZB), gefördert durch die Hans-Böckler-Stiftung und promovierte 2023 an der Humboldt-Universität zu Berlin. Ein Forschungsaufenthalt führte sie 2018/2019 als Gastwissenschaftlerin an das National Institute of Occupational Safety and Health in Cincinnati, USA. Nach ihrer Promotion war sie als Juniorforscherin an der Universität Freiburg und als assoziierte Wissenschaftlerin am Lehrstuhl für Occupational Health Psychology an der Humboldt-Universität zu Berlin tätig. Seit 2024 ist sie Juniorprofessorin für Psychologie, insbesondere Transformation der Arbeitswelt, an der Leuphana Universität Lüneburg.

Kontakt

  • Prof. Dr. Franziska Josefine Kößler