Neu an der Leuphana: Prof. Dr. Valentin Schatz – „Postkoloniales Ressourcensystem“

28.11.2022 Wem gehört das Asowsche Meer? Wie vermeidet man durch gezielte Regulierung die Überfischung auf den Weltmeeren? Was passiert mit Seegrenzen, wenn der Meeresspiegel steigt? Der Juniorprofessor für Öffentliches Recht und Europarecht forscht zur Rolle des Rechts in einer nachhaltigen und rechtsstaatlichen Meeresgovernance und berät in diesem Kontext unter anderem Küstenstaaten des Globalen Südens. Zudem forscht er zu einem seerechtlichen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine.

Valentin Schatz ©Leuphana/Marie Meyer
„Bis zu 90 Prozent der Bojen werden nicht von den Fischerei-Unternehmen eingesammelt, da es hierfür keinen nennenswerten ökonomischen Anreiz gibt", sagt Valentin Schatz.

Zehntausende mit Satellitensendern ausgestattete Bojen und Flöße schwimmen auf den Weltmeeren. So genannte Fish Aggregating Devices (FADs) locken insbesondere Thunfische an. Aus Fischerei-Sicht sind FADs sehr effizient, denn industrielle Fangschiffe müssen die versammelten Tiere nur mit Ringwadennetzen umschließen und aus dem Meer heben. Für die Umwelt sind solche FADs hingegen ein großes Problem: Es werden in ihrer Nähe bis zu 90 Prozent Jungfische gefangen, was die Reproduktion der Bestände gefährdet. Zudem gibt es viel unerwünschten Beifang, der aber nicht als Nahrung weiterverarbeitet wird. Dazu kommt eine massive Verschmutzung der Meere: „Bis zu 90 Prozent der Bojen werden nicht von den Fischerei-Unternehmen eingesammelt, da es hierfür keinen nennenswerten ökonomischen Anreiz gibt. Oft landet der Müll an den Küsten von Entwicklungsländern“, sagt Prof. Dr. Valentin Schatz, Juniorprofessor für Öffentliches Recht und Europarecht. Der Jurist und Experte für europäisches und internationales Seerecht fordert deshalb eine schärfere rechtliche Regulierung: „NGOs üben bereits Druck aus. Fischerei-Unternehmen müssen in die Verantwortung genommen werden, etwa durch eine quantitative Begrenzung von FADs pro Schiff sowie die Pflicht, die FADs wieder einzusammeln und bei der Konstruktion biologisch abbaubare Materialien zu verwenden“, erklärt der Jurist.

Valentin Schatz berät in Kooperation mit NGOs eine Reihe von Staaten im Indischen Ozean: „Ich stehe dort grundsätzlich für alle Küstenstaaten des Globalen Südens bereit. Durch meine rechtliche Unterstützung etwa bei der Formulierung von Gesetzesentwürfen kann ich die Transformation hin zu mehr Nachhaltigkeit und Verteilungsgerechtigkeit mitbetreiben.“ Hauptverursacher der Umweltprobleme durch die FADs im Indischen Ozean sei etwa die spanische Flotte. „Rechtlich verantwortlich ist aber letztendlich die Europäische Union, da sie die ausschließliche Kompetenz für die Gemeinsame Fischereipolitik hat. Leider passiert aber nicht genug. Es zählen meist immer noch vorwiegend wirtschaftliche Interessen“, sagt Valentin Schatz.

Der Anstieg des Meeresspiegels ist für Küstenstaaten ein weiteres Problem: „Was passiert, wenn eine Insel teilweise oder sogar komplett verschwindet?“, sagt der Jurist. Seerechtlich gibt es vor allem ein Problem: Es verschwindet Territorium. Maritime Zonen werden entlang einer Basislinie der Küste gemessen. Verschiebt sich diese Linie, könnte das ohne eine Anpassung des aktuellen Rechts auch Konsequenzen für die Ansprüche von Küstenstaaten auf solche Zonen haben: in einem Bereich von bis zu 200 Seemeilen haben Küstenstaaten ausschließliche Ansprüche auf die Ressourcen des Meeresbodens und der Wassersäule. Das Recht auf Fischerei, Förderung von fossilen Energieträgern und Gewinnung von erneuerbaren Energien steht dort allein dem Küstenstaat zu. „Unklare oder sich stetig verschiebende Seegrenzen führen diesbezüglich zu Rechtsunsicherheit und Instabilität“, warnt Valentin Schatz.

Einer der meist beachteten Artikel von Valentin Schatz beschäftigt sich mit der rechtlichen Lage im Asowschen Meer: 2018 kam es zu einem gewaltsamen Zusammenstoß zwischen der russischen und der ukrainischen Marine. Die russische Küstenwache verweigerte drei ukrainischen Kriegsschiffen die Durchfahrt durch die Straße von Kertsch. Die Meerenge ist die einzige Verbindung zwischen dem Asowschen und dem Schwarzen Meer. „Dieser Vorfall war ein Vorläufer der derzeitigen Eskalation: Nach der Krim-Annexion im Jahr 2014 hatte Russland die Kontrolle über die Straße von Kertsch. Ukrainische Schiffe wurden bei der Durchfahrt diskriminiert, etwa durch lange Wartezeiten oder willkürliche Kontrollen“, sagt Valentin Schatz. Insbesondere der Osten der Ukraine sollte durch erschwerten Zugang zu wichtigen industriellen Häfen wie Mariupol ökonomisch geschwächt werden.

Bis zur Perestroika gehörte das Asowsche Meer allein zur Sowjetunion. Völkerrechtlich ist das Gewässer eine Bucht und kann wie ein Fluss rechtlich einem Land zugeschlagen werden. Nach der Unabhängigkeit der Ukraine grenzten aber plötzlich zwei Staaten ans Asowsche Meer. „Die Russen behaupten, das Asowsche Meer sei nun ein gemeinsames inneres Gewässer Russlands und der Ukraine, also eine Art Kondominium. Die Ukrainer drängen auf eine Anwendung des allgemeinen Seerechts. Juristisch ist die Situation hochkomplex“, sagt Valentin Schatz. Seit Jahren läuft ein Gerichtsverfahren. 2023 wird die Entscheidung erwartet. Seit der Ausdehnung des Krieges gegen die Ukraine im Februar dieses Jahres müssen die Russen diesen Prozess allerdings allein bewältigen. „Die westlichen Kanzleien und Experten sind alle abgesprungen und international bedeutende russische Juristen gibt es auf diesem Gebiet kaum“, erklärt Valentin Schatz.

2016 schloss Valentin Schatz sein Studium der Rechtswissenschaften an der Universität Passau mit dem 1. Staatsexamen ab. 2021 wurde er an der Fakultät Rechtswissenschaft der Universität Hamburg zum Dr. iur. promoviert mit einer Dissertation zum Thema „Access to Fisheries within National Jurisdiction“ (summa cum laude). Von Dezember 2016 bis Februar 2017 war er Gastwissenschaftler am Max Planck Institute Luxembourg for International, European and Regulatory Procedural Law sowie von April 2017 und März 2018 an der University of Adelaide, Australien. 2022 schloss er sein Rechtsreferendariat am Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg mit dem 2. Staatsexamen ab. Gleichzeitig war er Postdoktorand an der Fakultät Rechtswissenschaft der Universität Hamburg. Seit September 2022 ist Valentin Schatz Juniorprofessor für Öffentliches Recht und Europarecht mit Schwerpunkt Nachhaltigkeit an der Leuphana.

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