Die Leuphana Graduate School begrüßt Dr. Nora Lohmeyer als Gastwissenschaftlerin im Wintersemester
01.10.2025 Dr. Nora Lohmeyer ist Assistenzprofessorin für Organisationsdesign und -entwicklung an der Nijmegen School of Management der Radboud University in den Niederlanden. Ihre Forschung liegt an der Schnittstelle zwischen Wirtschaft und Gesellschaft, mit einem starken Fokus auf der Politik und Steuerung von Unternehmensverantwortung, insbesondere in Bezug auf Menschen- und Arbeitsrechte in globalen Lieferketten. Sie betrachtet Unternehmensverantwortung als ein mehrstufiges Phänomen, das über einzelne Organisationen hinausgeht und verschiedene Akteure auf industrieller, nationaler und internationaler Ebene einbezieht. Dr. Lohmeyer promovierte an der Freien Universität Berlin und war Gastwissenschaftlerin an der Waseda-Universität Tokio, der Johannes Kepler Universität Linz und der Copenhagen Business School. Sie hat verschiedene Auszeichnungen und Preise erhalten.

Ihr Forschungsschwerpunkt liegt auf globalen Lieferketten. Sehen Sie Veränderungen in der Governance sozialer Themen in Lieferketten?
Dr. Lohmeyer: Oh ja, und zwar sehr spannende! Jahrzehntelang unterlagen soziale Themen wie Menschenrechte und Arbeitsstandards in globalen Lieferketten einer privaten, freiwilligen Governance. In letzter Zeit haben wir jedoch einen tiefgreifenden Wandel in der Governance von Menschenrechten in globalen Lieferketten beobachtet. So wurden beispielsweise in Ländern wie Frankreich, Norwegen und Deutschland sowie auf europäischer Ebene verbindliche Gesetze zur Sorgfaltspflicht im Bereich der Menschenrechte verabschiedet. Unternehmen in diesen Ländern sind nun gesetzlich verpflichtet, Menschenrechtsverletzungen bei ihren Lieferanten zu identifizieren, zu verhindern, zu begrenzen und zu beheben und über diese Bemühungen öffentlich zu berichten. Die Nichteinhaltung kann schwerwiegende Folgen haben, wie z. B. rechtliche oder finanzielle Sanktionen, Ausschluss von öffentlichen Ausschreibungen oder sogar zivilrechtliche Haftung. Obwohl diese Gesetze nach wie vor umstritten sind und erheblichen Widerstand von konservativen Parteien und Industrieverbänden erfahren, markiert ihre Einführung einen bedeutenden Wandel. Sie erfordern erhebliche Veränderungen von allen Beteiligten in globalen Lieferketten und werden wahrscheinlich tiefgreifende Auswirkungen auf die sozialen Beziehungen zwischen ihnen haben.
Globale Lieferketten spielen bei verschiedenen Produkten unseres täglichen Lebens eine Rolle. Wird sich die Rolle der Verbraucher*innen bei bewussten Konsumentscheidungen mit dem Aufkommen dieser Gesetze ändern?
Dr. Lohmeyer: Die Rolle der Verbraucher*innen wird oft im Zusammenhang mit der Förderung einer verantwortungsvolleren Produktion durch Unternehmen diskutiert. Ich war jedoch immer etwas skeptisch, was die Fähigkeit der Verbraucher*innen angeht, durch ihre Kaufentscheidungen das Verhalten von Unternehmen zu beeinflussen. Natürlich sollten wir alle weniger kaufen und ökologisch faire Marken unterstützen. Für die meisten Verbraucher*innen ist es jedoch sehr schwierig zu beurteilen, welche Unternehmen verantwortungsvoller produzieren als andere. Daher denke ich, dass wir die Verantwortung nicht den Verbraucher*innenn auferlegen sollten. Stattdessen sollten wir den Einzelnen als politischen Akteur betrachten, der das Verhalten von Unternehmen beeinflussen kann, indem er für politische Parteien stimmt, die eine Regulierung der Unternehmen unterstützen. Solche Vorschriften würden alle Unternehmen dazu verpflichten, verantwortungsbewusster zu handeln, anstatt sich auf den Markt zu verlassen.
Als internationaler Wissenschaftler haben Sie an verschiedenen Universitäten gearbeitet. Was kann die deutsche Doktorand*innenausbildung von anderen Ländern lernen?
Dr. Lohmeyer: Ich halte strukturierte Ausbildungsprogramme für Doktorand*innen, wie sie beispielsweise an der Leuphana Graduate School angeboten werden, für sehr wertvoll. Während diese in Großbritannien und den Niederlanden weit verbreitet sind, sind sie an deutschen Universitäten noch nicht sehr verbreitet. Indem wir Doktorand*innen ein breites Spektrum an inhaltlichen Kursen sowie Möglichkeiten zur Kompetenzentwicklung anbieten, die vom Zeitmanagement bis zum Verständnis dessen reichen, was es bedeutet, Wissenschaftler zu sein, können wir ihren Lernprozess bereichern. Darüber hinaus bieten diese Programme eine wertvolle Gelegenheit, gleichgesinnte Kollegen zu treffen. Eine tolle Gruppe von Freunden zu haben, mit denen man Dampf ablassen kann und die sich gegenseitig in den schwierigeren Zeiten einer Promotion unterstützen, ist ebenfalls sehr wichtig!
Worauf freuen Sie sich am meisten bei der Arbeit mit den Doktorand*innen der Leuphana?
Dr. Lohmeyer: Ich habe gehört, dass die Doktorand*innen der Leuphana sehr motiviert sind und sich aktiv an den Diskussionen im Unterricht beteiligen. Darauf freue ich mich sehr! Mein Kurs bietet reichlich Gelegenheit für Diskussionen, praktische Übungen und Reflexion. Ich bin besonders gespannt auf die qualitativen Arbeiten und Ideen der Doktorand*innen zu Theoriebildung und Veröffentlichungen.