„Jemand, der zu Lösungen beitragen kann“ - Opening Days der Graduate School
18.10.2024 Was bedeutet Transformation für uns, jetzt gerade, hier und heute? Dr. Johan Schot, Professor für Sustainability Transitions an der Universität Utrecht und Dr. Nina Smidt, CEO der Siemens Stiftung diskutierten bei der Podiumsdiskussion im Rahmen der Graduate School Opening Days zu Wissenschaft und Wandel. Mit auf dem Podium saß Dr. Steffen Farny, Professor für Social and Sustainable Entrepreneurship. Es moderierten die Nachhaltigkeitswissenschaftlerin Dr. Julia Benkert und Dr. Markus Reihlen, Professor für Betriebswirtschaftslehre und Vizepräsident für Internationalisierung an der Leuphana.
Die neuen Masterstudierenden und Promovierenden wurden von Simone Abels, Vizepräsidentin für die Graduate School begrüßt. Mit Blick auf die kommende Zeit als Graduate Student ermunterte sie das Plenum, im eigenen Lernprozess auch einmal Hartnäckigkeit zu zeigen und die eigenen Herausforderungen persistent zu verfolgen: „Ich weiß, dass Lernen und das ‘Dranbleiben’ in euch allen steckt!“
Alle sprechen von Transformation. Wie jeder Leitbegriff wird er mit der immer häufigeren Verwendung zunehmend unklarer. Statt mit einer Definition zu beginnen, fragte Julia Benkert die Studierenden und Promovierenden nach ihrer Einschätzung – denn sie sind es, die die Transformation umsetzen werden: „Was bedeutet Transformation für Euch?“ „Veränderung ist nur der kleinste Schritt“, antwortete ein Student, „Beharrlichkeit ist wichtig.“ „Veränderung bedeutet, etwas Vertrautes hinter sich zu lassen“, ergänzte eine Kommilitonin, „etwas zu ändern, mit dem man aufgewachsen ist und das einem vertraut ist.“ Eine andere Studentin fragte: „Wie schafft man eine nachhaltige Transformation?“ Nina Smidt warf die soziale Perspektive ein: „Es geht um gerechte Transformationen, um tiefgreifenden systemischen Wandel [change] auf sozialer, wirtschaftlicher und ökologischer Ebene. Wir brauchen Transformation für eine nachhaltige Entwicklung.“ Beim Stichwort „Wandel“ widersprach ihr Johann Schot: „Transformation ist nicht dasselbe wie Wandel. Transformation kann sowohl persönlich als auch systematisch sein, aber sie geht vor allem tief. Man muss etwas aufgeben. Es ist eine Zäsur [disruption]. Und es geht um Macht: Manche Menschen müssen Macht abgeben, andere gewinnen Macht dazu.“ Steffen Farny griff diesen Gedanken auf: „Es ist eine Reise in die Zukunft. Sie hat viel mit Mut zu tun. Wir können nicht alles darüber wissen. Deshalb ist es wichtig zu fragen: Was können wir über diese Prozesse wissen und wie können wir sie in großem Maßstab beeinflussen?“
Die Zukunft und die Zukünfte
„Die Zukunft gibt es nur im Plural“, sagte Johan Schot, „die Idee der Moderne war, dass es einen – und nur einen – Standard gibt und dass der Rest aufholen muss. Das muss sich ändern. Wir sind das Problem. Wir, der Westen. Wir sind das Problem, weil wir unsere Probleme exportieren.“ Deutschland etwa exportiere seinen Müll nach Ghana und verkaufe dann aber den Ghanaer*innen Technologien für Recycling und Müllverwertung. Genau deswegen, flankierte Smidt, sei es wichtig zu fragen, von welcher Position aus gefragt und transformiert wird: „Wer trifft diese Entscheidungen? Wer gestaltet diese Zukunft? Wir müssen den Stimmen des globalen Südens mehr Gehör schenken.“
„Was ist mit wünschenswerten Zukunftsperspektiven?“, fragte Markus Reihlen. Farny antwortete: „Wenn Sie sich auf die negativen Aspekte konzentrieren, werden Sie nicht genug motiviert sein, um etwas zu ändern.“ Die Gefühlsforschung zeige, dass negative Emotionen nur zeitlich sehr begrenzte Handlungsmotivation mit sich bringen. Stattdessen empfahl Farny: „Seien Sie leidenschaftlich bei dem was Sie tun. Setzen Sie sich für eine progressive Gestaltung der Zukunft ein.“
Wandel und Teilhabe
Ein Thema war den Studierenden besonders wichtig. Eine Studentin formulierte es so: „Zwischen Forschung und Umsetzung klafft eine große Lücke. Wie können wir diese Lücke schließen?“ Ganz wird man es nie wegkriegen, sagte Farny, denn sie sei strukturell bedingt: „In der realen Welt orientieren sich Menschen an Relevanz. In der Wissenschaft orientieren wir uns an Genauigkeit.“ Er unterstrich in diesem Kontext die zentrale Rolle von Transdisziplinarität. Es gelte, die gestalterischen Möglichkeiten zu nutzen: „Als Sozialwissenschaftler*innen könnten wir die Zukunft gestalten, die wir erforschen.“ Das teilte auch Schot: „Die Rolle der Universität besteht darin, sich am Transformationsprozess zu beteiligen. Universitäten müssen sich jedoch ändern, um daran teilhaben zu können. Das wird nicht einfach sein. Einfache Win-win-Optionen sind im nachhaltigen Bereich ohnehin selten. Man muss sich darüber im Klaren sein, dass einige Menschen etwas verlieren werden. Veränderungen geschehen nie nur aus Gründen der Neuheit. Die dominierenden Institute müssen nachgeben und sich öffnen. Es wird immer Konflikte geben. Die Frage ist: Wie kann man sie produktiv machen?“
Eine Studentin ließ aber nicht locker und fragte, vor dem Hintergrund ihrer Arbeitsgruppe während der Opening Days: „An der Universität ist man wie in einem Elfenbeinturm. Wir reden zwar viel darüber, aber wir haben nicht viel Kontakt zu Randgruppen. Auch hier an der Leuphana: Wie vielfältig ist das Studienprogramm? Wie vielfältig sind wir wirklich?“ Smidt drehte die Frage um: „Ihr, die Studierenden, seid die Zukunft – Ihr seid die Veränderung [die Ihr einfordert].“ Ähnlich sah es Schot: „Sehen Sie sich selbst als jemanden, die*der zu Lösungen beitragen kann.“ Die in den Studienangeboten der Graduate School enthaltenen „Experimentierräume“ eröffnen laut Steffen Farny vielfältige Optionen, dies zu verwirklichen.
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- Luisa Hilmer