Interview mit Laura

Nach ihrer Grundschulzeit auf La Gomera, besuchte Laura in Lüneburg die Oberschule, wechselte aufs Gymnasium und kehrte nach der 11. Klasse der Schule den Rücken. Zwei Berufsausbildungen, einige Jahre Berufserfahrung und zwei Auslandsaufenthalte später entscheidet sie sich die Immaturenprüfung abzulegen, um am Leuphana College Umweltwissenschaften zu studieren. Im Interview erzählt Laura von ihrer immerwährenden Sehnsucht nach Herausforderungen, von Praktika, die ihr zeigten, wo es beruflich nicht für sie hingehen sollte und wie sie es noch in den Immaturenkurs schaffte, obwohl sie dafür eigentlich schon zu spät war...

Liebe Laura:Du bist über die Immaturenprüfung an die Leuphana gekommen. Kannst Du kurz erzählen, in welcher Lebenssituation sich Menschen befinden, die sich für diesen Weg entscheiden? Was glaubst Du, sind deren Motive?
Ich denke diese Menschen befinden sich an einem Punkt in Ihrem Leben, an dem sie sich einer neuen Herausforderung stellen möchten, die sie im bisherigen Berufsleben vielleicht vermissen. Manche möchten sich durch ein Studium weiter qualifizieren und auf ihre Fähigkeiten aufbauen. Andere sind schlicht unzufrieden mit dem, was sie vorher gemacht haben und möchten einen neuen Weg einschlagen.  So sehen diese Menschen die Immaturenprüfung vielleicht als Ausweg, als Möglichkeit sich weiter zu entwickeln. Menschen, die Jahre später erst ihre Berufung gefunden haben oder zu früherer Zeit nicht studieren konnten oder wollten.

 

Wie sah Deine Schullaufbahn aus? Welche Schulen hast Du besucht?
Oh, das sind inzwischen schon mehrere (lacht). Zur Grundschule bin ich auf La Gomera gegangen, eine von den sieben Kanarischen Inseln im Atlantik. Nach sechs Jahren Aufenthalt dort entschied meine Mutter, wieder zurück nach Deutschland zu gehen, damit ich auch die geschätzte deutsche Schulbildung erhalte. Ich ging dann zwei Jahre auf die OS Kreideberg in Lüneburg. Darauf folgten vier Jahre Realschule und ein Jahr Gymnasium, ebenfalls in Lüneburg. Jedoch entschied ich mich nach der 11. Klasse abzugehen und eine Ausbildung zu beginnen.

Was hat Dich dazu bewogen, schon nach der 11. Klasse von der Schule abzugehen?
Zum einen hatte ich Unstimmigkeiten mit meinem Deutschlehrer, der mir, obwohl ich immer 2er-Schülerin gewesen bin, eine 5 gab, weil ich gewisse Texte nicht entsprechend seiner Vorstellungen interpretiert habe. Zum anderen war der Wechsel von der Realschule zum Gymnasium im Fach Mathematik für mich nicht zu bewältigen. Somit hätte ich die 11. Klasse wiederholen müssen. Ich war mit der Schule unzufrieden und mein Traum, Abitur zu machen, rückte in immer weitere Ferne. Da ich aber kein Jahr verlieren wollte, entschied ich mich im folgenden Schuljahr auf die Fremdsprachenschule in Hamburg zu gehen.

Wie gestaltete sich bei Dir an der Schule die Berufsorientierung?
Die Berufsorientierung gestaltete sich hauptsächlich durch Praktika. Ich habe mein erstes Praktikum beim Theater in der Requisite gemacht, dann im Fitnessstudio und zuletzt bei einem Rechtsanwalt. Leider hat mir keines der Praktika wirklich bei der Berufswahl geholfen. Zumindest wusste ich dann aber, was ich nicht wollte. Ich glaube zu dem Zeitpunkt war ich noch zu jung, um eine Berufswahl zu treffen. Später in der Fremdsprachenschule machte ich ein Praktikum bei einer Zeitarbeitsfirma und lernte viel über Personalvermittlung. Nach meinem Praktikum bot die Firma mir eine Nebentätigkeit an, worüber ich dann Einblicke unter anderem bei einer namhaften Reederei bekam. Diese Erfahrung motivierte mich auch dazu, noch eine weitere Ausbildung zu machen.

Was für eine Ausbildung hast Du absolviert und warum hast Du Dich dafür entschieden?
Ich habe sogar zwei Ausbildungen abgeschlossen. Meine erste war eine schulische Ausbildung zur Fremdsprachenkorrespondentin. Dafür entschied ich mich wegen meines Sprachtalents (Spanisch und Englisch). Während der Ausbildung bemerkte ich, wie sehr mir Sprachen und das Kaufmännische Spaß bereiten und da Hamburg eine durch den Außenhandel geprägte Stadt ist, hat sie sehr viele Möglichkeiten in diesem Bereich zu bieten. Um mich besser zu qualifizieren, entschied ich auf diese Ausbildung aufzubauen und ging in die Lehre als Kauffrau im Groß- und Außenhandel Fachrichtung Außenhandel.

Wie liefen Deine Ausbildungen ab? Was hast Du dort gelernt?
Die erste Ausbildung war nur schulisch, aber ich lernte wie man Geschäftskorrespondenz auf Englisch und Spanisch führte, außerdem Buchhaltung, Wirtschaft, Excel und Textverarbeitung. In der zweiten Ausbildung war es vorgesehen, drei Tage in die Schule zu gehen und zwei Tage im Betrieb zu helfen. Dort habe ich viel gelernt: Umgang mit den Kunden, mit neuen Computersystemen, Angebotserstellung, Auftragsabwicklung, Einkauf, Koordination und Logistik, Zollabwicklung, Reklamationsbearbeitung und Rechnungserstellung. In der Schule lernte ich eher Theoretisches, wie Betriebswirtschaftslehre, Beschaffung und Logistik und ein wenig Fremdsprachen.

Was hast Du nach Deiner zweiten Ausbildung gemacht?
Ich wurde von dem Betrieb übernommen und arbeitete fast zwei Jahre in Vollzeit, bis ich in meinem ersten Auslandsaufenthalt nach Mittelamerika ging. Für die Zeit wurde ich von meinem Betrieb freigestellt und reiste insgesamt ein halbes Jahr durch Costa Rica, Panama, Kolumbien, Nicaragua und El Salvador. Während der Reise leistete ich Freiwilligenarbeit als Englischlehrerin, Tierpflegerin und half in Hostels aus. Dafür gab es meist Kost und Logie. Als ich wieder zurück in Deutschland war, arbeitete ich ein halbes Jahr in meinem vorherigen Betrieb und ging dann noch mal nach Costa Rica um dort mein Praktikum in einer Firma, die Photovoltaikanlagen verkauft, anzutreten.

Von einer Festanstellung aus in ein Praktikum zu gehen, ist ja eher ungewöhnlich. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Nach meiner Rückkehr verspürte eine Langeweile und Unzufriedenheit in meinem Job, auch wenn ich meine Sprachen anwenden konnte. Ich wollte mich beruflich weiterentwickeln, etwas Neues ausprobieren und am liebsten im Bereich Entwicklung und Nachhaltigkeit tätig werden. Ich verspürte den Willen, etwas für diese Welt zu tun, statt nur für den Kapitalismus zu arbeiten. Im Internet fand ich die Praktikumsstelle, bewarb mich und als ich die Zusage hatte, dachte ich mir "so schnell bekomme ich diese Chance nicht wieder", also packte ich erneut meine Sachen und freute mich auf eine neue Herausforderung.

Wann ist Dir klar geworden, dass Du ein Studium beginnen möchtest?
Im Ausland, während meiner Reisen und meines Praktikums. Ich bemerkte, dass ich in Deutschland nicht zurück in den alten Job möchte und dass ich mich nach einer Herausforderung sehne. Ich entdeckte viele neue Dinge, die mich interessierten, mich neugierig und wissensdurstig machten. Außerdem fehlte mir das Fachwissen in einigen Bereichen, die mich im Praktikum noch hätten weiter bringen können, aber auch generell wollte ich wieder mehr lernen.

Wie bist Du darauf gekommen, Umweltwissenschaften an der Leuphana zu studieren?
Eigentlich durch einen Zeitschriftenartikel in der "Brigitte", dort wurde von einer Frau berichtet, die an der Leuphana Umweltwissenschaften studiert hat und nun Projekte in Afrika betreut. Zu diesem Zeitpunkt war ich auf der Suche nach einem entsprechenden Studienfach, jedoch war ich mir nicht sicher, für welches ich mich entscheiden sollte. Die Zeitschrift fiel meiner Mutter in die Hände, die mir später davon erzählte. Außerdem hat sie früher ebenfalls an der Universität Lüneburg studiert, die damals noch eine pädagogische Hochschule war.

Wie und wo hast Du Dich über die Möglichkeiten des Hochschulzugangs informiert?
Kurz bevor ich das zweite Mal ins Ausland ging, informierte ich mich bei der Studienberatung in Hamburg über die Studienmöglichkeiten, um eine Alternative in der Hand zu haben, wenn ich wieder zurück von meinem Praktikum in Deutschland bin. Dort erzählte man mir von der 3+3 Regelung wonach man mit einer Berufsausbildung und dreijähriger Berufspraxis im selben Bereich an einer Hochschule studieren darf. Über E-Mailverkehr mit der Universität fand ich heraus, dass man mir meine Auslandsaufenthalte jedoch nicht zur Berufserfahrung anrechnen würde und mir damals noch 7 Monate fehlten, um die Kriterien für die 3+3-Regelung zu erfüllen. Also hätte ich über diesen Weg erst im darauf folgenden Jahr studieren können. Auf Grund meiner kaufmännischen Ausbildung, wäre meine Studienwahl an vielen Unis auch nur auf VWL und BWL begrenzt gewesen, was für mich uninteressant war. Dennoch durchforstete ich das Internet weiter nach Studiengängen, Möglichkeiten zu "Studieren ohne Abitur" und las mir dazu die Bestimmungen vieler Unis aus unterschiedlichen Bundesländern durch.

Wie bist Du dann auf die Immaturenprüfung aufmerksam geworden?
Meine Mutter hat vor Jahren ebenfalls die Immaturenprüfung absolviert und ihren Abschluss als Diplom Pädagogin gemacht. Als ich von dem Studiengang Umweltwissenschaften erfuhr, informierte ich mich auf der Internetseite der Leuphana über die Teilnahmekriterien für die Immaturenprüfung und ich stellte fest, dass ich zwar alle Kriterien erfüllte, dass aber der Immaturenkurs bereits im März angefangen hatte. Als ich im Juni zurück in Deutschland war, gab ich nicht auf und suchte nach weiteren Wegen, um an die Hochschule zu kommen. Bei der Studienberatung der Leuphana riet man mir bei der VHS und dem NLQ nachzufragen, ob ein Quereinstieg möglich wäre. Die Koordinatorin, die auch gleichzeitig die Deutschlehrerin aus dem Kurs war, hörte sich meine Geschichte an und schlug mir vor auf Probe zum Unterricht zu kommen. Nach meiner zweiten Teilnahme sagte sie, dass sie sich freuen würde, wenn ich an dem Kurs weiter teilnehmen und dass ich gut rein passen würde. Ich freute mich sehr und konzentrierte mich ab da nur noch auf mein Ziel, Umweltwissenschaften zu studieren. Dass meine Mutter denselben Weg zuvor gegangen ist, gab mir Mut es auch zu schaffen. Bei meiner Zeugnisübergabe stellte sich witzigerweise heraus, dass meine Deutschlehrerin aus dem VHS-Kurs genau ein Jahr später als meine Mutter ebenfalls die Immaturenprüfung abgelegt hatte.

Wie hast Du Dich auf die Immaturenprüfung vorbereitet?
Um für Teil A der Immaturenprüfung zugelassen zu werden, nimmt man neun Monate an dem dafür ausgerichteten VHS-Kurs "Studieren ohne Abitur" teil. Dieser beinhaltet die Fächer Deutsch, Mathe und Englisch. Durch die Teilnahme an diesem Kurs wird man auf die Prüfungen vorbereitet. Für den B-Teil der Prüfung, der an der Universität stattfindet, habe ich etwa ein halbes Jahr vor dem Termin meinen zuständigen Professor kontaktiert. Dieser hat für mich ein Prüfungsthema ausgesucht, auf das ich mich dann vorbereitet habe.   

Wie lief die Immaturenprüfung selbst ab?
Zuerst gibt es die allgemeine Prüfung (A-Teil) in den Fächern Deutsch, Mathe und Englisch. Diese zentrale Prüfung findet für alle Prüflinge zusammen an drei Wochenenden statt. Es folgt eine mündliche Prüfung über ein selbst gewähltes Thema, über das zuvor eine Facharbeit angefertigt werden muss. Erst mit Bestehen der  Prüfung qualifiziert man sich für den B-Teil der Prüfung an der Universität. In meinem Fall durfte ich für den B-Teil zwischen einer Klausur und einer wissenschaftlichen Arbeit mit anschließendem Kolloquium wählen. Ich entschied mich für Letzteres und bekam das Thema "Recycling von Photovoltaikanlagen - Möglichkeiten und Grenzen". Den Termin für das Kolloquium und die mündliche Prüfung von Teil B hatte ich am selben Tag. Es folgte dann eine Zeugnisübergabe an der VHS Lüneburg und eine an der Leuphana Universität.

Hattest Du mit dem Bestehen der Immaturenprüfung automatisch einen Studienplatz für Umweltwissenschaften an der Leuphana in der Tasche?
Nein, leider nicht. Ich musste an dem ganz normalen Bewerbungsverfahren der Leuphana  teilnehmen, was mich ziemlich nervös stimmte. Außerdem nervte mich, dass ich nach über einem Jahr lernen und Vorbereitung immer noch nicht Bescheid wusste. Zudem hatte ich große Angst vor dem Studierfähigkeitstest, da ich diese Tests von Einstellungsverfahren kenne und ich so gar nicht der Typ dafür bin.

Du hast jetzt gerade den Zulassungsbescheid von der Leuphana bekommen und bist kurz davor Dein Studium tatsächlich zu beginnen. Was glaubst Du, wo hast Du gegenüber Studierenden, die direkt vom Abi an die Uni kommen Vorteile und wo möglicherweise Nachteile?
Nachteile in dem Sinne, dass die Studierenden, die direkt von der Schule kommen, mehr Fachwissen mitbringen, gerade im Bereich Chemie. Hier muss ich Vieles nachholen, was ich zuletzt in der Realschule hatte. Das ist schon 10 Jahre her. Der Vorteil besteht darin, dass ich Zusammenhänge schneller verstehe oder herstellen kann, mehr Erfahrung, Disziplin und Selbstständigkeit mitbringe und eine realistischere Vorstellung zu Abläufen in der Arbeitswelt habe.