Das griechische Gesundheitssystem: Mit einem Fuß im Grab

Wegen der Sparpolitik hat das griechische Gesundheitswesen den Notstand ausgerufen. Was bedeutet das für die dort lebenden Menschen? 

Ein Feature von Marina Tentomas.

Die Operationen laufen auf Hochtouren, trotz fehlender Mittel ©Pexels
Die Operationen laufen auf Hochtouren, trotz fehlender Mittel

Griechenland, Kleinstadt, Krankenhaus. Überfüllte Räume und Gänge. Mittendrin kranke und schwerkranke Patienten, die dringend auf ihre Operationen warten. Vereinzelt stehen Rollstühle mit platten Reifen herum. Hier und da versperrt eine Liege den Weg. Eine Putzfrau wischt mit einem abgenutzten Lappen durch den Raum und quatscht sich mit den Besuchern und Patienten fest. Eine Szene, wie sie sich derzeit überall in Griechenland zutragen könnte.

In Deutschland sind 97 Prozent der Bevölkerung krankenversichert, doch blickt man über die Grenzen, ist eine Krankenversicherung alles andere als selbstverständlich. In Griechenland zum Beispiel besitzt ein Drittel der Bevölkerung keine Krankenversicherung. Und wenn ja, dann deckt sie im gesetzlichen Sektor nur die nötigsten Behandlungen ab. Alles andere, was den preislichen Rahmen sprengt, wird nicht übernommen. Somit bleiben viele Griechen auf den Kosten der Behandlung sitzen und sind für deutsche Verhältnisse unterversorgt. Die Folgen der Sparpolitik von 2010 werden überall im Land sichtbar. Den Angestellten und auch den Beamten wurde der Lohn gekürzt. Teilweise von 2100 Euro auf 740 Euro. Und auch im Gesundheitssektor hinterlässt das extreme Sparen seine Spuren. Zwischen 2009 und 2016 wurden hier die Ausgaben von 16,2 Milliarden auf 8,6 Milliarden halbiert. Laut der Berliner Griechenlandhilfe wurden 54 der 137 Krankenhäuser, sowie zusätzlich 350 Polikliniken geschlossen. Für die restlichen Krankenhäuser wurde das Budget um 40 Prozent gesenkt. Den Krankenhäusern fehlt es oftmals an Personal, Geräten und grundlegenden Dingen wie Wasser, Alkohol oder Verbandszeug.

Ein Einheimischer berichtet über die Zustände in Griechenland

Kosta Psychogios ist vor 14 Jahren mit seiner Familie aus Berlin nach Griechenland ausgewandert und hat die Auswirkungen des extremen Sparens miterlebt:

Wir hatten hier im Dorf schon Todesfälle gehabt. Das war eine ganz normale OP gewesen. Und die haben das mit verunreinigtem Operationswerkzeug gemacht und die Frau ist dann von innen verfault. Die ist tot. Ihre Mutter rennt jeden Tag zum Friedhof und heult sich die Augen aus wegen sowas total Blödem. Dem anderen mussten sie das Bein amputieren. Die haben irgendwas an seinem Zeh gemacht.

Die Vorfälle sprechen sich rum und schüren Angst. Somit kommt ein Krankenhausaufenthalt für die meisten Menschen in Griechenland nicht in Frage, es sei denn ihnen ist etwas wirklich Gravierendes zugestoßen. Wenn dies der Fall ist, müssen die Griechen damit rechnen, dass sich ihr Zustand nach einem Aufenthalt in einem öffentlichen Krankenhaus verschlechtern könnte. Wer Geld hat, geht deshalb in eine Privatklinik mit besserer Ausstattung und einer besseren Behandlung. Der Rest muss sich mit den gesetzlichen Angeboten zufrieden geben. Allerdings besteht für griechische Bürger die Möglichkeit, direkt in die Apotheke zu gehen und Antibiotika, starke Schmerzmittel oder sogar Tetanusspritzen zu kaufen. Somit sparen viele an den Kosten eines Arztbesuches oder einer professionellen Behandlung.

Was hat das noch mit gesundheitlichem Wohlstand zu tun? Für Kosta Psychogios bedeutet Wohlstand ein geregeltes Einkommen zu haben, sich Urlaub zu nehmen, nicht frieren zu müssen und letztendlich zum Arzt gehen zu können. Aber auch gesundheitliche Vorsorgeuntersuchungen werden von den Krankenkassen nicht mehr übernommen.

Eine Verbesserung der aktuellen Lage sieht er für die nächsten 40 Jahre nicht. Aber wieso bleiben die Menschen trotz der Verhältnisse dort?

Wir haben 320 Tage Sonne im Jahr. Und draußen ist richtig schön warm. Und wenn wir hier so nah am Meer sind und das Rauschen hier hören … ich glaube das ist das Einzige. Halt die Psyche weißt du?

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wurde in diesem Blogbeitrag die männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Diese ist als geschlechtsneutral zu betrachten und dient lediglich einer sprachlichen Vereinfachung. Mir ist wichtig zu betonen, dass ich damit auf keinen Fall eine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts ausdrücken möchte.

 

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