Glaube vereint – Religionsvielfalt als Spiegel der Gesellschaft

Menschen Glauben auf unterschiedliche Weise. Das kann zu Konflikten führen - doch Religion kann auch verbinden. Besonders in der heutigen Gesellschaft lohnt sich ein offener und sensibler Umgang. Eine Diskussion zwischen Religionsexpert*innen liefert Einblicke in die Bedeutung der Religionsvielfalt.  

Ein Bericht von Lars Schlotfeldt.

Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor während ihrer Rede. ©Lia Springer
Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor während ihrer Rede.

Ein Katholik, ein Jude, ein Protestant und eine Muslima. Auf den ersten Blick haben alle nichts gemeinsam. Doch guckt man genauer hin, stellt man fest: Sie alle verbindet etwas. Denn alle glauben an einen Gott. Inwieweit sie dies auf individuelle Weise tun und in welcher Beziehung die Religionen zueinanderstehen, wurde in einer Plenumsdiskussion besprochen.

Religionen sind vielfältig, auch innerhalb ihres Glaubens

Religionen können beides: trennen und verbinden. Doch worauf kommt es dabei tatsächlich an? Sicherlich spielt stets die Herangehensweise an einen solchen Dialog eine entscheidende Rolle. Ein wichtiger Aspekt in Hinblick auf eine offene Religion spiele der Begriff der religiösen Identität, so der katholische Bischof Heiner Wilmer. „Die religiöse Identität beschäftigt sich damit, wie ich mich mit einer Religion identifizieren kann.“ Dies, so der 58-Jährige, beinhalte die Überzeugung, nicht nur von einem prototypischen Islam oder Christentum auszugehen. Vielmehr ermögliche ein solches Verständnis von Religion, sie in ihrem innersten Kern als vielfältig wahrnehmen zu können. 

Wilmer selbst ist der Überzeugung, er wäre nicht imstande gewesen, Jesus ohne das Judentum jemals zu verstehen. Auch der praktizierende Jude, Johann Bronstein, ist der Auffassung, dass die Religion vielfältige Perspektiven zulässt. Ein Aspekt, den der evangelische Bischof Dieter Rathing so weit ausführt, dass er sogar den Kontakt zu Atheisten als “bedeutend und lohnenswert” erachtet. 

In eine ähnliche Kerbe schlägt die in Westfalen geborene Muslima Lamya Kaddor. Auch ihr ist ein Dialog zwischen verschieden Glaubensrichtungen wichtig. Ihr Vortrag beginnt mit einer Anekdote: Auf ihrem Schulweg sei sie früher stets an einem Kruzifix vorbeigelaufen - für sie ein Symbol für Gewalt - und hätte sich dabei stets die Frage gestellt: „Wie passen Gewalt und Nächstenliebe beide zusammen“. Lange fand sie keine Antwort auf diese Frage. Doch letztendlich kam ihr die Einsicht, dass es Menschen gibt, die Glauben, Jesus sei aus Liebe zu den Menschen gestorben. Eine Einsicht, die für eine Muslima, die an den Koran glaubt, alles andere als selbstverständlich ist, bedenkt man, dass im Islam höchst kontrovers darüber diskutiert wird, ob Jesus, der nur als Prophet erachtet wird, tatsächlich am Kreuz gestorben sei.

Religionen bergen auch Gefahren – wenn Vielfalt nicht toleriert wird

Religionen können aber nicht nur verbinden, sondern auch trennen, wenn keine Anerkennung der Vielfalt stattfindet. Im Mai 2010 führte Kaddor den liberal-islamistischen Bund mit ein. Die Reaktionen waren Diffamierungen und Bedrohungen. Ähnliche Reaktionen erhielt sie 2016 nach der Veröffentlichung ihres Buches „Die Zerreißprobe“. Die Einführung eines liberalen Islams könne trennen, obwohl er versuche, zu verbinden, so die 42-Jährige. Denn dieser macht sich für eine Gleichberechtigung der Geschlechter stark und versucht, Jugendlichen die Perspektive zu bieten, an islamistischen Ritualen festzuhalten und gleichzeitig nach den demokratischen Werten zu leben. Auch an der Leuphana Universität sind noch Barrieren zwischen den Religionen vorhanden. So ist es Menschen mit islamischer Glaubensrichtung noch nicht möglich, das Lehramtsstudium mit dem Fach Religion auszuüben.  

Warum es sich lohnt, mit verschiedenen Glaubensrichtungen ins Gespräch zu kommen

„Religion hat viel mit Intimität und dem eigenen Wunsch, an etwas Glauben zu wollen zu tun“, so Kaddar in einer abschließenden Diskussionsrunde. Doch ohne den Dialog mit verschiedenen Religionen sei es nicht möglich, grundlegende Gemeinsamkeiten festzustellen. Diesbezüglich sind sich die Gäste der Veranstaltung einig: Gerade in der pluralistischen Gesellschaft, in der wir heute leben, sei der Dialog mit unterschiedlichen Religionen umso wichtiger. Erst durch diesen könne eine gemeinsame Erkenntnis entstehen, die eine gegenseitige Anerkennung ermöglicht, so Wilmer. Er ist der Meinung: „Religionen können eine offene Gesellschaft abbilden.“ Ein Satz, dem sich jeder in der Veranstaltung anzuschließen scheint. 

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