Ist das Europa, oder kann das weg?

Der Brexit ist vollzogen. Weitere Länder überlegen, dem britischen Vorbild zu folgen. Deshalb stellen sich immer mehr Menschen die Frage: Braucht man die EU überhaupt noch?

Ein Feature von Vincent Graw.

Die Teilung Europas ©Vincent Graw
Die Teilung Europas

„What do we want? Brexit! When do we want it? Now!”, schallte es über die Straßen Englands. Die Brexit-Demonstranten waren aufgebracht. Sie forderten einen sofortigen Ausstieg aus der EU. Am 31. Januar 2020 war es dann soweit und die Briten verließen die EU. Und sie sind nicht die Einzigen. Die AfD, eine Partei, die für den Austritt Deutschlands aus der EU wirbt, erhält bei Landtagswahlen 2019 in einigen Bundesländern bereits über 20 Prozent der Wählerstimmen. In Frankreich hat Marie Le Pen’s Partei, der Front National ebenfalls das Ziel formuliert, aus der EU auszusteigen. Doch was macht diese ganzen Parteien so wütend auf Europa? Ist es „nur“ Nationalismus, oder steckt mehr dahinter?

Daniel Kamolz, 22, ist Kulturwissenschaftsstudent. Er geht gerne feiern, reist viel und manchmal macht er auch einfach gar nichts. Doch seit neuestem engagiert er sich politisch. Er ist ein überzeugter Europäer und Vize-Leader des City Teams Lüneburg der Partei VOLT. 

VOLT

VOLT ist eine pro-europäische, föderalistische Partei, die bei der Europawahl 0,7 Prozent und somit ein Mandat erhalten hat. Sie wurde 2017 gegründet und hatte bereits 2018 laut eigenen Angaben etwa 10.000 Mitglieder.

Daniels Ansicht nach profitieren alle von der EU. „Wir verdanken der EU wahnsinnig viel“. Sie sei im Alltag omnipräsent. Auch, wenn man es nicht immer merke. Vorteile seien neben dem Euro, der Reisefreiheit und der Abschaffung des Datenroamings auch europaweite Standards.

EU-Gegner

EU-Gegner wie die AfD begründen ihre „Anti-EU“-Position damit, dass die Interessen der Länder durch die EU in den Hintergrund rückten, da EU-Recht über dem nationalen Recht stehe.

Laut dem Parteiprogramm von VOLT Deutschland soll eine „Kompetenzübertragung von lokaler, regionaler und nationaler auf die europäische Ebene“ nur dann erfolgen, wenn „diese für die jeweilige Kompetenz die effektivste Ebene darstellt“. Auch der 22-jährige Daniel fordert ein föderal organisiertes Europa, das von unten nach oben regiert wird. Er ist der Meinung, dass man nationale Interessen nicht dem Allgemeinwohl voranstellen soll. „Außerdem heißt ein vereintes Europa nicht, dass wir irgendwann alle eine Sprache sprechen oder nationale oder regionale Kulturen verloren gehen“, betont er.

Ein weiteres Argument der EU-Gegner sind die hohen Kosten der EU. Alleine Deutschland trägt laut Europäischem Parlament zum EU-Haushalt etwa 19,5 Milliarden Euro pro Jahr bei. Durch Subventionen erhält Deutschland allerdings auch wieder fast 11 Milliarden Euro pro Jahr. Dies macht dennoch ein Minus von 8,5 Milliarden Euro.

Der Kulturwissenschaftsstudent ist anderer Ansicht. Für ihn würde gerade Deutschland als Exportnation am meisten von der EU und ihrem Freihandelsraum profitieren. Somit seien wir alle abhängig davon, dass die EU funktioniert. Die EU sei politisch und wirtschaftlich für die Nationen wichtig, um sich international behaupten zu können. „Das werden die Briten nach dem Brexit auch noch zu spüren bekommen“, glaubt Daniel.

Unrecht hat er damit nicht. Zumindest hat der Brexit die Briten laut Focus bisher etwa 100 Milliarden Euro gekostet, Bilanz steigend (Stand April 2019). Seit der Einführung des Europäischen Binnenmarktes ist nach Berechnungen der Prognos AG das reale Bruttoinlandsprodukt in Deutschland zwischen 1992 und 2012 in jedem Jahr um durchschnittlich 37 Milliarden Euro gestiegen.

EU als Nationalstaat?

Doch sollte die EU dann nicht sogar mehr sein, so etwas wie ein Europäischer Staat? Daniel ist der Überzeugung, dass man auf einen einheitlichen Staat hinarbeiten sollte. Dies sei jedoch vor 2050 nicht realistisch. Ein starkes, vereintes Europa liegt für den Studenten  in unserem eigenen Interesse, da in unserer globalisierten Welt, in der China immer mächtiger werde und selbst die USA kein verlässlicher Partner mehr seien, die Gefahr besteht, sich in Abhängigkeit anderer Staaten zu begeben. „Meiner Meinung nach sollte man nach und nach Befugnisse an Brüssel abgeben, nicht alles auf einmal“, sagt Daniel. „Eine „Europäische Konföderation“ wäre ein gutes Übergangsprojekt.“

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