Ist Wohlstand wirklich Wohlstand?

Zusammen mit anderen EU-Ländern zählt Deutschland zu den wohlhabendsten Ländern der Welt. Aber ist Wohlstand wirklich Wohlstand?

Ein Kommentar von Lucas Hedicke.

Macht Geld wirklich glücklich? ©Pexels
Macht Geld wirklich glücklich?

In erster Linie gelten materielle Güter und im Allgemeinen greifbare Dinge, als Anzeichen für Wohlstand. Betrachten wir die Bedürfnispyramide von Maslow, sind damit allerdings nur die untersten Ebenen der Grund- sowie der Sicherheitsbedürfnisse abgedeckt. Soziale- und Individualbedürfnisse sowie der Wunsch nach Selbstverwirklichung scheinen bei der Wohlstandsbewertung kaum eine Rolle zu spielen.

Wie gut geht es Deutschland wirklich?

Erste Hochrechnungen vom statistischen Bundesamt ergaben, dass das Bruttoinlandsprodukt im letzten Jahr auf knapp 3,5 Milliarden Euro gestiegen ist. Im internationalen Vergleich wird noch deutlicher, wie viel das wirklich ist. Denn die Deutschen belegen innerhalb der Europäischen Union mit Abstand den ersten Platz was Geld verdienen angeht. Knapp 30 Prozent liegen wir vor dem zweitplatzierten, ehemaligen EU-Mitglied Großbritannien. Irgendwo auf Platz zwölf ist Dänemark. Unser nördliches Nachbarland erwirtschaftet gerade mal ein Zehntel des deutschen BIP. Trotzdem gelten die Dänen als wohlhabendste und glücklichste Nation der Welt. Wie kommt das? Und wer legt eigentlich fest, wie wohlhabend ein Land ist?

Das Legatum Institute of London veröffentlicht seit 13 Jahren jährlich einen Wohlstands-Index. Der sortiert fast alle Staaten der Erde entsprechend ihres Wohlstandes. Letztes Jahr wurden dafür 167 Länder untersucht. Für die Bewertung wurden drei Kategorien definiert. Untersucht wird nämlich, wie inklusiv Gesellschaften sind, wie frei die Wirtschaft agieren darf und wie viel für die Einwohner getan wird. Diese Kategorien sind nochmals aufgebröselt und bilden die Grundlage für das Ranking. Denn für jeden Bereich erhalten Staaten einen Rang und je öfter Länder einen guten Rang erhalten, desto höher ist die Platzierung im Gesamtranking. So weit so gut. Wo steht Deutschland denn?

Immerhin reichts für die Top Ten

Seit der erstmaligen Veröffentlichung des Rankings befinden sich die hyggeligen und überaus glücklichen Dänen in den oberen Rängen. Im letzten Jahr schafften sie es dann endlich an den Norwegern vorbei und erreichten Platz eins. Deutschland erreicht immerhin noch Platz acht. Direkt vor den Deutschen befindet sich Neuseeland auf dem siebten Platz und ist damit der einzige, nicht-europäische Staat in den Top Ten. Neben Bildung, Gesundheit, Sicherheit und Regierung bleibt Geld ein zentrales Element für die Vermessung des Wohlstandes.

Geld allein macht aber nicht glücklich. Also warum sollte es dann die wichtigste Kennzahl für den Wohlstand eines Staates sein? Auch das Einkommen pro Kopf ist ungeeignet. Denn die Verteilung des Geldes innerhalb der Bevölkerung wird nicht betrachtet. Ebenfalls nicht berücksichtigt wird, unter welchen Bedingungen Menschen ihre Moneten verdienen. Wird das Geld zum Leben mit Freude und Leichtigkeit verdient oder unter Druck und mit Stress hart erarbeitet? Für die Einkommensstatistik spielt das keine Rolle, wohl aber für den oder die Betroffene.

Wohlstand messen geht auch anders

Das Bruttoinlandsprodukt wird wohl erstmal noch eine zentrale Rolle für den internationalen Vergleich spielen, wenn es um den Wohlstand von Nationen geht. Inzwischen gibt es doch jedoch vielversprechende Alternativen. Der Human Development Index zum Beispiel prüft den Stand der menschlichen Entwicklung. Also nicht nur die Wirtschaftlichkeit pro Kopf, sondern auch die Lebenserwartung und die Bildungsmöglichkeit. Und im Jahr 1972 wurde in Bhutan das Bruttoglücksprodukt erfunden. Berücksichtigt wird dort unter anderem die Intensität des Zusammenlebens, die Möglichkeiten der Freizeitgestaltung und das psychische Wohlbefinden der Einwohner.

Auch wenn das Bruttoglücksprodukt insgesamt zu sehr auf das Bhutanische Königreich zugeschnitten ist, kann es dennoch wegweisend sein. Das Wohlbefinden der Menschen sollte mehr im Fokus stehen. Geld ist einfach nicht alles im Leben, sondern ein Mittel zum Zweck. Das solch eine Neuorientierung in unserer leistungsorientierten Gesellschaft schwierig wird, ist klar. Aber wenn dafür Freundschaft, Liebe und Glück wichtiger für den Wohlstand einer Nation werden, als das Einkommen, ist es das meiner Meinung nach auf jeden Fall wert.

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wurde in diesem Blogbeitrag die männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Diese ist als geschlechtsneutral zu betrachten und dient lediglich einer sprachlichen Vereinfachung. Mir ist wichtig zu betonen, dass ich damit auf keinen Fall eine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts ausdrücken möchte.

 

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