Keine Chicken mehr schicken - Das globale Huhn gefährdet die ghanaische Bevölkerung

Ghanas Geflügelbauern stehen am Rande des Zusammenbruchs, die arme Bevölkerung ist hingegen auf das EU-Hähnchen angewiesen. Ein Workshop fahndet nach einer Lösung. 
 

Eine Reportage von Celina Bertrams 

Donnerstagmorgen, 10 Uhr. Die fünf Gruppentische sind nur vereinzelt besetzt. Langsam trudeln weitere Teilnehmer*innen ein. Musik ertönt und alle Blicke richten sich auf die Bilder an der Wand. Perfektionierte Massenproduktion. Arbeitende an Fließbändern, deren routinierte Abläufe die maximale Schlachtkapazität ermöglichen. Ein Film zeigt, wie Hühnerfleisch eingefroren und wie pro Jahr bis zu 90.000 Tonnen davon von Deutschland nach Ghana exportiert werden. 

Erschreckende Fakten filmisch präsentiert

Der Grund dafür liegt in den Essgewohnheiten der Deutschen. 80 Prozent des Hähnchenfleisches, das in deutschen Theken landet, ist das der Hähnchenbrust. Das restliche Fleisch der Tiere wird deshalb zu einem großen Teil eingefroren und nach Ghana exportiert. Doch das billige EU-Hähnchen führt zu gewaltigen Problemen in dem afrikanischen Land. 

Der Qualität heimischer Geflügelbauer wird misstraut und zudem ist der Preis für viele Bewohner des Landes nicht bezahlbar. Folglich wächst die Nachfrage nach der konkurrenzlos billigen importierten Ware. Das führt nicht nur zu Erkrankungen aufgrund der oft unterbrochenen Kühlkette, sondern vor allem zum Ruin einheimischer Bauern. 

Eine Gruppe Studierender füttert die Teilnehmer*innen des Workshops “Das globale Huhn” auf der Konferenzwoche mit solchen Informationen, um sie anschließend in Gruppen gegeneinander argumentieren zu lassen. Mit diesen Informationen gewappnet, begeben sich die Gruppenmitglieder in die Vorbereitung für die anschließend stattfindende Konferenz. 

 

Die Plakate füllen sich. ©Celina Bertrams
Die Plakate füllen sich.

Argumentationspläne werden geschmiedet 

Es wird gemurmelt, Stifte werden gezückt und Plakate zurecht geschoben. Die Gruppenmitglieder stecken die rauchenden Köpfe zusammen und die Plakate sowie Notizzettel füllen sich. Als schließlich ein Signal ertönt, sollen sich die Teilnehmer*innen vorn im Raum in einem Halbkreis versammeln. Spannung liegt in der Luft.

Es beginnt das Herzstück des Workshops “Das globale Huhn”. Alle fünf Gruppen finden sich für eine Konferenz zusammen. Sie stehen symbolisch für die Regierung, die einheimischen Geflügelbauer und die Europäische Union. Außerdem sind Verantwortliche für die Importe mit dem Leitspruch “Fleisch für Alle” und die Gruppe “GENUG” vertreten. Um ihre Argumente zu unterstützen, hängt jede Gruppe ihre erstellten Plakate sichtbar an die Wand. 

Eine Diskussion nimmt ihren Lauf

Die Regierung moderiert und erteilt der Gruppe “Fleisch für Alle” das Wort. Die betont, dass ein großer Teil der ghanaischen Bevölkerung unterernährt sei. Um eine gesunde Lebensweise zu garantieren, davon ist die Gruppe überzeugt, muss der Zugang zu Fleisch für alle gewährleistet sein. Dies gelingt ihr zufolge allerdings nur mit der günstigen importierten Ware.

Die Regierung bittet die Gruppe “GENUG”, sich zu äußern. Diese betont vor allem die gesundheitlichen Auswirkungen. Mit einem provokanten und sogleich sorgenerfüllten Unterton erwähnt sie die vielen Krankheitsfälle, die durch das Unterbrechen der Kühlkette entstehen und gibt Handlungsvorschläge. Der Gruppe zufolge sollte sowohl die Kühlkette gewährleistet als auch die Importzölle erhöht werden. Sie beschuldigt die Regierung, nicht zu handeln. Es herrscht eine angespannte Atmosphäre. 

Ein Gruppenmitglied der Geflügelbauer erhebt sich vom Stuhl und macht sich groß. Die Stimme wird erhoben, die Diskussion ist entfacht. Die Gruppe argumentiert, dass ihr qualitativ hochwertiges Fleisch nötig ist, um den Krankheiten entgegenzuwirken und erwähnt das Aussterben ihres Berufes durch die ausländische Konkurrenz. Sie scheint verzweifelt und fühlt sich offensichtlich machtlos.  

Die Gruppe der Europäischen Union hingegen scheint sich ihrer Sache sicher zu sein. Sie präsentiert sich selbstbewusst und betont die Vernetzung der Weltwirtschaft. Die EU schließt sich der Gruppe “Fleisch für Alle” an, damit mit dem Import aus europäischen Ländern der Hunger in Ghana bekämpft wird und wendet sich damit gegen oppositionelle Meinungen der anderen Gruppen. Die Diskussion scheint endlos, der Sachverhalt zu komplex. Kein Ergebnis in Sicht, mit dem sich alle Gruppen zufriedengeben könnten.

Konferenz ©Celina Bertrams
Konferenz

Ein mehr oder weniger zufriedenstellendes Ergebnis

Die Regierung erhebt sich, spricht ein Machtwort und zieht sich zur Besprechung zurück. Die Stimmen sind verstummt, alle Worte sind gesprochen, die Entscheidung liegt nun bei der Regierung. Während die Luft vor Spannung zu zerreißen droht, verkündet die Regierung wenig später das Ergebnis. Ein Raunen geht durch den Raum, einzelne Gruppenmitglieder flüstern sich zu, ein Mitglied der Gruppe “Fleisch für Alle” erhebt sich empört. 

Das zähe Ergebnis der Konferenz hinterlässt Gesichter, die sowohl Siegessicherheit als auch Enttäuschung ausdrücken. Ich stelle fest, wie stark vereinfacht und doch komplex dieses Planspiel den Sachverhalt widerspiegelt. Wie sollen dann in der Realität so groß aufgestellte Oppositionen zu einem einvernehmlichen Ergebnis kommen?

Alle Beiträge aus dem Blog

 

Folgt uns bei Instagram: @leuphana.konferenzwoche

Folgt uns bei Facebook: Leuphana Konferenzwoche