Starker Staat oder offene Bürgerpartei?

Können sich SPD und CDU noch Volksparteien nennen? Wie lassen sich Ökonomie, Ökologie und Soziales zukünftig vereinen? Darüber diskutierten Sven Prien-Ribcke, Serpil Midyatli, die neue stellvertretende Bundesvorsitzende der SPD und Diana Kinnert, Leader of Tomorrow und aktives Mitglied der CDU.

Ein Bericht von Laura Lange.

Die Gesprächsrunde: Sven Prien-Ribcke, Serpil Midyatli und Diana Kinnert ©Lia Springer
Die Gesprächsrunde: Sven Prien-Ribcke, Serpil Midyatli und Diana Kinnert

Die beiden großen Volksparteien SPD und CDU kämpfen derzeit mit Identitätsproblemen: Wie kann man sich ändern, um sich treu zu bleiben? Darüber macht sich auch Diana Kinnert Gedanken. Kinnert trat, wie sie bei der Podiumsdiskussion “Können Parteien Zukunft” sagt, als Teenagerin in die CDU ein. Einerseits seien die ihr so wichtigen konservativen Werte der CDU genauso modern wie früher, andererseits brauche es in der Partei Veränderungen, um mit dem Geist der Zeit zu gehen. Sie wünscht sich, dass die Christlich-Demokratische Partei bis 2030 eine Bürgerpartei ist, deren Mitglieder repräsentativ für die Gesellschaft stehen. Damit gibt sie auch offen zu, dass dies offenbar zurzeit nicht der Fall sei. 

„Die CDU inszeniert sich über alte Leitbilder“, gibt Kinnert zu: „Sehr steif und geschlossen.“ Sie erklärt, dass die Parteien zu lange Rücksicht auf die Unternehmen genommen hätten und Deutschland dadurch den Anschluss verpasst habe. „Abgase standen für uns immer für Wohlstand“, erklärt sie. Dadurch sei der Gedanke eines nachhaltigen Fortschritts gar nicht möglich. Kinnert schlägt vor, für CO2-Emissionen zahlen zu lassen, technologische Innovationen mehr zu nutzen und Kommunen besser auszustatten. Für die Verbindung von Ökonomie und Ökologie scheint die CDU Lösungen parat zu haben – doch geht dies zu Lasten des sozialen Faktors? Der ist auch kein Bestandteil der christlich-demokratischen Grundwerte, anders als bei der SPD.

„Politik muss funktionieren“ – Serpil Midyatli

Serpil Midyatli trat mit Anfang 20 in die SPD ein, nachdem sie realisierte: „nur meckern geht ja auch nicht. Wenn man etwas verändern will, dann muss man beitreten!“ Ihr wichtigster Grundsatz als Sozialdemokratin sei, sich für diejenigen einzusetzen, die keine Stimme haben. Die Zukunft der Partei sieht Midyatli darin, die Herausforderungen anzupacken und Antworten zu geben, die auch in der Lebensrealität funktionieren. „Wir dürfen das Soziale nicht vergessen“, sagt sie. Es bringe nichts, den ökologischen Frieden zu finden, indem man über das Verbot von Inlandsflügen spricht, wenn eine Vielzahl von Bürgern noch nie geflogen sei. 

Frau Midyatli ist SPD-Landesvorsitzende von Schleswig-Holstein und es stört sie auch nicht, dies immer wieder zu betonen. Während Kinnert viel über die großen Themen und Ziele spricht, bringt Midyatli oft Beispiele von kleinen Städten oder Unternehmen aus Schleswig-Holstein ein und gibt so dem großen Thema eine persönliche Note. 

Erstmal müsse der öffentliche Nahverkehr kostenlos gemacht und die Kommunen und Bürger in zukunftsweisende Projekte eingebunden werden. Denn auch die SPD bemerke den Wandel der Gesellschaft. Der Einkommensunterschied werde einen immer größeren Einfluss auf das Leben nehmen, denn soziale Leistungen im Alter werden teurer, die Arbeitskräfte weniger, so die SPD- Bundesvorsitzende: „(...) deshalb brauchen wir einen verlässlichen Staat!“ 

“Die Demokratie bekommt die Politik, die sie verdient”

Diana Kinnert sieht das anders. Der Wohlstand der Gesellschaft werde sich nicht mehr finanziell, sondern im Kulturkapital definieren. “Die jungen Menschen orientieren sich nicht mehr an rechts oder links, sie denken anders”, erklärt Kinnert und bringt dann noch einmal Unruhe in den Saal, als sie über den Aufstieg des Rechtspopulismus spricht:  „Die Demokratie bekommt die Politik, die sie verdient. (...) “Wenn wir die Stühle hier frei lassen, dann setzen sich anderen hierhin und sagen, was sie sagen." 

Kinnert erklärt, dass man die AfD nicht außen vor lassen dürfe und weiter im Dialog mit ihr bleiben müsse. Sonst ergäbe sich ein Bild von Demokraten und Antidemokraten, das die AfD dann schnell zu einer 50-Prozent-Partei mache.

Wie schafft man es nun, die etablierten Parteien wieder zu stärken? Midyatli sieht eine einfache Lösung. „Mit den jetzigen 15 bis 16 Prozent bringt die ‚sowohl-als-auch Haltung‘ nichts mehr – Diese ‚ja, aber‘-Geschichte muss für die SPD aufhören!“ So eine konkrete Antwort kann Kinnert nicht liefern.

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