Wie sich Rechte als Opfer inszenieren

Die Präsenz der Rechtspopulisten in Deutschland steigt. Parallel dazu nimmt auch die Zahl rassistisch motivierter Verbrechen zu. Der Mehrfachmord von Hanau ist dabei „nur“ das jüngste traurige Kapitel. Trotzdem stellen sich Rechte selbst als Opfer dar. Autor Per Leo erklärt, wie der perfide Opfer-Mythos funktioniert.

Ein Bericht von Marina Tentomas.

Schriftsteller und Historiker Per Leo ©Lia Springer
Schriftsteller und Historiker Per Leo

In der ersten Hälfte des Jahres 2019 wurden allein in Deutschland von den Behörden 8605 rechtsextreme Straftaten erfasst, darunter 363 Gewalttaten. Von 2625 Tatverdächtigen wurden nur 25 festgenommen, laut Bundeskriminalamt sind derzeit mehr als 600 Haftbefehle gegen Rechtsextreme offen.

Der Autor des Sachbuchs „Mit Rechten reden“, Per Leo, untersucht seit Jahren die Zuspitzung zwischen der linken und der rechten Szene und analysiert das Verhalten jeweiliger Parteien. Ihm ist bei seinen Untersuchungen ein entscheidendes Merkmal der neuen Rechten aufgefallen: „Ich rede über die sogenannten neuen Rechten als eine Minderheit, aber eine entschiedene Minderheit, die ziemlich genau weiß was sie tut.“  Er bezeichnet diese Strategie als Metapolitik.

Die neuen Rechten verfolgen laut Leo strikte Ziele, wie zum Beispiel das Ende einer multikulturellen Gesellschaft und eine Abgrenzung von der EU-Integrationspolitik. Zudem wollen sie alte Rollenmodelle wiederherstellen.

Im Großen und Ganzen seien sie gegen alles, was sich nach dem zweiten Weltkrieg entwickelt hat. Die neuen Rechten wüssten, dass sie aufgrund ihrer Minderheit nicht mit der Überzeugungskraft ihrer Ideen Erfolg erlangen könnten. Sie spielten mit den Gefühlen der Wähler, statt nachweisbare Fakten aufzuzeigen. Aus diesem Grund sei der Internetauftritt der AfD mitunter einer der erfolgreichsten, verglichen mit anderen Parteien. Durch ihre Aussagen schüre sie Angst und Unbehagen unter den Bürgern.

Der Bühneneffekt als Erfolgsmodell

Eine weitere Strategie, um Sympathie und Aufmerksamkeit für ihre Parteien zu erlangen, ist der Bühneneffekt. Hierbei stellen die neuen Rechten sich selbst als Unterdrückte und Opfer der Gesellschaft dar. Dieser Anschein von Unterdrückung müsse laut Peo Leo allerdings erst einmal sichtbar gemacht werden. Dies geschehe durch öffentliche Präsentierung seitens der neuen Rechten. Ein Musterfall dazu ereignete sich 2018 auf der Frankfurter Buchmesse.

Der Verleger, Publizist und politische Aktivist der Neuen Rechten, Götz Kubitschek, hat mit seinem rechtsextremistischen Verlag Antaios an der Frankfurter Buchmesse teilgenommen.

Die bloße Anwesenheit des Verlages reichte aus, um die Aufmerksamkeit der liberalen Linken auf sich zu ziehen. Die Teilnahme des rechtsextremistischen Autors führte zu Demonstrationen, Abmahnungen und vor allem direkter Konfrontation zwischen ihm und seinen Gegnern.

Die neuen Rechten, mitunter auch Kubitschek, würden diese emotionale Folgereaktion laut Leo nutzen. Sie nähmen die Frustration der Linken auf und verbreiteten die Videos im Internet. Durch diesen Anschein von Unterdrückung wollen die neuen Rechte Solidarität verbreiten.

Hätten die Linken sich mit ihrer Frustration zurückgehalten, hätte auch der Bühneneffekt keinen Erfolg gehabt, so Per Leo. Seine generelle Aussage ist, dass die Rechten nur durch die Provokation der Linken und der daraus resultierenden Empörung bestehen können.

 

 

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Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wurde in diesem Blogbeitrag die männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Diese ist als geschlechtsneutral zu betrachten und dient lediglich einer sprachlichen Vereinfachung. Mir ist wichtig zu betonen, dass ich damit auf keinen Fall eine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts ausdrücken möchte.

 

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