Wirtschaft neu denken – Eigennutz, Gewinnmaximierung oder doch Gemeinwohl?

Binnen zwei Stunden folgen Student*innen der Leuphana Universität sowie externe Interessierte den Worten Christian Felbers am Mittwochabend im Auditorium des Libeskindgebäudes. Auf der Agenda: Inwiefern kann die Wirtschaftsordnung wieder mit demokratischen Verfassungswerten in Einklang gebracht werden?

Ein Bericht von Julia Holubek. 

 

 

Christian Felber erklärt die Gemeinwohl-Ökonomie ©Lia Springer
Christian Felber erklärt die Gemeinwohl-Ökonomie

„Wenn über Wohlstand in Europa gesprochen wird, darf die Wirtschaft nicht fehlen.“ Mit diesen Worten begrüßt Patrick Velte nicht nur die zahlreichen Studierenden und externen Interessenten, sondern auch den Gast Christian Felber. Der Österreicher hat 2010 das Wirtschaftsmodell ‚Gemeinwohl-Ökonomie‘ initiiert und sagt: 

Unser jetziges Wirtschaftssystem steht auf dem Kopf. Das Geld ist zum Selbst-Zweck geworden, statt ein Mittel zu sein für das, was wirklich zählt: ein gutes Leben für alle.

Ein beweglicher Ökonom

Mit einem Radschlag eröffnet der Buchautor, Tanzperformer und Hochschullehrer die folgenden zwei Stunden. Es diene zum Aufwärmen des Gehirns und für das allgemeine leibliche Wohl, so Christian Felber. Das Publikum ist sichtlich begeistert. Der 47-jährige bekennt, niemals einen Studiengang belegt zu haben, der das Thema Wirtschaft in irgendeiner Weise im Titel trägt. Sein Studium war eher vielfach angelegt, was ihm ermöglichte, nicht nur einzelne Wissenschaftszweige näher zu betrachten, sondern eine vage Vorstellung von einer Universalwissenschaft zu bekommen. Dies eröffne ihm einen anderen Blick auf die wirtschaftswissenschaftlichen Strömungen, erzählte Christian Felber seinem Publikum.

(Un)gleichgewicht?! - Zwei Ziele des Wirtschaftens

„In meinem größeren Bild der Universalwissenschaft frage ich mich, wieso fokussiert die dominierende Wirtschaftswissenschaft auf ein vermeintliches Gleichgewicht auf Märkten und verliert dabei die wesentlichen Gleichgewichte aus den Augen? Das ökologische Gleichgewicht, das Verteilungsgleichgewicht, das Gendergleichgewicht, das Gleichgewicht auf den Finanzmärkten oder der Handelsbilanz.“ Die Welt würde hierbei im Argen liegen, erklärt der ‚nichtstudierte Ökonom‘, wie er sich selbst betitelt. 

Laut Christian Felber meinen Vertreter*innen des Mainstreams, der Wohlstand sei so groß wie noch nie, dafür müsse sich nur das das Pro-Kopf-Einkommen, das Finanzprodukt und die Leistungsbilanz angeschaut werden. Dies impliziert auch, dass Unternehmen nur noch nach Gewinnmaximierung streben und so lange in Konkurrenz stehen, bis lediglich die großen Konzerne auf dem Markt vertreten sind. Christian Felber kritisiert hierbei die tatsächliche Relevanz der drei wichtigsten makroökonomischen Indikatoren. Ihm zufolge seien sie für das Wohlbefinden, die Zufriedenheit und Lebensqualität lediglich sekundär. „Es sind bei weitem nicht die relevantesten Kennzahlen, wenn wir wissen wollen, wie gut es den Menschen geht und wie ganzheitlich ihr Wohlstand ist“. 

Die Gemeinwohl-Ökonomie

„Acht von zehn Menschen wünschen sich jedoch eine neue Wirtschaftsordnung“, so Christian Felber. Es gebe keine einheitliche Antwort auf diesen Wunsch, doch eine Grundlinie besagt, dass diese Menschen die Grundwerte in der Wirtschaftsordnung, und somit auch in der Wirtschaftswissenschaft, vermissen. Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit und Verteilungsgerechtigkeit sind drei Beispiele, die Christian Felber stellvertretend für diese Grundwerte nennt. 

Die Gemeinwohl-Ökonomie versucht sie zusammenzufassen. „Unsere Botschaft ist im Kern: Wir nehmen uns die Freiheit, in der Wirtschaft diese Grundwerte wieder ernst zu nehmen und die Wirtschaftsordnung an diesen Grundwerten auszurichten“, erklärt Christian Felber dem Publikum. Die Gemeinwohl-Ökonomie orientiert sich somit am eigentlichen Zweck im Prozess des Wirtschaftens: Die Erfüllung menschlicher Bedürfnisse. Um dies zu erreichen, sei Geld und Kapital nur das Mittel, das dem Zweck zu dienen habe. 

Wie kann dies gelingen?

Beim Kauf von Produkten können Konsument*innen mithilfe eines Punktesystems darauf achten, inwiefern das jeweilige Unternehmen zum Gemeinwohl beiträgt. Analog zur Finanz-Bilanz wird eine Gemeinwohl-Bilanz seitens der Unternehmen erstellt. Bewertet wird die Beziehung unter anderem zu Lieferant*innen, Mitarbeiter*innen und Kund*innen. Mehr als 3000 Unternehmen unterstützen die Gemeinwohl-Ökonomie und ungefähr 600 sind Mitglied oder haben eine Gemeinwohl-Bilanz erstellt. 

Mit einem Beispiel schließt Christian Felber die Keynote: Auf die Frage eines Bäckers hin, was die Getreidebäuerin zum Leben braucht, nennt sie am Tisch, an dem die gesamte Wertschöpfungskette, von den Konsument*innen, die den Preis zahlen, bis hin zu den Bäckerleuten, die ihren Lohn bekommen, einen Betrag. „Seit zwanzig Jahren wird dieser Preis unverhandelt bezahlt – es funktioniert.“ 

Alle Beiträge aus dem Blog

 

Folgt uns bei Instagram: @leuphana.konferenzwoche

Folgt uns bei Facebook: Leuphana Konferenzwoche