Zebras statt Einhörnern

Woran arbeitet dein Geld? Jakob Berndt, Mitgründer der Tomorrow, einer nachhaltigen Bank, spricht über Kundenwünsche, Herausforderungen bei der Gründung einer Bank und darüber, ob es erstrebenswert ist, möglichst schnell Unicorn zu werden.

Ein Bericht von Lia Springer.

Alexa Böckel führt durch die Veranstaltung. ©Lia Springer
Alexa Böckel führt durch die Veranstaltung.

Es ist kurz nach 13 Uhr, eigentlich eine gute Zeit, um eine Mittagspause im vollen KoWo-Tag einzulegen. In Hörsaal 1 merkt man davon allerdings wenig: Die Reihen sind nahezu vollständig mit Studierenden und anderen Interessenten gefüllt, und die Atmosphäre ist sicherlich konzentrierter als bei so mancher Vorlesung, die sich außerhalb der Semesterferien hier abspielen könnte.

Jakob Berndt tritt hinter das Rednerpult, an seiner Seite steht Alexa Böckel. Sie studiert hier Nachhaltigkeitswissenschaften im Master und führt durch die Veranstaltung. Nach einer kurzen Frage ins Publikum, wer denn mit dem Begriff „Nachhaltige Bank“ etwas anfangen könne, gibt sie das Mikrofon an Berndt ab. Er stellt sich vor, als „fast 40, aber noch nicht ganz“, berichtet von Fridays for Future mit seinen Kindern und bedient sich einer jungen, beinahe jugendlichen Sprache, ohne dass es aufgesetzt wirkt.

Vielseitige Biografie

Sein beruflicher Werdegang ist sehr vielseitig: mit ChariTea und Lemonaid hat er bereits mit Ende 20 ein eigenes Unternehmen gegründet, hat die Rezepturen mitentwickelt und weiß um die nachhaltige Beschaffung von Zutaten; bei Jung von Matt, einer großen Hamburger Werbeagentur, konnte er seine Kreativität unter Beweis stellen, und 2018 entwickelt er – ohne wesentliche Vorkenntnisse im Finanzbereich – mit Inas Nureldin und Michael Schweikart ein nachhaltiges Girokonto, das erste Produkt von Tomorrow.

Noch besitze Tomorrow zwar keine eigene Banklizenz, da die Gründer dafür unter anderem über ein Kapital von fünf Millionen Euro verfügen und bestimmte personelle Bedingungen erfüllt werden müssten, allerdings sei eine eigene Lizenz langfristig gesehen ein wichtiges Ziel. Bisher besteht eine Partnerschaft mit der Berliner solarisBank, die als sogenannter Banking-as-a-Service-Provider fungiert, um diese Lücke zu schließen.

Jakob Brendt erklärt das Konzept seiner nachhaltigen Bank. ©Lia Springer
Jakob Berndt erklärt das Konzept seiner nachhaltigen Bank.

Das Beste beider Welten

Fast jede*r Deutsche besitzt mindestens ein Konto, doch die wenigsten von ihnen, so Berndt, wären sich des großen Drucks bewusst, den Konsument*innen durch die Wahl ihrer Bank hätten. Er berichtet vom besonders tragischen Vorfall eines bewaffneten Amoklaufs an der Florida High School, bei der der Pensionsfond der Lehrkräfte über ihr Kreditinstitut maßgeblich in den Hersteller der verwendeten Waffe investiert hatte.

Da Banken mit dem ihnen anvertrauten Geld wirtschaften können, „lässt sich sagen, dass Geld – in vielerlei Hinsicht – Teil des Problems ist, […] aber eben auch ein Teil der Lösung sein könnte.“ Mit dieser Haltung seien bereits andere nachhaltige Banken an den Start gegangen, wie die Triodos, GLS Bank oder die UmweltBank. Dass im Finanzsektor momentan viel Bewegung ist, sehe man auch am raketenartigen Wachstum der N26, die sich als mobil und sicher profiliert.

Beide Welten will Tomorrow zusammenführen: Die nachhaltigen Visionen der etablierten ökologischen Banken und die Einfachheit, Mobilität und technische Sicherheit der neuen Banken, die insbesondere auf die Nutzung übers Smartphone abzielen. Mittlerweile benutzen bereits rund 25.000 Kunden die Produkte und über fünf Millionen Euro konnten in nachhaltige Projekte investiert werden.

Doch Jakob Berndt erkennt auch an, dass es nicht reicht, mit einer edlen Mission und guten Vorsätzen zu agieren. „Das bedeutet […]: Ich muss auch die bessere Party schmeißen, nur dann habe ich die Chance, dass die Leute auch in Scharen zu mir kommen“, bringt er es auf den Punkt.

Nachhaltigkeit als Grundlage

Natürlich ist es schwierig, Nachhaltigkeit zu messen. Deshalb wird jede Investition der Tomorrow an den 17 Sustainable Development Goals und an verschiedenen Ratings gemessen. Zusätzlich beurteilt ein Gremium mit Vertretern aus verschiedenen NGOs den geplanten Kredit.

Außerdem bietet Tomorrow auch weitere kleine Services an. Jedes Mal, wenn man per Karte bezahlt, erhält die Bank eine Gebühr in Höhe von etwa 0,2 Prozent des Betrags, die so genannte Interchange-Fee. Dieser Betrag lande bei den meisten Banken in der eigenen Tasche, während die Tomorrow lediglich die realen Kosten behalte und den größeren Teil des Betrags für den Regenwaldschutz spende. Über das „Impact Board“ lassen sich zudem die aktuellen Kunden- und Umsatzzahlen sowie die Größe des geschützten Regenwaldstücks einsehen.

Einhörner an der Börse

Auch, wenn die Tomorrow bereits 2022 eine Million Kunden erwartet, fragt sich Berndt, ob es erstrebenswert ist, möglichst schnell zu wachsen. Start-ups, die einen Wert von geschätzt einer Milliarde haben, werden „Einhörner“ oder „Unicorns“ genannt, und deren Häufigkeit nimmt immer weiter zu. Doch viele der Unicorns seien über Leichen gegangen, hätten Kunden- und Nutzerdaten verkauft, oder ihren Profit aufgrund der Missachtung von sozialen und ökologischen Standards maximiert.

Deshalb beschreibt sich die Tomorrow selbst als Zebra, was gar nicht so abstrus ist, wie es erst einmal klingen mag: Zebras müssen echte Probleme lösen, im Gegensatz zu den konstruierten Kundenwünschen, mit denen sich Einhörner beschäftigen. Außerdem sind sie Herdentiere, agil und stolz – alles Eigenschaften, die sich Berndt für die Tomorrow auch wünscht. „Ich glaube an Teamarbeit“, stellt er klar, dass die Umsetzung allein überhaupt nicht möglich gewesen wäre.

Doch insgesamt seien Zebras gekommen, um zu bleiben. Im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung, die nicht nur auf den schnellen Profit, sondern auf ein langsames Wachstum aus ist, ermöglichen sie eine Entwicklung, die Gemeinwohl mit Gewinnen unter einen Hut bringen kann.

„Was machen wir mit den Gewinnen? Ganz kurz: Wir haben keine.“

Bisher schreibt die Tomorrow noch keine schwarzen Zahlen. Das liegt daran, dass erst vorgestern ihr erstes kostenpflichtiges Produkt auf den Markt gegangen ist: Ein Girokonto, das durch einen Teil der Kontoführungsgebühr den CO2-Ausstoß eine*s durchschnittlichen Deutschen ausgleicht. In Zukunft sollen auch noch weitere Spar- und Investmentprodukte auf den Markt kommen.

In der anschließenden Diskussion wird breite Unterstützung für Jakob Berndts Unternehmergeist und seine Visionen geäußert, auch interessierte Fragen nach der Kontoeröffnung werden bereits gestellt. Die Tomorrow blickt positiv in die Zukunft und ist sich sicher, dass dieses Zebra mit vielen Einhörnern mithalten kann.

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