Zu gut für die Tonne – „Bändern“ als Zeichen gegen Lebensmittelverschwendung

Die Reste der anderen Studierenden vor dem Müll retten – das haben sich die „Bänderer“ der Leuphana zur Aufgabe gemacht, in dem sie sich die Teller vom Rückgabeband der Mensa nehmen. Was steckt hinter dem kritischen Konsum gegen die Lebensmittelverschwendung?

Ein Feature von Luisa Martens.

Bändertisch der Leuphana ©Johanna Krapp
Bändertisch der Leuphana

Es ist 12 Uhr, das Mittagsgeschäft in der Mensa der Leuphana Universität ist im vollen Gange. Gesättigte Studierende stellen nach und nach ihre soßenverschmierten Teller auf das Fließband. Am Tisch daneben sitzt Johanna, wartend und beobachtend. Da ist sie, die Beute, auf ihrem Weg auf dem Fließband abgestellt zu werden. Johanna steht auf, pirscht sich an und schnappt sie sich – etwas Gulasch und mehrere Kartoffeln. 

„Bändern“ – so heißt der Trend, der 2016 an der Uni Freiburg seinen Beginn fand und seitdem vor allem in Universitäten praktiziert wird. „Es ist ein Weg, darauf aufmerksam zu machen, dass wir in einer Wegwerfgesellschaft leben und Abfall ganz einfach vermieden werden kann“, sagt Johanna, die von klein auf von ihren Eltern zu einem nachhaltigen Lebensmittelkonsum erzogen wurde. „Natürlich ist der nette Nebeneffekt des Geldsparens nicht zu verachten, es geht jedoch um viel mehr“, betont die Studentin, „wir retten das Essen vor der Mülltonne.“ 

Gruppe umfasst 70 Studierende, Tendenz steigend

Mit „Wir“ meint die Lehramtsstudentin eine Gruppe von mehreren Studierenden, die sich regelmäßig in der Campus Mensa treffen, um sich die Essensreste ihrer Kommilitonen zusammen zu sammeln. „Derzeit sind wir 70 Personen in der „Bänder“-WhatsApp-Gruppe und es werden täglich mehr“, freut sich die 21-Jährige. Es seien auch noch viele ehemalige Studierende dabei und sogar fünf Austauschstudierende aus Frankreich, die sich der Bewegung angeschlossen hätten. Von diesen 70 „Bänderern" seien, je nach Uhrzeit, circa fünf bis sechs am „Bändertisch“ in der Mensa anzutreffen. Dadurch entstehe ein Gemeinschaftsgefühl: „Es ist immer eine andere Konstellation und es macht einfach Spaß das Essen mit Leuten zu teilen, die alle gut drauf sind.“

Die Reaktionen sind verschieden

Obwohl der Großteil der anderen Mensa-Besucher die Aktion toleriert, gibt es auch Personen, die der Bewegung sehr kritisch gegenüberstehen. Die meisten empfänden es als eklig, sagt Johanna, begründete Kritik komme aber von den wenigstens. Sie bezeichnet dies als „Bänderbashing“. „Wenn man es nicht mit sich selbst vereinbaren kann, sollte man es einfach ignorieren, anstatt es zu verurteilen, ohne konstruktive Kritik zu äußern“, empfiehlt sie.

Auch Betreiber der Mensen und Universitäten reagieren unterschiedlich auf die Bewegung. So ist das Bändern an der Uni Freiburg inzwischen verboten worden. Das Studierendenwerk hat zuerst Trennwände aufgestellt und seit kurzem Metallplatten über dem Rückgabeband errichtet, um das Bändern zu unterbinden. Grund seien vor allem die juristischen Fragen zur Haftung bezüglich hygienischer Risiken.

Studentenwerk OstNiedersachsen toleriert „Bändern“

Der Betreiber der Lüneburger Mensa sieht das „Bändern“ hingegen nicht so eng. „Wir sind uns der politischen Protestaktion bewusst und tolerieren es, ein Verbot am Standort Lüneburg stand bisher nicht im Raum“, sagt Ursula Urbanowicz vom Studentenwerk OstNiedersachsen. Dass sich die junge Generation mit der Thematik befasst und zu diesen drastischen Maßnahmen greift, erkennt die Ökotrophologin an. Lüneburg sei der einzige Standort des Studentenwerks, an dem das „Bändern“ zu beobachten sei. Johanna führt das auf den Nachhaltigkeitsanspruch der Leuphana und die Mentalität der Lüneburger zurück. „Auch das ‚Containern‘ ist hier stärker vertreten als in anderen Städten“, betont die Studentin. Die Bändergruppe stehe in engem Kontakt mit dem Mensapersonal. „Wir haben eine Vertrauensbasis geschaffen und halten uns an bestimmte Kriterien, wie zum Beispiel den Platz sauber zu hinterlassen.“

Ursula Urbanowicz, Ökotrophologin des Studentenwerks OstNiedersachsen ©Ursula Urbanowicz
Ursula Urbanowicz, Ökotrophologin des Studentenwerks OstNiedersachsen

Die Rechtslage ist schwammig

Bei Fragen bezüglich der Hygiene sieht sich das Studentenwerk auf der sicheren Seite: „Wir als Gemeinschaftsverpfleger tragen natürlich eine Verantwortung für die Speisen, die wir ausgeben“, sagt die Ökotrophologin, „deshalb nehmen wir Rückstellproben und haben ein strenges Hygienemanagement.“ Was die Gäste jedoch nach der Ausgabe mit den Speisen machen – da höre das Einflussvermögen des Mensabetreibers auf. Besonders für den Moment, an dem das Essen auf das Rückgabeband gestellt wird, gäbe es rechtlich gesehen keine klare Definition, sagt Urbanowicz. „Für den kurzen Moment, bevor das Essen in die Spülküche zurück geht, ist es quasi herrenlos“ und stelle damit auch keinen Diebstahl dar. Erst in der Spülküche läge die Verantwortung wieder in den Händen des Betreibers.

Für die Gesundheit unbedenklich?

„Es gibt ein Gesundheitsrisiko, wenn auch nur sehr gering“, so die Ökotrophologin, „man kann sich mit Infektionskrankheiten wie Durchfall, Hepatitis A und B oder Herpes anstecken.“ Ein Ansteckungsrisiko herrsche vor allem dann, wenn kein eigenes Besteck verwendet wird. Diesem Risiko sind sich die „Bänderer“ bewusst: „Wir benutzen immer neues Besteck, vorsichtig sind wir außerdem bei angegessenem Obst und bei Suppen“, erklärt Johanna. „Ich glaube aber, dass man durch das Bändern sein Immunsystem eher stärkt als dass man es belastet“, lächelt sie.

Aus Gründen der leichteren Lesbarkeit wurde in diesem Blogbeitrag die männliche Sprachform bei personenbezogenen Substantiven und Pronomen verwendet. Diese ist als geschlechtsneutral zu betrachten und dient lediglich einer sprachlichen Vereinfachung. Mir ist wichtig zu betonen, dass ich damit auf keinen Fall eine Benachteiligung des weiblichen Geschlechts ausdrücken möchte.
 

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