Alle Macht den Städten?

Ein Beitrag von Markus Schmidt und Helen Skerka

Tokio, Mumbai, Shanghai, São Paulo. Megacities. Städte mit außerordentlich hoher Bevölkerungsdichte, Städte mit den Headquarters weltweit agierender Unternehmen, Städte mit enormen Möglichkeiten. Und großer Ungleichheit. Sowohl in den Städten selbst, als auch in ihrer Beziehung mit ihrem Umland.

Mit der Hoffnung auf ein besseres Leben siedeln jedes Jahr mehr Menschen in die Städte ihres Landes um. Der Grad der Verstädterung nimmt vor allem in den weniger entwickelten Staaten der Welt rasant zu. In den industrialisierten Ländern liegt er bei rund 70 Prozent der Gesamtbevölkerung. Seit 2007 wohnt mehr als die Hälfte der Menschheit in städtischer Umgebung. 2050, so wird es prognostiziert, wird nur noch ein Drittel der Menschheit auf dem Land leben. Mit der Bevölkerungszahl wird auch der Einfluss der Städte wachsen. Sie werden ihre politische und ökonomische Vormachtstellung festigen und ausdehnen. Dies gilt nicht nur für Megacities, das Superlativ des Lebensraums Stadt mit mehr als zehn Millionen Einwohnern, sondern für alle Städte weltweit, auch Deutschlands.

Die Stadt Tokio ©Pixabay
Tokio ist die größte Metropolregion der Welt

Circa 64,3 Millionen Menschen leben in Deutschlands Städten. Das entspricht einer Quote von 77,4 Prozent. Die Städte Berlin und Hamburg weisen zusammen eine höhere Gesamtbevölkerung auf, als die der Länder Schleswig-Holsteins und Brandenburg kombiniert. Während der Verstädterungsgrad hierzulande konstant bleibt, schrumpft und altert die ländliche Bevölkerung. Der demografische Wandel ist hier noch deutlich sichtbarer, als in der Stadt. Die jungen Menschen zieht es in die Stadt.

Der urbane Lebensraum birgt einige Vorteile. Mit einem Wechsel erhöhen sich die Arbeits- und Konsummöglichkeiten. Mehr Bildungseinrichtungen ermöglichen den Zugang zu diversifizierteren Bildungsmöglichkeiten. Die Freizeitbeschäftigungen werden vielfältiger. Die Möglichkeit, einen individuellen Lebensstil zu verfolgen, wird real. Außerdem ermöglicht die komplex ausgebaute Infrastruktur immer noch Ausflüge in die ländlichen Regionen. Andersherum ist dies schwieriger, denn die Verkehrsanbindungen vom Land in die Stadt sind meist dürftig; Züge und Busse fahren nicht im 10-Minuten-Takt. Das Verkehrsnetz ist oft lückenhafter.

Vor allem in weniger industrialisierten Ländern wollen Menschen mit der Flucht in die Stadt der Perspektivlosigkeit auf dem Land entkommen. Doch auch hierzulande spielt dieser Grund eine Rolle, denn in Deutschland sind die Perspektiven in der Stadt deutlich vielfältiger. Schon immer haben sich Städte durch ihre arbeitsteilige Spezialisierung ausgezeichnet. Das Zusammenleben wird nur durch das Zusammen- und Zuarbeiten untereinander ermöglicht, sodass ein differenziertes Jobangebot besteht.

Das Engagement, die Perspektiven im ländlichen Raum zum Positiven zu verändern, ist noch nicht erkennbar. Deutschland, ein Land, das sich auf dem Weg in das 21. Jahrhundert, das Informationszeitalter, befindet, kämpft in Europa mit Irland und Belarus um die letzten drei Plätze gemessen an der Abdeckung mit dem Mobilfunkstandard LTE. Bei zunehmender Digitalisierung der Arbeitswelt ist das ein nicht unerhebliches Manko, wenn es um die Zukunft des ländlichen Raumes geht. Gerade in den Zeiten der Corona-Pandemie gewinnt die Arbeit aus dem Home-Office an großer Bedeutung. In den Städten ist dies praktisch durchführbar - auf dem Land sieht es dagegen sehr düster aus.

Die wirtschaftliche und politische Macht ist in den Städten geballt. 77 Prozent sind ein erheblicher Anteil der Gesamtbevölkerung, die dazu über große wirtschaftliche Mittel verfügen. Dadurch wird eine Verbesserung der strukturellen Unterlegenheit des ländlichen Raumes umso schwieriger zu realisieren, solange kein direkt erkennbarer Nutzen für Geldgeber als auch für politische Entscheidungsträger aus den städtischen Regionen Deutschlands besteht. Doch wie lange halten die Städte dem wachsenden Bevölkerungsdruck noch stand? Wie werden die dadurch zunehmende Wohnungsnot, das ansteigende Verkehrsaufkommen und die Verunreinigung der Umwelt gelöst? Kurzum: Wie werden die Städte der Zukunft aussehen? Und wie verändern städtische Metropolen uns als Menschen?