Bodo Ramelow im Portrait

Ein Beitrag von Helen Skerka

Eine Gesellschaft, die sich als Ganzes achtsam verhält und Chancenvielfalt für alle gewährt. In der die Unterstützung der „vergessenen“ Gesellschaftsmitglieder durch einen starken Staat im Vordergrund steht und ökonomisch schwächere ebenso wie ökonomisch starke Bürger:innen von der Gesellschaft profitieren können – dafür setzt sich Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow, 65, ein. Ramelow, der als erster Ministerpräsident eines deutschen Bundeslandes der Partei „Die Linke“ angehört, fordert, dass Entscheidungen nicht allein von den Landesregierungen getroffen werden, sondern auch die betroffenen Bürger:innen selbst dazu eingeladen werden, mitzuentscheiden und eigene Lösungen zu entwickeln. Am Donnerstag, den 25.02.2021, dürfen wir ihn als Gast der Konferenzwoche an der Leuphana Universität begrüßen.

Bodo Ramelow, Ministerpräsident des Landes Thüringen ©Thüringer Staatskanzlei (TSK)
Bodo Ramelow, Ministerpräsident des Landes Thüringen

Mit der Forderung nach einer Veränderung der Sozialpolitik in Deutschland trat der Linken-Politiker im Thüringer Landtagswahlkampf 2014 an: Der Beschäftigungssektor für Langzeitarbeitslose soll ausgebaut, Unternehmen mit familienfreundlichen Arbeitszeiten unterstützt und Billiglöhne unterbunden werden. Im Bildungssektor sollen unter anderem Gemeinschaftsschulen gefördert, und die Privatisierung von staatlichen Sozialeinrichtungen verhindert werden. Seither befindet sich Ramelow, mit kurzer Unterbrechung im Frühjahr 2020, als Ministerpräsident Thüringens an der Spitze einer rot-rot-grünen Koalition im Landtag.

Ramelow setzt sich für ein sozial gerechteres und ökologisch lebenswertes Thüringen ein. Es geht ihm vor allem um eine offene Gesellschaft, die die Vielfalt der Bürger:innen anerkennt, pflegt und sich dazu bekennt. Dabei benötigt es einen starken Staat, der die benachteiligten Gesellschaftsmitglieder unterstützt, die im Gegensatz zu den ökonomisch Starken auf staatliche Hilfe angewiesen sind. Jede:r Bürger:in soll die gleichen Möglichkeiten besitzen. So strebt Ramelow beispielsweise eine beitragsfreie Bildung und Betreuung, unter der Prämisse, dass alle Kinder die gleichen Rechte haben, an – ungeachtet der sozioökonomischen Herkunft. Als Ziel gilt also in erster Linie die Verringerung der sozialen Chancenungerechtigkeit, die innerhalb unserer Gesellschaft existiert. Gleichzeitig soll die Sensibilität gegenüber Vielfalt in der Gesellschaft wachsen. Zudem sollen Bürger*innen eingeladen werden, sich an politischen Entscheidungsfragen zu beteiligen, die sie betreffen. So wurden Akteure des Schulwesens in Thüringen zum Beispiel dazu aufgefordert, sich gemeinsam mit Schulträgern mit der Zukunft der Schule auseinanderzusetzen und Ziele sowie Lösungen für beispielsweise Personalmangel zu erarbeiten.

Ramelows Forderung nach einer offenen Gesellschaft, die Chancengleichheit ermöglicht, kam bereits 1997 zum Ausdruck. Als Mitinitiator und Erstunterzeichner der Erfurter Erklärung rief er gemeinsam mit weiteren Gewerkschaftler:innen, Politiker:innen, Künstler:innen und Intellektuellen zu sozialer Gerechtigkeit und einem Politikwechsel in Deutschland auf. 

Die politische Karriere des gebürtigen Niedersachsen hingegen begann erst zwei Jahre später mit der damaligen PDS-Partei, der heutigen Linken, im Erfurter Landtag, nachdem er viele Jahre als Landesvorsitzender der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen (HBV) tätig war. Nach seiner Funktion als Landtagsvorsitzender der Linken-Fraktion in Thüringen von 1999 bis 2001 vertrat er seine Partei von 2005 bis 2009 als stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Linke im Bundestag, stieg später aber wieder in die Thüringer Landespolitik ein. 2014 wurde er zum Ministerpräsidenten des Freistaats Thüringen gewählt; im März 2020 übernahm Bodo Ramelow das Amt nach kurzer Unterbrechung erneut.