Erfahrungsbericht von Marina
Du bist ja nicht die typische Studentin, die direkt nach dem Abitur zur Uni gekommen ist. Wie ist es dazu gekommen? Wie sieht Dein Lebensweg aus?
Mein Abitur habe ich erst über den zweiten Bildungsweg gemacht! Ich war erst auf der Hauptschule, habe dann eine Ausbildung als Krankenschwester gemacht und habe währenddessen meine Leidenschaft fürs Theater entdeckt.
Dann bin ich vom Dorf in die große Stadt Bielefeld gezogen. In Bielefeld gibt es das Oberstufenkolleg, ein Ort, an dem man gleichzeitig Abitur macht und studiert. Es liegt direkt neben der Universität. Man macht das Abitur nicht in drei Jahren, sondern in vier Jahren und hat neben den Abiturfächern die ganze Zeit zwei Studienfächer, die man sich am Anfang auswählt. Ich habe Musik und Philosophie gewählt.
Ich hab mir gesagt: Die Musik ist für mich und das Abitur für meinen Vater. Nach dem Abitur bin ich ins Theater gegangen. Ich hatte Glück und habe dort einen Komponisten getroffen, der eine Assistentin brauchte. Im Internet habe ich irgendwann mal ein Label gegründet, um meinen eigenen Weg zu finden. Und irgendwann habe ich 5.000 Euro gewonnen und mir gesagt: Jetzt gehe ich einfach mal studieren.
Was das Studium aus finanzieller Sicht ein krasser Schritt?
Ich wohne jetzt in einer Vierer-Männer-WG, das war vorher nicht der Fall. Fahrrad gefahren bin ich schon immer und ich habe nie ein Auto gehabt. Ich hatte nie hohe Ansprüche. Es hat sich jetzt sogar einiges zum Positiven verändert, denn durch ein Stipendium bekomme ich jetzt regelmäßige Einnahmen.
Wenn man selbstständig ist, wie ich, dann bekommt man auf einmal wahnsinnig viel Geld und dann wieder monatelang gar nichts. Es ist jetzt eher mehr Struktur reingekommen.
Wie bist Du denn auf die Stiftung aufmerksam geworden, die Dir das Stipendium gibt?
Ich habe recherchiert, welche Stiftungen es gibt und habe anschließend aussortiert, welche überhaupt für mich in Frage kommen. Da war mir ziemlich schnell klar, dass ich mich nicht bei der CDU-nahen oder FDP-nahen Stiftung bewerben kann, weil ich da nicht reinpasse.
Dann fielen auch wegen dem Alter ganz viele heraus. Und dann blieben einige, ganz wenige Möglichkeiten über. Und eine davon war die Hans-Böckler-Stiftung. Letztendlich habe ich mich auch nur da beworben.
Was muss man erfüllen, um bei der Böckler-Stiftung Stipendiat_in werden zu können?
Man muss es wollen! Man muss motiviert sein für eine Sache, die einen antreibt. Soziales Engagement kann ein wichtiger Vorteil sein. Meiner Stiftung ist es aber wichtig, dass ihre Stipendiaten politisch motiviert sind. Meiner Stiftung sind zudem gute Zeugnisse wichtig.
Wie fördert Dich Deine Stiftung?
Die materielle Förderung setzt sich zusammen aus einem Lebensunterhalt, der knapp 600 Euro beträgt, und einem monatlichen Büchergeld in der Höhe von 300 Euro. Das ist wahnsinnig hoch. Ich kriege auch noch einen Zuschuss zur Krankenkasse, weil ich nicht über meine Eltern versichert bin. Das ist das Eine.
Und dann gibt es die ideelle Förderung, die bombastisch ist. Ich bin im letzten Jahr in Bratislava gewesen, ich war in Genf und auf der Documenta in Kassel. Jetzt gehe ich nach Detroit und Chicago.
Alles mit der Stiftung? Ist das alles kostenlos für Dich?
Alles mit der Stiftung! Wir zahlen im europäischen Ausland einen Beitrag von 150 Euro und im außereuropäischen Ausland 300 Euro. Und dann wird aber alles übernommen: Flug, Unterkunft, Verpflegung. Das ist schon ziemlich gut.
Die Seminare sind halt alle gewerkschaftlich motiviert und an gewerkschaftlichen Themen dran. Es ist also nicht Strandurlaub oder so etwas. Und wenn ich zu einem Seminar fahre und in Hannover auf dem Bahnhof stehe, dann treffe ich irgendwelche Leute und wir sagen: „Och, du willst auch zum Onkel Böckler“. Das ist schon wie eine kleine Familie.
Weißt Du, wie das in anderen Stiftungen ist?
Viele haben ihr eigenes Seminarprogramm, entsprechend ihren politischen Schwerpunkten. Und dann gibt es auch noch die Studienstiftung des deutschen Volkes, die eher neutral ist und auf Tradition setzt. Aber die haben auch ein ziemlich buntes Programm zwischen Kultur und Politik.
Manche Studierende denken, dass das Auswahlverfahren der Stiftungen sehr hart sei. Hast Du das auch so empfunden?
Ich selber habe es seltsamerweise nicht so empfunden. Aber bei der Böckler-Stiftung kommt dazu, dass wir als Stipendiaten selber Gutachtengespräche führen und selber auch Gutachten schreiben. Jeder Bewerber hat ein Gutachtengespräch bei einem Vertrauensdozenten hier an der Uni und eines mit zwei Stipendiaten.
Da merkt man schon, dass das teilweise hart sein kann. Diese Gutachtengespräche gehen total unter die Haut, finde ich. Meines hat fast drei Stunden gedauert. Dann kommen zum Beispiel auch Fragen nach der Familie auf den Tisch. Die wollen dich halt wirklich kennenlernen und sind an deiner Person interessiert. Da hilft es nichts, irgendwie Drumherum zu reden.
Lege einfach die Tatsachen auf den Tisch! Man wird dann auch so genommen, wie man ist. Leider ist es bei der Böckler-Stiftung etwas schwerer hineinzukommen, wenn man nicht Gewerkschaftsmitglied ist.
Ist das bei anderen politischen Stiftungen auch so?
Das glaube ich nicht. Wer ist heute noch Parteimitglied oder Mitglied einer Gewerkschaft? Es gibt Leute, die sich in der Politik engagieren, die Chancen stehen aber genauso gut, wenn man sich mit den Idealen der Stiftung identifiziert.
Du hast im Vorgespräch erzählt, dass Du derzeit auch Wohngeld beantragst?
Ich finde es total kurios, dass ich überhaupt Wohngeld beantragen kann, denn ich bin ja in der privilegierten Lage, ein Stipendium zu bekommen. Ein BAföG-Empfänger kann das nicht, weil das Wohngeld im BAföG integriert ist.
Das ist eigentlich total ungerecht. Ich habe das jetzt beantragt, muss aber noch bestimmte Bedingungen erfüllen. Man muss Einnahmen haben und damit bis zu einem gewissen Prozentsatz die Wohnung finanzieren können. Dann gibt es noch eine bestimmte Schwelle an Einnahmen, die man nicht überschreiten darf. Man darf also nicht über tausende Euro Einnahmen haben, das ist ja logisch.
Wenn Du Studienanfängern einen Tipp zur Studienfinanzierung geben müsstest, was würdest Du ihnen empfehlen?
Rechtzeitig anfangen und sich schon vorher informieren: Welche Optionen gibt es? Und wenn man sich auf ein Stipendium bewirbt, hilft es, sich gleich mal eine gute Liste zu machen: Was brauche ich? Brauche ich ein Gutachten von einem Dozenten oder Lehrer? Und gerade bei den Gutachtern: Mit wem stimmt die Chemie und auf wen könnte ich zugehen?
Und letztlich auch: Bewerber müssen sich helfen lassen! Man sollte sich nicht einfach selbst ins Blaue stürzen. Das kann auch mal schief gehen, wenn man eine Bewerbung einfach mal so abschickt, ohne sie besprochen zu haben. Dann ist man schnell draußen und bekommt womöglich keine zweite Chance. Also von Anfang an richtig dran bleiben. Und dann klappt das auch!