Marina Weisband bei der Startwoche 2020: “Second wave of enlightenment”

09.10.2020 Die Psychologin und Digital-Aktivistin war am sechsten Tag der Startwoche Keynote-Speakerin. Damit Demokratie funktioniert, müssten Menschen ihre Selbstwirksamkeit erleben.

Die Psychologin und ehemalige politische Geschäftsführerin der Piratenpartei Marina Weisband war Keynote Speaker am sechsten Tag der Startwoche. ©Marvin Sokolis
Marina Weisband wünscht sich, dass das Internet in Deutschland genauso gefördert werde wie Fernsehen und Radio.

Was würden Schüler*innen an ihrer Schule verbessern, hätten sie die Macht alles zu ändern? „Die Toiletten.“ Oder auch gar nichts: „Warum soll ich mich beteiligen? Die Lehrer machen doch ohnehin, was sie wollen.“ Diese Antworten hörte Marina Weisband bei ihrer Arbeit als Leiterin des Demokratieprojekts „aula“ bei politik-digital e.V. Das Beteiligungskonzept soll Jugendlichen unter anderem mithilfe einer Online-Plattform aktive Mitbestimmung im Alltag ermöglichen. Die Psychologin und ehemalige politische Geschäftsführerin der Piratenpartei möchte Teilhabe fördern. „The reason why we are discussing democracy today is because it has changed. All of us alive today are more powerful than any generation before us. We are potentially better informed, we are better connected“, sagte sie zu den rund 1400 Erstsemester-Studierenden, die dem Vortrag entweder auf den Computerbildschirmen oder gemeinsam mit ihren Kleingruppen in Seminarräumen folgten. Digitale Plattformen könnten einerseits zu mehr Teilhabe führen, andererseits aber auch zu mehr Kontrolle. Es sei wichtig, dass Menschen ihre Selbstwirksamkeit erlebten: „How can we allow people to learn that when they do something, when they fight for something and find majorities, they can change a thing in the world.“ Selbstwirksamkeit könne man zum einen in der Schule, zum anderen in Kommunen lernen.

Aber auch die Werkzeuge der Demokratie müsse man kennen, es reiche nicht, Demokratie zu wollen. Deshalb engagiere sie sich in Schulen, um mit Jugendlichen über Werte wie Toleranz und Respekt gegenüber Minderheiten zu sprechen. Pläne sollen nicht nur geschmiedet werden, sondern auch umgesetzt. Wie soll die Gesellschaft aussehen, in der ich leben möchte?, sei eine grundlegende Frage in der Demokratie. Städte seien wichtige Orte für die Diskurse, denn hier kämen viele Menschen zusammen: „We need nothing short of a second wave of enlightenment in this age of digital transformation and urban spaces are where it is going to happen.“

Marina Weisband wünschte sich außerdem, dass das Internet in Deutschland genauso gefördert werde wie Fernsehen und Radio. Beides stände auch den Ärmsten zu Verfügung, sei aber nicht so modern wie digitale Partizipation. Die Keynote-Speakerin nahm sich viel Zeit für die Fragen der Studierenden. Eine Studentin wies etwa darauf hin, dass die Herstellung vieler digitaler Geräte nicht nachhaltig sei und nannte als Beispiel die Arbeit in afrikanischen Minen: „How we can make sure, that our digital progress is not going on the costs of others?“ Um alle Menschen digital partizipieren zu lassen, seien nicht unbedingt mehr und vor allen Dingen nicht ständig neue Geräte nötig. Marina Weisband plädierte für ein Recht auf Reparatur. Dazu sei Open-Hardware nötig. Mit freien Bauplänen könnten Smartphones in jedem Handy-Geschäft repariert werden. Bisher fehle hierzu aber die rechtliche Grundlage. Dieses Dilemma zu lösen, sei vor allem Aufgabe der Politik: „We allow big companies to basically produce garbage.“

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