Michel Friedman bei der Konferenzwoche – „Streit ist Neugier“

26.02.2021 Jurist, Fernsehmoderator und Publizist Michel Friedman sprach mit den Erstsemester-Studierenden über den Status quo und die Zukunft der Demokratie. Der ehemalige stellvertretende Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland appellierte in einem Livestream an die rund 1500 Studierenden des Leuphana Semesters, immer wieder durch aktives Handeln auf Ungerechtigkeiten aufmerksam zu machen.

Michel Friedman im Livestream bei der Konferenzwoche 2021 ©Leuphana/Marvin Sokolis
Michel Friedman im Livestream bei der Konferenzwoche 2021

„Wenn jede Woche auf deutschen Fußballplätzen Bananen geworfen werden, weil Menschen mit anderen Hautfarben spielen“, stellt sich Michel Friedman die Frage: „wie kann man weiterspielen, wenn so ein rassistischer, menschenverachtender Vorgang stattfindet?“ Keine Reaktion zu zeigen, mache Menschen zu Mittätern. Denn Demokratie bedeutet für Menschenrechte einzustehen und ebendiese stehen nicht zur Verhandlung. Allen Menschen soll es erlaubt sein, ihre Identität auszuleben. Jedoch ist das nicht automatisch gegeben. Das gilt laut Friedman auch für Europa: „Wir erleben innerhalb der EU Zerstörungsprozesse der Demokratie.“ Der Jurist führt als Beispiele Polen und Ungarn an: „In Polen und Ungarn wird Rechtstaatlichkeit mit Füßen getreten.“ Im Verhältnis zu statischen autoritären Strukturen, ist eine Demokratie dynamisch, in der immer wieder neu verhandelt werden muss. In seiner Keynote fordert Friedman die Studierenden auf, an der Verhandlung teilzunehmen: „Lasst uns einfach mitmachen!“

Demokratie verdurstet ohne eine gesunde Streitkultur. Friedman glaubt: „Der Fortschritt ins Demokratische hat viele Rückschritte erlebt“. Als Bürger*innen sollten wir partizipieren, denn aktuell nehmen zu wenig Menschen das Angebot der Politik an. „Wer an der Demokratie teilnimmt, wirkt“ erklärte der Publizist. Daher hält er die Studierenden dazu an, Wissen zu akquirieren und immer wieder sachliche Argumente in den Raum zu werfen. Er appellierte: „Streit ist Neugier“, wir sollen immer offen sein, aus Debatten neue Dinge zu lernen.

Handlungsfähigkeit entsteht aus einem kritischen Umgang mit der Vergangenheit. „Die Einordung von Geschichte signalisiert unsere philosophische Wertehaltung der Gegenwart“, erläutert Friedman. Hieraus folgt die Intention zum Handeln, um zu verhindern, dass negative Ereignisse der Vergangenheit nicht erneut passieren. Somit ist Geschichte immer an Gegenwart und Zukunft gebunden. Konfrontationen sind ermüdend, es ist beispielsweise leicht, die Zahl Fünf einfach gerade sein zu lassen. Friedman fordert die Studierenden dennoch dazu auf, standhaft zu bleiben: „Nein! Die Fünf ist ungerade.“

Am Freitag steht der letzte Tag der Konferenzwoche an: In der Lunch!Show äußert sich Autor und Journalist Georg Diez zu „The New Hanse“– Urban Digital Transformation. Im Gespräch am Nachmittag reden Aminata Touré, Vizepräsidentin des Landtages Schleswig-Holstein, und die Soziologin Aladin El-Mafaalani darüber, wem die Stadt gehört.