Interview mit Jasmin

Jasmin hat nach dem Abitur zunächst eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau abgeschlossen, viel Berufserfahrung gesammelt und irgendwann ihren Mann und ihre Sachen gepackt um aus dem südlichen München ins beschauliche Lüneburg zu ziehen. Am Leuphana College studiert sie seit dem Wintersemester 2015/2016 Umweltwissenschaften. Im Interview spricht Jasmin über ihre Erfahrungen, die sie auf dem Weg an die Hochschule gesammelt hat, über große Umbrüche im Leben und über das Wetter im Norden, das einem ganz schön aufs Gemüt schlagen kann…

Liebe Jasmin: Du hast Abitur gemacht: Warum bist Du nicht dem Trend gefolgt und hast direkt ein Studium begonnen?
Nach der Schulzeit war ich es leid, immer nur zu lernen und wollte lieber etwas Praktisches machen. Ich hätte zu dem Zeitpunkt auch gar nicht gewusst, was ich studieren soll. Ich hatte vorher schon ein Praktikum gemacht und das hat mir gut gefallen. Deshalb habe ich dann die Ausbildung angefangen.

Du warst an einem klassischen Gymnasium, wie gestaltete sich da die Berufs- und Studienorientierung?
Es gab Infoabende, zu denen verschiedene Leute eingeladen wurden, die ihren Beruf vorgestellt haben. Ich fand die Richtung Tourismus interessant, aber ich konnte mich nicht wirklich durchringen ein ganzes Studium in dem Bereich anzufangen.

Habt ihr in der Schule auch Praktika gemacht?
Ja. Wir konnten eine Woche lang irgendwo hingehen. Aber das war schwierig, weil die Unternehmen für eine Woche einen Schüler nicht so gerne aufnehmen. Ich bin dann im Reisebüro gelandet und habe eine Woche lang Kataloge sortiert. Ich hatte nicht das Gefühl, dass mir das was gebracht hat. (lacht)

Wie haben Deine Eltern reagiert, als Du Ihnen erzählt hast, dass Du eine Ausbildung machen möchtest?
Die waren ganz zufrieden damit, weil sie auch beide nicht studiert haben, sondern Ausbildungen gemacht hatten, dann in den Beruf eingestiegen sind und auch eher praktisch veranlagt sind.

Was für eine Ausbildung hast Du absolviert?
Ich habe eine Ausbildung zur Veranstaltungskauffrau gemacht. Neudeutsch: Eventmanagerin.

Wie läuft die Ausbildung als Veranstaltungskauffrau ab?
Bei mir war es so, dass ich 100 % im Betrieb gearbeitet habe und alle zwei, drei Monate am Wochenende eine Seminarreihe hatte. Das war eine Art Privatschule. Wir hatten eine interne Abschlussprüfung und haben dann die IHK-Prüfung gemacht.

Nahmen an diesen Seminaren nur Menschen aus dem Bereich Veranstaltungsmanagement teil?
In meinem Kurs schon, aber aus ganz verschiedenen Richtungen. Ich habe zum Beispiel hauptsächlich Ärztekongresse organisiert, aber da gab es auch Leute, die in der Musikbranche tätig waren. Das war ganz unterschiedlich und bunt gemischt.

Du hast relativ lange in dem Beruf gearbeitet, vier Jahre. Kannst Du den Moment beschreiben, in dem Dir klar wurde, dass es für Dich woanders hingehen soll?
Ich muss dazu sagen, dass ich mit einem Chilenen verheiratet bin, der für mich nach Deutschland gezogen ist. Als er dann da war, habe ich gemerkt, dass ich einfach gar keine Zeit für ihn habe, weil der Beruf Veranstaltungskauffrau doch recht zeitintensiv ist. Ich habe mir überlegt, dass ich daran was ändern möchte und bin zu einer wissenschaftlichen Gesellschaft gewechselt. Dort habe ich noch mal eineinhalb Jahre gearbeitet. Privat hat mich das Thema Umwelt und Naturschutz aber schon länger interessiert. Vor allem interessierte mich die Frage, wie man es schafft, diese Themen in seinen Alltag zu integrieren oder andere Leute davon zu überzeugen, dass es wichtig ist, sich für Naturschutz einzusetzen. Ich fing an, einen Blog zu schreiben, weil mich das so interessiert hat und ich mein Wissen gerne teilen wollte. Ich habe aber gemerkt, dass ich mehr wissen will. Dann spielte ich mit dem Gedanken, vielleicht doch ein Studium zu beginnen. Und je länger ich darüber nachgedacht habe, desto sicherer wurde ich, dass ich studieren möchte.

Wie hast Du Dich über die verschiedenen Studienangebote informiert?
Ich habe mich über das Internet informiert. Ich muss dazu sagen, dass ich nicht so naturwissenschaftlich begabt bin, deshalb sind für mich ganz viele Studiengänge – zum Beispiel Umweltingenieurwissenschaften in München – rausgefallen. Die Umweltwissenschaftsstudiengänge, die man an anderen Unis studieren kann, sind oft sehr chemie- und physiklastig und mathematisch ausgerichtet. Das ist einfach nicht meine Stärke. Ich habe nach einer Uni gesucht, die ein bisschen breiter gefächert ist, mit mehr Möglichkeiten, mich auch in eine andere Richtung bewegen zu können. Da ist die Leuphana dann ziemlich schnell aufgetaucht. Beim Infotag war ich begeistert und musste dann erstmal meinen Mann überzeugen, dass es sich lohnt, von München nach Lüneburg umzuziehen (lacht), weil das natürlich auch eine Entscheidung ist, die man zusammen treffen muss.

Stellte der Beginn des Studiums für Dich einen großen Umbruch in Deinem Leben dar und wie bist Du damit umgegangen?
Es war natürlich ein großer Umbruch. Ich habe schon gearbeitet, ich hatte eine Wohnung, meinen Freundeskreis in München und irgendwie war das alles schon recht gesetzt und ich war glücklich. Aber ich dachte, es macht mich nicht glücklich genug, um einfach so weiter zu leben. Ich war plötzlich Feuer und Flamme für das Studium, obwohl ich gedacht hatte, dass ich eigentlich nie studieren will. Auch das Wetter hier ist ganz anders als in München. Da musste ich mich erstmal umgewöhnen, aber ich hatte ja meinen Mann im Gepäck.

Wie finanzierst Du dein Studium?
Ich habe zwar gearbeitet und gespart, aber wir sind öfter nach Chile gereist, deshalb ist da kein riesengroßes Potenzial. Ich bin als studentische Hilfskraft hier angestellt und mein Mann, der ebenfalls studiert, hat auch eine geringfügige Beschäftigung. Außerdem versuchen wir sparsam zu leben. Bisher läuft das ganz gut. Ich war es schon gewohnt, Geld zu verdienen und am Ende des Monats ein volles Konto zu haben, aber jetzt müssen wir uns einfach etwas umstellen und Dinge einsparen, die wir vielleicht vorher gemacht haben. Aber wir wissen ja, dass es nur für eine bestimmte Zeit ist und wir haben uns gut arrangiert. Ich möchte mich jetzt auch um ein Stipendium bewerben.

Wie lief der Studieneinstieg für Dich ab?
Sehr holprig (lacht). Erstmal die Wetterumstellung. Irgendwas war hier anders, so dass ich den ganzen Tag müde war, als wir hierher gezogen sind. Ich habe ganz lange gebraucht, um mich hier klimatisch einzufinden und habe am Anfang sehr viel geschlafen. Das ist dann noch stärker geworden, als die Uni angefangen hat, weil ich es nicht mehr gewohnt war, so lange am Stück zuzuhören und mich zu konzentrieren. Ich habe im Vergleich schon gemerkt, dass die anderen das von der Schule noch so drin hatten. Ich bin noch dabei, meinen Weg zu finden, welche Lernstrategie ich verwende. Es ist schon eine Herausforderung.

Was hast Du positiv wahrgenommen?
Ich fand es ganz toll, dass plötzlich so viele Leute um mich herum waren, die genau das gleiche interessiert wie mich und dass ich mich jetzt auf einer ganz anderen Ebene austauschen kann. Und die Leuphana an sich bietet ja so unendlich viele Möglichkeiten. Ich bin richtig inspiriert von den gefühlten eine Milliarde Initiativen und Veranstaltungen, die man nebenbei besuchen kann. Ich finde immer etwas, was mich begeistert und wo ich weitermachen möchte. Das ist richtig toll.

Wo hast Du durch Deine Berufserfahrung Vorteile gegenüber Menschen, die direkt nach dem Abi an die Uni gekommen sind und wo glaubst Du, hast Du vielleicht Nachteile?
Ich kenne die Berufswelt schon. Ich weiß, in welche Richtung ich studieren muss, um auf dem Arbeitsmarkt Chancen zu haben. Wenn ich jetzt merke, dass ich vielleicht das Studium abbrechen muss, weil es mir doch keinen Spaß macht oder ich vielleicht doch nicht in die Richtung gehen möchte, weiß ich immer, dass ich schon einen Beruf habe, in den ich wieder zurückgehen kann. Außerdem hatte ich das Glück, durch meine Berufserfahrung eine tolle SHK-Stelle am Center for Sustainability Management bekommen zu haben. Da ich schon gearbeitet habe, organisiere ich hier nun einen Kongress. Von Nachteil ist dieses wieder ins Lernen reinkommen. Vielleicht auch, dass ich in einem anderen Lebensabschnitt bin als die meisten anderen Studenten. Da hatte ich am Anfang das Gefühl, dass es mir schwerer fällt, den Anschluss zu finden. Als junger Student, der allein hier ist, trifft man sich häufiger mit den anderen und versucht, irgendwas zusammen zu machen. Das ist bei mir anders. Ich komme nach Hause und weiß, da wartet mein Mann.

Das heißt, Du kannst deine Berufserfahrung neben dem Studium nutzen?
Ja, und ich kann es auch mit dem verknüpfen, was ich jetzt studiere, nämlich das Ganze nachhaltig zu gestalten. Das bringt mich sehr weiter.

Welche Unterstützungsangebote hast Du zum Studienstart wahrgenommen?
Ich habe jede Menge Unterstützung wahrgenommen. Ich dachte, lieber am Anfang die Unterstützung bekommen, als hinterher zu straucheln. Ich habe zum Beispiel den Online-Vorkurs in Chemie gemacht, weil ich keine Chemiekenntnisse mehr hatte. Dann habe ich die Warm Up-Tage genutzt und bin schon ein paar Tage früher an die Uni gekommen, um zu sehen, wie das hier so funktioniert. Ich muss dazu sagen, dass aus meiner Familie noch nie jemand vorher studiert hat und ich keine Erfahrungswerte hatte, auf die ich zurückgreifen konnte. Deshalb nehme ich auch an dem Lotsen im Studium!-Programm teil, das über die ersten beiden Semester angeboten wird. Die Bibliothek bietet auch ganz viele Veranstaltungen an: wie finde ich mich zurecht und wie nutze ich die Literaturrecherche? Das habe ich alles mitgemacht (lacht). Das hat mir schon geholfen, um mich sicherer zu fühlen.

Welchen Rat würdest Du jungen Menschen geben, die nach der Schule noch gar nicht wissen, wo es für sie hingehen soll?
Ich würde ihnen zuerst raten, auf ihr Gefühl zu hören. Nicht denken, dass sie studieren müssen, nur weil fast jeder nach dem Abitur studiert. Ich habe zum Beispiel viele Praktika gemacht, ich war auf Jobmessen und habe versucht, mir da einen Überblick zu verschaffen, was es so an Möglichkeiten gibt. Dann einfach ausprobieren und den Mut haben auch mal Fehler zu machen. Die Dinge nicht als Fehler sehen, sondern als Lernchance.