Der Bundestag – ein Abbild unserer Gesellschaft?

Ein Beitrag von Anne Herwig

 

Unterschiedliche Geschlechter, Berufe und Interessen – unsere Gesellschaft ist bunt. Doch wie bunt ist unser Bundestag, der genau diese Gesellschaft repräsentieren soll? Mit dieser Frage beschäftigten sich am Donnerstag Katharina Liesenberg, Jakob Blankenburg und Maximilian Oehl innerhalb des Impulses „Repräsentation oder Repräsentativität – Wie viel Vielfalt brauchen wir im Bundestag?“.

 

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Wie viel Vielfalt bildet der Deutsche Bundestag wirklich ab?

 

Alle vier Jahre gehen die deutschen Bürger*innen ins Wahllokal, um über die Zusammensetzung des Deutschen Bundestages abzustimmen.  Der Bundestag hat aktuell 735 Abgeordnete – das Durchschnittsalter liegt bei 47,3 Jahren. 34,7 Prozent der Abgeordneten sind Frauen, 11,3 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Das Durchschnittsalter der deutschen Bevölkerung liegt hingegen bei 45,9 Jahren. Mit rund 51 Prozent bilden Frauen den größeren Bevölkerungsanteil und über 26 Prozent haben einen Migrationshintergrund. Ein reales gesellschaftliches Abbild ist der Bundestag also nicht.

Der deutsche Politiker Jakob Blankenburg (SPD) bestätigt diese Vermutung. Er ist seit 2021 ein direkt gewählter Abgeordneter, der im Deutschen Bundestag den Wahlkreis Lüchow-Dannenberg – Lüneburg vertritt. Blankenburg sagt, dass die gesamte Politik nach wie vor von einer Gesellschaftsgruppe dominiert werde: weiße Männer ab 50 Jahren.

Ein Grundprinzip von Demokratie besteht darin, die Lebensrealitäten aller Bürger*innen eines Landes miteinfließen zu lassen. Ist ein Bundestag mit der beschriebenen Zusammensetzung dazu in der Lage?

 

Vielfalt muss dringend gefördert werden

Katharina Liesenberg arbeitet an der TU Darmstadt im Bereich Politische Theorie und Ideengeschichte. Sie stellt heraus, dass Bürgerräte bereits ein recht diverses Bild der Gesellschaft in die Politik tragen würden, jedoch reiche dies nicht aus. Menschen mit niedrigem Schulabschluss oder geringem Einkommen bekämen seit Jahrzehnten das Gefühl vermittelt, kein Teil der politischen Strukturen zu sein. Ihre Interessen würden deutlich weniger bedient, sodass das allgemeine Interesse an Politik und Wahlen sinke. Wichtig sei es nun, diese Stimmen in permanenten Gesprächen anzusprechen, um den Glauben zu generieren, dass jeder Mensch etwas verändern könne.

Die parteiunabhängige, politische Initiative „Brand New Bundestag“, an der Maximilian Oehl beteiligt ist, greift diese Probleme auf. Sie bemüht sich, junge Politiker*innen mit unterschiedlichen Hintergründen einen Einzug in den Bundestag zu ermöglichen. Die Meinungen scheinen eindeutig in eine Richtung zu gehen: die Vielfalt im Bundestag muss gesteigert werden. Doch wie ist dies möglich?

 

Entwicklungen in positive Richtung

Laut Blankenburg steige seit einigen Jahren der Einfluss der jungen Generation in unterschiedlichen politischen Bereichen. Es komme zu ersten Umsetzungen von progressiven Ideen, allerdings bleibe ein Kriterium innerhalb von Parteien bestehen: Ein erfolgreicher Studienabschluss und Berufserfahrung sind laut Blankenburg häufig Voraussetzungen für die Besetzung einer einflussreichen Position. Ohne strukturelle Änderungen, die beispielsweise einen reibungslosen Einstieg in die Politik einbinden, sind laut Liesenberg daher keine nachhaltigen Anpassungen möglich.

Positive Beispiele finden sich laut Oehl im Ausland. In Frankreich gebe es Doppelmandate, die stets auf zwei Personen unterschiedlichen Geschlechts aufgeteilt sind. In den USA hingegen herrsche eine starke Zusammenarbeit zwischen zivilgesellschaftlicher und parlamentarischer Arbeit. Somit bekämen unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen Gehör und die Entstehung politischer Vorbilder werde ausgeweitet. Das Quotenprinzip bildet in Deutschland einen erfolgreichen Ansatz, allerdings bestehe laut Oehl und Liesenberg hierbei die Gefahr, dass auf Dauer Probleme bezüglich des Demokratieprinzips auftreten.

Abschließend lässt sich herausstellen, dass die drei Expert*innen trotz allem die Meinung vertreten, dass nicht alle weißen, fünfzigjährigen Männer im Bundestag ersetzt werden sollten. Der Erfahrungsgrad und die Repräsentation ihrer Gesellschaftsgruppe seien wertvoll für die deutsche und internationale Politik. Stattdessen solle Schritt für Schritt daran gearbeitet werden, Menschen aus anderen gesellschaftlichen Gruppen stärker in politische Prozesse einzubinden.

 Weitere Informationen zu Inhalten des Berichts:

Bundestag: https://www.bundestag.de/

Bevölkerungsstand in Deutschland: https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/datenreport-2021/bevoelkerung-und-demografie/329469/bevoelkerungsstand/ 

Bevölkerung mit Migrationshintergrund: https://www.bpb.de/kurz-knapp/zahlen-und-fakten/soziale-situation-in-deutschland/61646/bevoelkerung-mit-migrationshintergrund/

 

 

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