Der Teufel steckt im Design – Unser Problem mit dem Plastikmüll

Ein Feature von Amelie Harm

Plastik ist umweltschädlich. Dieses Dogma ist unter Verbrauchern unumstritten. Daher reduzieren Hersteller die Verwendung von reinem Kunststoff und steigen zunehmend auf Verbundverpackungen um. Dieser Designwechsel stellt die Recyclingbranche jedoch vor große Herausforderungen.

©pexels/Tom Fisk
Viele Tonnen Plastikmüll werden noch immer nicht verwertet und landen auf Mülldeponien.

 

Die grünen Weintrauben, die in ihrer Verpackung so frisch glänzen, der Proteindrink, den wir schon so häufig in der Werbung gesehen haben, das neue Shampoo in der knalligen Verpackung – alles landet kurzerhand in unserem Einkaufswagen. Wenn wir im Supermarkt durch die Gänge streifen, wählen wir die meisten Produkte spontan aus. Wie recyclingfähig die Verpackungen dieser Produkte dabei sind, wird häufig nicht bedacht. 

Die meisten Deutschen sind wegen der weltmeisterlichen Trenn- und Sammelwut von Abfällen überzeugt, besser zu recyceln als der Rest der Welt. Doch das ist ein Trugschluss. Zwar sind die Stoffkreisläufe von Glas, Papier und Schrott fast vollständig geschlossen, jedoch zeigt sich bei den scheinbar endlos steigenden Kunststoffmassen eine Quote, die noch ausbaufähig ist. Mehr als die Hälfte aller in Deutschland anfallenden Kunststoffe, meist in Form von Verpackungsmaterial, wurden laut dem Umweltbundesamt im Jahr 2019 weder werk- noch rohstofflich verwertet. Dass die Kunststoffe somit nach einem kurze ersten Nutzungszyklus verloren gehen, hat zahlreiche negative Konsequenzen für Wirtschaft und Umwelt.
 

Das Problem mit den Verbundverpackungen

Bei der Ursache für die geringe Wiederverwertungsquote von Kunststoffen liegt der Teufel im Design. Immer häufiger finden Kunststoffe in Verbundverpackungen Verwendung, die, im Gegensatz zu Monoverpackungen, aus mindestens einem weiteren von Hand nicht trennbaren Material bestehen. Die Chefin der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister Gunda Rachut warnt in einem Interview mit der Zeitung “Die Welt”  vor dieser Entwicklung: „Der Trend bei den Verbundverpackungen geht klar zu Lasten des Recyclings.“

Ihre Mahnung ist berechtigt. Während Monoverpackungen aus sortenreinem Kunststoff problemlos in den Stoffkreislauf zurückgeführt werden können, erweist sich das stoffliche Recycling von Verbundverpackungen als äußerst problematisch. Ein solches Recyclingverfahren ist, dem Präsidenten des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V. Peter Kurth zufolge, entweder, im Fall einer rohstofflichen Verwertung, mit einem hohen Kostenaufwand verbunden oder, im Rahmen einer werkstofflichen Verwertung, qualitativ unbefriedigend. Fast ausschließlich handelt es sich bei der Wiederverwertung von Kunststoffen aus Verbundverpackungen um eine werkstoffliche Verwertung und somit eine Form des Downcyclings. Die in diesem Prozess gewonnen Rezyklate können aufgrund ihrer verminderten Qualität nur unter Zusatz frischen Plastiks oder ausschließlich für ausgewählte Produkte wie Parkbänke oder Blumenkübeln erneut verwertet werden, die kaum dann wiederum noch recyclingfähig sind.

©Peter Kurth
Peter Kurth, Präsident des Bundesverbands der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- und Rohstoffwirtschaft e.V.

Die schlechte Kosten-Nutzen-Bilanz des stofflichen Recyclings der Verbundverpackungen und die begrenzten Verwertungsmöglichkeiten der Rezyklate haben zur Folge, dass Großteile dieses Abfalls laut Umweltbundesamt energetisch verwertet werden. Dies bedeutet, dass der Abfall als ein kostengünstiger Ersatzbrennstoff genutzt wird und beispielsweise in Zement- oder Industriewerken Braunkohle oder Erdöl substituiert. Ein Nachteil dieser Verwertungsmethode ist die schlechte Umweltbilanz. Zum einen entstehen zahlreiche Schadstoffe wie saure Gase, Filteraschen und Schwermetalle, zum anderen muss durch die Verbrennung Ersatz für die nicht mehr verfügbaren Mengen an Kunststoff geschaffen werden.
 

Ganz oder gar nicht – Ein recycling-konformes Design

Das stoffliche Recycling von Verbundverpackungen erweist sich als kostenaufwendig und qualitativ unbefriedigend, während die energetische Verwertung dieser Abfälle zahlreiche Schadstoffe freisetzt. Für Peter Kurth beginnt daher unser Kunststoffproblem schon vor dem Recycling: „Viele Kunststoffe werden in der Produktion nicht so eingesetzt, dass das Recycling leicht fällt. Beim Design von Produkten spielt der spätere Entsorgungsweg keine große Rolle. Wenn jemand mit Kunststoffen arbeitet, ist die geringste Frage, die er sich stellt, wie kriege ich diese Materialien in möglichst großem Umfang und möglichst qualitativ hochwertig später wieder in den Kreislauf.“ 

Vor diesem Hintergrund wächst die Forderung nach einem recycling-konformen Design von Produkten, das die Rückgewinnung der Verpackungsmaterialien für eine weitere hochwertige Nutzung erleichtern und die Recyclingquoten daher deutlich erhöhen würde. Laut Kurth führt ein solches Design, bei Verdopplung der Recyclingquote, zur Einhaltung der Pariser Klimaziele und zeigt darüber hinaus das Potential, den Stoffkreislauf für Kunststoffe zu schließen.

Die Vorsitzende der Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister Rachut sieht das Problem ebenfalls in der Zusammensetzung von Verpackungsmaterialien mit Kunststoff und appelliert daher im Interview mit der “Welt” an die Hersteller: „Ökologie muss in der Diskussion wieder die Oberhand gewinnen. Und da sind Verpackungsalternativen aus Monomaterialien klar zu bevorzugen, am besten mit einem recyclingfähigen Design und der Nutzung von Rezyklaten.“ 

Bei unserem nächsten Einkauf sollten wir daher Produkte nicht nur nach Lust und Laune auswählen, sondern vermehrt auf ein recycling-konformes Design achten, um zusätzlich Druck auf die Hersteller auszuüben. Nichtsdestotrotz ist dies keine Allheilmittel für unser Kunststoffproblem und sollte stets unter den Geboten der Müllvermeidung und Vorbereitung zur Wiederverwertung in der Abfallhierarchie stehen.

Auf unserem Blog findet ihr weitere Beiträge zur Konferenzwoche 2022 oder folgt uns auf Instagram bei leuphana.college.