Schluss mit dem Homo oeconomicus

Möve ist eine studentische Organisation, die sich auf die Fahne geschrieben hat, die VWL zu revolutionieren: Der Homo oeconomicus soll auf den Scheiterhaufen der Wissenschaftsgeschichte. Was mit einem Streik anfing, ist inzwischen zu einer Bewegung geworden. Doch was steckt hinter der Organisation, die „mehr ökonomische Vielfalt erreichen“ möchte?

Ein Bericht von Vincent Graw.

Vanessa Hartwig, MÖVE und Luis Häcker, MÖVE ©Vincent Graw
Vanessa Hartwig, MÖVE, und Luis Häcker, MÖVE

Die Organisation Möve beschäftigt sich mit Themen, wie dem Gender Pay Gap, Finanzmarktkrisen, Nachhaltigkeit und den Selbstbezug der Wirtschaftswissenschaften. Möve ist eine studentische Organisation, die aus einem Protest von Volkswirtschaftslehre-Studierenden entstanden ist. Diese haben sich gegen die einseitige Lehre der Wirtschaftswissenschaften ausgesprochen.

Auf der Konferenzwoche haben sie aus diesem Grund einen Workshop mit dem Namen „Exploring Economics - Visionen für eine neue Ökonomik“ angeboten. In dem Workshop kristallisiert sich heraus, dass der altbekannte Homo oeconomicus ganz aus dem Lehrplan der Universitäten verschwinden soll. Der Homo oeconomicus ist ein Modell, das den Menschen als ausschließlich wirtschaftlich denkenden Nutzenmaximierer darstellt. Die Idee der Transformativen Wirtschaftswissenschaften von Möve ist, dass alternative Theorieschulen der Ökonomik stärker an Universitäten vertreten sein sollen. 

Die Neoklassik setzt auf den Homo oeconomicus

Die laut Möve vorherrschende Denkschule an Universitäten ist die Neoklassik. Diese beinhaltet die Annahme, dass auf dem Markt eine Vollbeschäftigung herrscht, also keine Arbeitslosigkeit existiert. Des Weiteren ist der bereits erwähnte Homo oeconomicus ein wichtiges Kernelement dieser Denkschule. Die Neoklassik beschäftigt sich primär mit der Allokation knapper Ressourcen. Unter knappen Ressourcen sind die zu verstehen, die nicht unendlich zur Verfügung stehen, wie beispielsweise Brot. Ein zentraler Punkt des Modells ist zudem die Herstellung von Marktgleichgewichten. 

Es wird schnell klar, dass diese Denkschule Systeme, wie das gesellschaftliche und das ökologische System komplett außer Acht lässt. 

Ziel von Möve ist es, die vorherrschenden Denkschulen durch interdisziplinäre Denkschulen auszutauschen. Mögliche alternative Denkschulen sind dabei die Verhaltensökonomik, die marxistische politische Ökonomik, die feministische Ökonomik und die ökologische Ökonomik. 

Das will Möve

Möve fordert in ihrem Positionspapier vier verschiedenen Ausprägungen von Pluralität. Die erste ist die Theorienvielfalt. Dabei soll die Lehre um verschiedene ökonomische Theorien und Modelle erweitert und ein stärkerer Bezug zu aktuellen politischen Themen sowie zur Empirie hergestellt werde. 

Die zweite Ausprägung ist die Methodenvielfalt. Dabei soll die Lehre von qualitativen Methoden verstärkte Anerkennung in der Lehre finden und ein Fokus auf die Verbalisierung von mathematischen Modellen gelegt werden.

Interdisziplinarität stellt die dritte Ausprägung dar. Dabei sollen die soziale und ökologische Nachhaltigkeit, sowie die wirtschaftsethischen Perspektiven in die Wirtschaftswissenschaften integriert werden und eine stärkere Zusammenarbeit mit anderen Disziplinen stattfinden. An der Leuphana sollte dieser Bereich mit einem Minor und mindestens einem Komplementär pro Semester allerdings bereits bestens abgedeckt sein.

Der vierte und letzte Punkt in dem Positionspapier ist die Struktur. Prüfungen sollen häufiger in Form von Vorträgen und Hausarbeiten stattfinden und es soll eine personelle Diversität innerhalb des Instituts bezüglich des Geschlechts, des kulturellen Hintergrunds und der inhaltlichen Ausrichtung umgesetzt werden.

Auch, wenn die Forderungen aktuell eine starke Dringlichkeit aufweisen, bleibt fraglich, inwieweit sich die Forderungen von Möve umsetzen lassen. Dies liegt vor allem daran, dass die Wirtschaftswissenschaften in einem kapitalistischen System wenig Platz für Alternativen lassen.

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